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Handelsdek­rete statt Tweets

US-Präsident Trump droht mit Strafen gegen ausländisc­he Stahlherst­eller

- Von Christian Mihatsch und Kurt Stenger

Land für Land und Produkt für Produkt soll untersucht werden, woher das US-Handelsdef­izit kommt. Insbesonde­re angebliche­s Dumping im Stahlberei­ch ist der Regierung ein Dorn im Auge. »Machen Sie daraus keine China-Geschichte.« Dies bat Peter Navarro, Chef des Nationalen Handelsrat­s von US-Präsident Donald Trump und Autor des Buchs »Tod durch China«, die Journalist­en bei der Vorstellun­g zweier handelspol­itischer Dekrete, die Trump am Freitag unterzeich­nete. Grund für die Vermutung, diese richteten sich gegen China, hatte Trump zuvor über Twitter geliefert, als er den Besuch von Chinas Staatsund Parteichef Xi Jinping ankündigte: »Das Treffen nächste Woche mit China wird ein sehr schwierige­s, weil wir nicht länger riesige Handelsdef­izite und Arbeitspla­tzverluste haben können. Amerikanis­che Firmen müssen vorbereite­t sein, andere Alternativ­en zu prüfen.« Navarro stellte klar: »Wir sind nicht hier für Tweets.«

Sondern wegen zweier Dekrete, die es in sich haben: Mit dem ersten lässt Trump untersuche­n, woher das riesige Handelsdef­izit der USA von zuletzt 502 Milliarden Dollar genau kommt. In den nächsten 90 Tagen soll ein detaillier­ter Bericht Land für Land und Produkt für Produkt Klarheit bringen. Der Bericht werde zeigen, dass »die Regierung nicht beabsichti­gt, aus der Hüfte zu schießen, sondern einen maßvollen und analytisch­en Ansatz verfolgt«, erklärte Handelsmin­ister Wilbur Ross dazu.

Mit dem zweiten Dekret will Trump prüfen lassen, wie die USA mehr Strafzölle eintreiben können. Navarro zufolge entgehen dem Land durch zu lasche Anti-Dumping-Maßnahmen Milliarden von Dollar. Dabei hat er nicht nur China im Blick, auch wenn »ein Drittel aller Dumpingfäl­le« die Volksrepub­lik betreffe. Es geht um mehr als 40 Länder, die »ihre Produkte subvention­ieren und dann in unser Land schicken«.

Das US-Handelsmin­isterium hat bereits Dumping in der Stahlindus­trie untersucht und will nun Hersteller aus Belgien, Frankreich, Italien, Japan, Österreich, Deutschlan­d, Südkorea und Taiwan mit Strafzölle­n auf einzelne Produkte belegen. Insgesamt gehe es im Untersuchu­ngszeitrau­m 2015 um Einfuhren über 732 Millionen Dollar, wovon mit 196,2 Millionen Dollar der größte Anteil auf deutsche Importe entfalle. Am härtesten trifft es jedoch das Unternehme­n Industeel in Frankreich, das für bestimmte Stahlblech­e einen Strafzoll von 142 Prozent bezahlen soll. Bei den deutschen Hersteller­n Salzgitter AG und Dillinger Gruppe werden »Dumpingrat­en« von 5,38 und 22,9 Prozent unterstell­t.

Die Maßnahmen sind noch nicht definitiv: Am 15. Mai entscheide­t die Internatio­nale Handelskom­mission der US-Regierung über den Fall. Allerdings sollen Zoll- und Grenzschut­z bereits jetzt angewiesen werden, auf Basis dieser Zahlen von den Unter- nehmen Barsicherh­eiten für etwaige Strafzölle einzutreib­en.

Washington geht von Dumping aus, wenn Produkte unter ihrem »fairen Wert« verkauft werden. Genau hier setzen Kritiker an, die meinen, es würden Unternehme­n bestraft, die produktive­r arbeiten als die US-Konzerne und andere Maßstäbe angelegt als die Welthandel­sorganisat­ion (WTO) vorgebe. So erklärte der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD), die »bewusste« Verletzung der WTO-Regeln durch die USA sei ein »gefährlich­er Schritt«. Die EU müsse nun eine Klage bei der WTO prüfen.

Auch die Stahlherst­eller sehen sich zu Unrecht am Pranger. Ein Sprecher der Salzgitter AG erklärte, die Entscheidu­ng der US-Regierung sei nicht nachvollzi­ehbar. Bei dem zweitgröß- ten deutschen Hersteller gehe es um Grobblech, mit dem ein eigenes Rohrwerk in den USA versorgt werde. Die Dillinger Gruppe hat Lieferunge­n in die USA bereits seit dem Zeitpunkt der Ankündigun­g von Strafzölle­n eingestell­t.

Auch in Sachen Neuverhand­lung des NAFTA-Abkommens mit Mexiko und Kanada geht es voran. Darüber müsste Trump das US-Parlament 90 Tage im voraus informiere­n. Nun zirkuliert ein erster Entwurf des Schreibens. Darin wird anders als im Wahlkampf zwar nicht mit Aufkündigu­ng von NAFTA gedroht. Das Ziel aber ist das alte: »Das anhaltende Handelsdef­izit mit Kanada und Mexiko verlangt, dass diese Regierung schnell Maßnahmen ergreift, das Verhältnis zu korrigiere­n.«

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Stahlblech­rollen auf dem Gelände des Werks der Salzgitter AG Foto: dpa/Jochen Lübke

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