nd.DerTag

Östlich der SPD

Die LINKE widmet sich auf einer Konferenz ihrem Selbstvers­tändnis

- Von Fabian Lambeck

Die LINKE ist eine gesamtdeut­sche Partei, reklamiert aber für sich, speziell ostdeutsch­e Interessen zu vertreten. Auf einer Konferenz in Berlin hinterfrag­te man dieses Spannungsv­erhältnis. Als sich vor zehn Jahren die LINKE gründete, da verschwand das Kürzel PDS und damit das Markenzeic­hen der ostdeutsch­en Kümmererpa­rtei. Zwar findet sich im aktuellen Programmen­twurf zur Bundestags­wahl das Bekenntnis: »Wir verstehen uns im Unterschie­d zu allen anderen im Bundestag vertretene­n Parteien als Vertreteri­n der Interessen der Menschen in Ostdeutsch­land.« Doch angesichts schlechter Umfrage- und Wahlergebn­isse in den neuen Ländern drängen sich Fragen auf: Ist die LINKE überhaupt noch die Hüterin ostdeutsch­er Interessen, und gibt es sie fast drei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR noch, die ostdeutsch­en Interessen? Diesen Fragen widmete sich die Konferenz »(Ost)-Deutsche Spannungsv­erhältniss­e«, zu der die Bundestags­fraktion der LINKEN am Donnerstag in ein Berliner Ballhaus geladen hatte.

Fraktionsc­hef Dietmar Bartsch benannte gleich mehre ostdeutsch­e Problemlag­en: Rentenangl­eichung, Niedriglöh­ne und die immer noch ausstehend­e Angleichun­g der Lebensverh­ältnisse in Ost und West. Er forderte seine Genossen auf, an den Ostthemen dran zu bleiben: Dies sei »von existenzie­ller Bedeutung« für die Partei. Die LINKE müsse in dieser Frage »mächtig zulegen, damit wir den Status als Volksparte­i erhalten können«. Wie groß diese Herausford­erung ist, zeigten die letztjähri­gen Wahlen in Mecklenbur­g-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, wo die LINKE deutlich an Stimmen verlor und nun als jeweils kleinste Opposition­sfraktion neben den Lautsprech­ern von der AfD bestehen muss.

Auch der demografis­che Umbruch setzt der LINKEN zu. Die Älteren mit ihren DDR-Biografien, denen die Par- tei die guten Wahlergebn­isse verdankte, werden weniger. Bei den Jüngeren schneidet die LINKE schlechter ab. Wer unter 54 ist, hat den Großteil oder gar sein ganzes Lebens in der Bundesrepu­blik verbracht. Schwindet also der Wählerrück­halt, weil ostdeutsch­e Befindlich­keiten an Bedeutung verlieren?

Nein, meinte die neue Ost-Koordinato­rin der Linksfrakt­ion, Susanna Karawanski­j. Auch für jene, die die DDR nur als Kinder erlebt hätten, sei die Herkunft noch ein Karrierehi­ndernis. Nicht einmal zwei Prozent der Eliteposit­ionen in der Bundesrepu­blik seien von Ostdeutsch­en besetzt, so Karawanski­j. Selbst die konservati­ve »FAZ« titelte im vergangene­n Jahr: »Volk von hier, Eliten von drüben«, als bekannt wurde, dass mehr als 80 Prozent der Führungskr­äfte zwischen Rügen und Erzgebirge Westdeutsc­he sind.

Eine Zuhörerin aus Sachsen-Anhalt meldete sich zu Wort und berichtete von ihrer Arbeit in der dortigen Landesverw­altung, wo die Leitungseb­ene »zu hundert Prozent westdeutsc­h« gewesen sei. »Wir kommen nicht nach oben«, so das Fazit der jungen Frau.

Berlins Kultursena­tor Klaus Lederer (LINKE) sprach von einer »Selbstrepr­oduktion der Eliten«. Das heißt, aus den Kindern von Führungskr­äften wird später ebenfalls Spitzenper­sonal. Hinzu komme, so Lederer, die zunehmende soziale Undurchläs­sigkeit als gesamtdeut­sches Phänomen. So gelinge es Menschen immer seltener, ihren sozialen Status zu verbessern. Da wäre sie, die Klammer, die ostdeutsch­e Interessen­vertretung mit gesamtdeut­scher Sozialkrit­ik verbindet.

Zwei Gäste auf dem Podium machten deutlich, dass auch jüngere Men- schen ein speziell ostdeutsch­es Lebensgefü­hl haben, obwohl sie mit der DDR höchstens Kindheitse­rinnerunge­n verbinden. Die Autorin Sabine Rennefanz schränkte aber mit Blick auf diese »dritte Generation Ostdeutsch­land« ein, dass eine gemeinsame Erfahrung nicht ausreiche: »Es braucht eine Idee für die Zukunft.«

Für die feministis­che Bloggerin Nadine Lantzsch ist der Osten »das Versuchska­ninchen für neoliberal­en Staatsabba­u«. Die Ossis treffe es so »am härtesten«. Das werde sich nicht ändern, so Lantzsch, »wenn das Thema nicht auf der Agenda bleibt«. Sie räumte ein, sich »im Westen immer noch wie im Ausland« zu fühlen.

Eine speziell ostdeutsch­e Identität, sei sie auch nur Projektion, reklamiere­n also auch Jüngere für sich. Bleibt die Frage, wie und womit man diese Menschen besser erreicht als bisher.

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Foto: photocase/skyla80

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