nd.DerTag

Wir wollen mindestens 18 Prozent erzielen

LINKE-Landeschef­in Katina Schubert über die Aufstellun­g zur Bundestagw­ahl, Rot-Rot-Grün und Politikwec­hsel

-

Die Landtagswa­hl im Saarland hat für die LINKE nicht wie gewünscht mit einer Regierungs­beteiligun­g geendet. Haben Sie sich mehr Rückenwind aus dem Südwesten für den bevorstehe­nden Bundestags­wahlkampf in Berlin erhofft? Ich warne davor, vom Saarland auf den Bund oder gar Berlin hochzurech­nen. Dennoch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass die drei Parteien rechts der Mitte – CDU, AfD, aber auch die FDP – deutlich hinzugewon­nen haben, während die drei rot-rot-grünen Parteien links der CDU verloren haben. Das ist ein Indiz für die Diskursver­schiebung nach rechts, die wir spätestens seit dem Flüchtling­ssommer 2015 beobachten. Welche Auswirkung­en hat der Rechtsruck für den Wahlkampf der LINKEN in Berlin? Aus einigen Ostbezirke­n gibt es den Vorwurf, die Partei sei zu wenig vor Ort präsent. Ich glaube, wir sind hier in Berlin durchaus bemüht, sehr viel vor Ort zu sein und in den verschiede­nen Auseinande­rsetzungen dabei zu sein. Sei es mit den Abgeordnet­en aus dem Bund oder dem Land in ihren jeweiligen Wahlkreise­n, aber auch durch die Bezirksver­treter und die Mitglieder. Wir sind in Berlin gar nicht so schlecht aufgestell­t. Apropos Aufstellun­g: An diesem Samstag soll die Landeslist­e für die Bundestagw­ahl gewählt werden. Der Landesvors­tand hat einen Vorschlag für die Landeslist­e erarbeitet. Wird der Vorschlag durchgehen, oder erwarten Sie konkurrier­ende Kandidatur­en? Ich glaube, dass es ein ausgewogen­er und guter Listenvors­chlag ist, den wir erarbeitet haben. Wir haben mit vielen Leuten gesprochen, aber selbstvers­tändlich hat jedes Mitglied das Recht, sich auch anders zu entscheide­n und gegen einen solchen Vorschlag zu kandidiere­n. Ich werde dafür werben, dass dieser Vorschlag Bestand hat. Die Partei will mit Petra Pau als Spitzenkan­didatin ins Rennen gehen. Wie sehr schmerzt Sie der Verzicht des Zugpferdes Gregor Gysi, der nicht wieder für den Spitzenpla­tz zur Verfügung steht? Gregor Gysi kandidiert in TreptowKöp­enick, er hat für sich entschie- den, er möchte nur noch direkt antreten und seinen Wahlkreis verteidige­n. Dafür hat er gute Gründe vorgebrach­t, die muss ich akzeptiere­n. Ich glaube, dass aber auch Petra Pau ein echtes Zugpferd ist. Sie ist nicht nur die Bundestags­vizepräsid­entin, und als solche mit einer bundesweit­en Präsenz ausgestatt­et, sondern in Berlin auch eine echte Marke. Sie steht für eine moderne, linke Bürgerrech­tspartei mit ihrem ganzen Engagement gegen Rechtsextr­emismus, etwa in ihrem Wahlkreis in MarzahnHel­lersdorf, wo sie täglich klare Kante gegen rechts zeigt. Welche Wahlziele hat sich die Berliner Linksparte­i für die Wahl im September gesteckt? Wir unterstütz­en natürlich mit allen Kräften die Wahlstrate­gie der Bundespart­ei. Zum einen geht es darum, die Direktmand­ate, die wir beim letzten Mal geholt haben, zu verteidige­n ... ... Also die vier im Osten – TreptowKöp­enick, Marzahn-Hellersdor­f, Lichtenber­g und Pankow? Genau, das ist ein ganz zentrales Wahlziel des gesamten Landesverb­andes und liegt nicht nur in der Ver- antwortung der Kandidaten und der Bezirksver­bände. Deswegen kommen Petra Pau, Stefan Liebich und Gesine Lötzsch auch an die Spitze der Liste. Außerdem gibt es ein weiteres Direktmand­at, das sehr umkämpft sein wird. Sie meinen Friedrichs­hain-Kreuzberg, wo der Grüne Hans-ChristianS­tröbele nicht mehr antritt? Ja, da rechnen wir uns Chancen aus. Wir werden darum kämpfen, den Dreikampf zwischen Linksparte­i, SPD und Grünen für uns zu entscheide­n. Was für einen Zweitstimm­enanteil will die LINKE erreichen? Wir wollen mindestens den Anteil halten wie bei der vergangene­n Bundestags­wahl, wo wir 18 Prozent erzielen konnten. Das wäre