Kampf für eine echte Null-Lösung
UNO-Staaten und internationale Organisationen widersetzen sich dem Atomwaffenwahn
Nach wie vor bedrohen gewaltige Mengen Atomwaffen Frieden und Leben auf dieser Erde. Eine Mehrheit der UNO-Mitgliedsstaaten will endlich die Abschaffung dieser sinnlosen und tödlichen Arsenale. Am Freitag endete in der UN-Generalversammlung in New York die erste Runde der Verhandlungen über ein vollständiges Verbot von Atomwaffen. Teilgenommen hatten zwei Drittel der 193 UN-Mitgliedsstaaten. Zu den Boykotteuren gehören sämtliche neun Atomwaffenstaaten und alle NATO-Mitglieder, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland.
Immerhin: Was seit Montag im New Yorker UN-Gebäude und bei zahlreichen Begleitveranstaltungen geschah, bezeichneten Vertreter der Zivilgesellschaft als »historisch«. Denn zum ersten Mal in der Geschichte der atomaren Abrüstungsbewegung verhandelten Vertreter von mehr als 120 Regierungen gemeinsam mit internationalen Organisationen und Friedensbewegten über Wege zu einem rechtsverbindlichen Verbot von Kernwaffen. Der ersten Verhandlungsrunde, die am Freitag mit einer Absichtserklärung zuende ging, folgen zwischen 15. Juni und 7. Juli die Schlussverhandlungen mit dem Ziel, einen Verbotsvertrag zu beschließen. Noch im Frühjahr soll ein Entwurf ausgearbeitet werden.
Biologische und chemische Waffen sind seit Langem völkerrechtlich geächtet. Im Bereich von Atomwaffen existiert zwar ein internationaler Sperrvertrag, der Non-Proliferation Treaty (NPT). Aber er ist ein stumpfes Schwert, da er sich auf das Verbreitungsverbot und die Forderung nach atomarer Abrüstung beschränkt. Die neun Staaten, die die Massenvernichtungswaffen in ihr Arsenal aufgenommen haben, sind USA, China, Russland, Großbritannien, Frankreich, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea.
Strategische Orientierungspunkte sind für die Nuklearwaffengegner erfolgreiche internationale Kampagnen, etwa das Landminenverbot vor 20 Jahren und die Ächtung von Streumunition im Jahr 2008. Die Verhandlungen sind das Ergebnis eines langjährigen Prozesses, der nicht nur von einem Dutzend Staaten, sondern auch vom Roten Kreuz und der »International Campaign to Abolish Nuclear Weapons« (ICAN) eingeleitet und vertieft worden war. ICAN ist ein Netzwerk aus mehr als 400 Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in neunzig Ländern.
Greg Mello, Leiter der Los Alamos Study Group aus New Mexico, be- zeichnete die UN-Initiative als »wichtigste Entwicklung in der atomaren Abrüstung seit dem Ende des Kalten Kriegs«. Schon in dem im Herbst vergangenen Jahres gefassten Beschluss, die Verhandlungen zu führen, werde die Doktrin der atomaren Abschreckung als moralisch und völkerrechtlich unhaltbar zurückgewiesen. Ein Verbotsvertrag würde »nukleare Drohgebärden politisch und militärisch erschüttern und die Glaubwürdigkeit und Legitimität von Kernwaffen selbst innerhalb von Atomstaaten unterminieren«. Die Gegnerschaft gegen die Massenvernichtungswaffen würde dann »ihre eigene Dynamik entwickeln und der Kontrolle dieser Staaten entgleiten«, hofft Mello.
Im Herbst 2016 hatte die damals noch amtierende US-Regierung von Präsident Barack Obama die NATOMitglieder aufgefordert, sich nicht an den Verhandlungen zu beteiligen. Denn diese würden die atomare Abschreckungsdoktrin »delegitimieren«, die wenige Monate zuvor beim NATO-Gipfeltreffen in Warschau erneuert worden war. Auf die Entscheidung des Friedensnobelpreisträgers Obama geht auch die Modernisierung der Atomwaffen mit einer Billion Dollar Kosten in den nächsten 30 Jahren zurück.
Der deutsche Friedensaktivist Reiner Braun vom International Peace Bureau, der sich in New York an zahlreichen NGO-Veranstaltungen beteiligte, äußerte gegenüber »nd« die An- sicht, die Trump-Regierung werde diesen Kurs noch verschärfen. Braun nannte als Belege die Washingtoner Ankündigung für die »posture review«, die atomare Komponente auszuweiten. Außerdem lege sich die Trump-Regierung mit der Ablehnung des Iran-Vertrags und der jüngsten Drohgebärde von Außenminister Rex Tillerson gegenüber Nordkorea »alle Optionen zurecht, also auch die nukleare«.
Die Atomwaffenpolitik der Bundesregierung sei »weitestgehend UShörig«, so Braun. Berlin nehme an den Verhandlungen nicht einmal als Beobachter teil und unterstütze gleichzeitig die Modernisierung der Atomwaffen durch die USA, auch im rheinland-pfälzischen Büchel.