Hinhalten und Abwarten
Bundesregierung will deutsche Beteiligung bei Luftangriff in Syrien prüfen
Nach der Verwicklung von Bundeswehrflugzeugen in einem Luftangriff auf ein Schulgebäude in Syrien versucht die Bundesregierung jetzt, die Wogen zu glätten. Die »Tornado«-Flugzeuge sollen an die Anti-IS-Koalition Aufklärungsbilder des Gebäudes geliefert haben, wie ARD und »Süddeutsche Zeitung« am Donnerstag berichtet hatten. Regierungssprecher Steffen Seibert sicherte am Freitag zu, die entsprechender Berichte würden geprüft. Bisher gebe es keine genauen Kenntnisse zu tatsächlichen Opfern, sagte Seibert.
Die in Großbritannien ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte sprach davon, dass der folgenschwere Luftangriff auf ein Schulgebäude am 20. März in Al-Mansura, etwa 20 Kilometer westlich von Rakka, mindestens 33 Opfer gefordert habe. Die Organisation beruft sich auf Informationen, die sie von Aktivisten vor Ort bekommen habe. Bei den Opfern handele es sich vor allem um Frauen und Kinder von Flüchtlingsfamilien aus Rakka und Aleppo, die die bombardierte Schule als Unterkunft benutzten, hieß es.
Auf eine sorgfältige Prüfung des Vorfalles scheint Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) indes nicht warten zu wollen. Schon am Donnerstag erklärte er, dass er keinen Zusammenhang zwischen der Luftwaffenerkundung und der Tötung von Zivilisten erkennen könne. »Nach meinem Kenntnisstand ist der ›Tornado‹Einsatz nicht verantwortlich dafür, was da gemacht worden ist«, so der SPD-Politiker. Auch für das Verteidigungsministerium ist der Zusammenhang nicht eindeutig. Aufklärungsbilder seien nicht die einzige Quelle für die Angriffplanung, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Dass die Bundeswehr sich »mandatskonform« verhalten habe, steht für den CDU-Verteidigungsexperten Henning Otte außer Frage. Bislang lägen keine belastbaren Ergebnisse zu zivilen Verlusten vor, fügte er hinzu.
Die einzige kritische Stimme aus den Regierungsreihen ist bislang von dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, zu vernehmen. Er fordert eine umfassende Aufklärung über die USStrategie in Syrien: »Wir müssen uns darauf verlassen können, dass die bisherigen Regeln weiter stringent eingehalten werden«, sagte Arnold der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »Der tragische Vorfall muss selbstverständlich sorgfältig aufgearbeitet und etwaige Fehler benannt werden.« Trotzdem wäre es »naiv zu glauben, dass Einsätze nur aufgrund von Bildern, die Bundeswehr-›Tornados‹ geliefert haben, geflogen werden«. Deswegen steht für ihn die Beteiligung deutscher Soldaten an der Anti-ISKoalition nicht in Frage. »Dieser Einsatz ist politisch richtig, weil wir in einer Koalition mit mehr als 40 Nationen gegen den Terror des IS kämpfen.« Dieser Einsatz sei zudem militärisch sinnvoll, erklärte er, »weil die ›Tornados‹ Aufklärungsbilder liefern, die zum Beispiel Drohnen nicht machen können«.
Ein Ende des deutschen Militäreinsatzes in Syrien hatten dagegen die LINKEN und Grünen gefordert. Die Linkspartei warf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vor, eine Mitverantwortung für die Toten zu haben. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter lehnte es ab, dass sich Deutschland in einer Koalition engagiert, »die das Leben von Zivilisten nicht um jeden Preis schützt«.