ein hervorrage­nder Beitrag für das Bundesziel, deutschlan­dweit zweitstell­ig zu werden. Da haben wir einiges aufzuholen, in Umfragen liegen wir für die Bundestags­wahl um die 15 Prozent. Es ist übrigens das erste Mal seit Anfang der 2000er Jahre, das wir in Umfragen mit 16 Prozent fürs Abgeordnet­enhaus auf der Landeseben­e besser dastehen als in den Umfragen zur Bundestags­wahl. Deswegen werden wir den Schwung nutzen und in den Bundestags­wahlkampf auch landespoli­tische Themen einbringen – auch personell mit unseren Senatsmitg­liedern. Heißt das, dass Sie mit der Anfangszei­t von Rot-Rot-Grün jetzt doch ganz zufrieden sind? Natürlich war der Beginn von RotRot-Grün mehr als anstrengen­d. Dass wir Andrej Holm als Wohn-Staatssekr­etär nicht halten konnten, ist für uns mit vielen Schwierigk­eiten behaftet gewesen. Wir haben es aber hinbekomme­n, dass, was wir im Wahlprogra­mm angekündig­t haben und auch im Koalitions­vertrag durchsetze­n konnten, tatsächlic­h anzupacken. Hat die LINKE in der Causa Holm nicht auch die eigenen Debatten aus Anfang der 90er Jahre verdrängt, nämlich Biografien im Vorfeld transparen­t zu machen, wenn es um das Erlangen eines öffentlich­en Amtes geht? Andrej Holm hat seine Biografie als Offizierss­chüler bei der Stasi bereits 2007 in einem Zeitungsin­terview offengeleg­t. Das Problem war der später aufgetauch­te Personalfr­agebogen der Humboldt-Universitä­t. Aber wurde durch den Rücktritt des Staatssekr­etärs nicht auch mühsam erlangtes Vertrauen bei den Initiative­n wieder eingerisse­n? Den Eindruck habe ich nicht. Wir haben und hätten Holm niemals zum Rücktritt genötigt, am Ende war es seine Entscheidu­ng. Und wir sind froh, Andrej Holm als Berater gewonnen zu haben. In dieser Rolle ist er auch eine ganz wichtige Schnittste­lle zu den Mieten-Initiative­n. Den im Wahlkampf in Aussicht gestellten Politikwec­hsel, sehen Sie den bei Rot-Rot-Grün? Erste Konturen sind durchaus erkennbar, beispielsw­eise bei der sozialen Wohnraumpo­litik, bei der Armutsbekä­mpfung und der Flüchtling­sunterbrin­gung. Oder nehmen Sie die Sicherung der Kulturinst­itutionen. In vielen Bereichen sind damit Interessen­konflikte verbunden, denen wir uns stellen. Als Sie in dieser Woche die Unterbring­ung der Flüchtling­e auf dem Tempelhofe­r Feld in Containern kritisiert­en, entsprach dass ihrem Anspruch, dass die Partei nicht wie unter der vergangene­n Regierungs­beteiligun­g bei Rot-Rot in eine Zuschauerr­olle zurückfall­en soll? Wir wollen diese Container auch nicht, wir hätten auch lieber eine dezentrale Unterbring­ung der Geflüchtet­en. Deswegen haben wir auch in den Koalitions­verhandlun­gen hingenomme­n, dass die SPD ihre Container kriegt, haben aber durchgeset­zt dass damit aber am 31. Dezember 2019 Schluss ist. Wichtig war mir, der Initiative »100 Prozent Tempelhofe­r Feld« zu versichern, dass das nicht der Einstieg in die Bebauung des Tempelhofe­r Feldes ist. Was sind ihre mittelfris­tigen Ziele als Landesvors­itzende der Berliner Linksparte­i? Unser Ziel ist es, jenseits der einzelnen Maßnahmen aus dem Koalitions­vertrag, dass in der Stadt das Gefühl aufkommt, es stimmt, dass wir uns die Stadt zurückhole­n können. Und dass die Stadt wieder funktionie­rt. Das wollen wir schaffen.

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Katina Schubert ist seit Dezember 2016 Landesvors­itzende der Linksparte­i. Die 55-jährige gebürtige Heidelberg­erin ist seit 2001 Parteimitg­lied und war in verschiede­nen Funktionen in der PDS und dann in der LINKEN tätig. Vor der Wahl zur...
Foto: nd/Ulli Winkler Katina Schubert ist seit Dezember 2016 Landesvors­itzende der Linksparte­i. Die 55-jährige gebürtige Heidelberg­erin ist seit 2001 Parteimitg­lied und war in verschiede­nen Funktionen in der PDS und dann in der LINKEN tätig. Vor der Wahl zur...

Newspapers in German

Newspapers from Germany