Prozess zu energetischer Sanierung
Gericht entscheidet über Zumutbarkeit von Mietsteigerungen bei Modernisierung
Müssen Mieter energetische Sanierungen und die damit verbundenen Mietsteigerungen dulden, wenn es zu keiner Ersparnis kommt? Darüber verhandelte am Freitag das Berliner Landgericht. Das Verfahren könnte richtungsweisend sein. Wie viel Mietsteigerungen sind Mietern bei energetischen Sanierungen zuzumuten? Dazu begann am Freitag ein mit Spannung erwarteter Prozess vor dem Berliner Landgericht – ein Urteil wird erst in drei Wochen erwartet.
Zum Hintergrund: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GESOBAU hatte eine Mietpartei einer Wohnanlage in der Pestalozzistraße in Pankow nach gescheiterten Einigungsbemühungen auf Duldung der Ende 2012 angekündigten Maßnahmen – unter anderem Wärmedämmung und Einbau einer Zentralheizung – verklagt, und war damit in der ersten Instanz gescheitert. Das Amtsgericht Pankow-Weißensee interpretierte die Energieeinsparungsverordnung (EnEV) im Januar 2015 dahingehend, dass ein Mieter das Recht habe, die Zustimmung zu einer Modernisierung zu verwei- gern, wenn diese für ihn deutlich unwirtschaftlich sei. Die erhöhten Mietbelastungen nach energetischen Gebäudesanierungen müssten in einem angemessenen Verhältnis zu den tatsächlichen Energieeinsparungen der Haushalte stehen. Das sah das Gericht als nicht gegeben an.
Dieses Urteil weckte bei vielen Mietergruppen die Hoffnung, dass der juristisch bislang weitgehend aussichtslos erscheinende Kampf gegen Mietsprünge nach energetischen Modernisierungen sich doch lohnen könnte. Denn bislang folgten fast alle Gerichte dem Tenor einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2008, laut dem die tatsächliche Heizkostenersparnis nach Modernisierungen keine Rolle spiele, da der Gesetzgeber als vorrangiges Ziel die Einsparung von Primärenergie im Sinne des Klimaschutzes definiert habe.
Für Vermieter bedeutete dieses Urteil einen Ansporn, möglichst teure energetische Modernisierungen ohne wirklichen Nutzwert für Mieter durchzuführen. Bekannt wurden in der Folge Fälle wie etwa in der Kopenhagener Straße (Prenzlauer Berg), wo die Kaltmieten um über 300 Prozent steigen sollten.
Rechtsanwältin Carola Handwerg, die das verklagte Pankower Ehepaar vertritt, mochte vor der Verhandlung zwar nicht von einem Präzedenzfall sprechen, da stets die speziellen Bedingungen einzelner Häuser und Wohnungen untersucht werden müssen. Dennoch würde ein Erfolg die rechtlichen Möglichkeiten, gegen »wirtschaftlich unsinnige Modernisierungen vorzugehen«, erweitern, betonte Handwerg. Und auch die zwei Dutzend Unterstützer vom »Pankower Mieterprotest« hoffen auf einen solchen Erfolg.
Doch bereits bei der ersten Verhandlung der Berufung vor dem Landgericht im September 2015 ließ die vorsitzende Richterin Regine Paschke wenig Zweifel daran, dass nach ihrer Auffassung weder die EnEV noch das 2013 in Kraft getreten Mietrechtsänderungsgesetz zur vereinfachten Durchsetzung energetischer Modernisierungen Spielräume für die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit aus Mietersicht ließen. Auch am Freitag bekräftige Paschke mehrfach, dass Politik und Bundesgerichtshof einen Rahmen für energetische Modernisierungen geschaffen haben. Für die Mieter gibt es zumindest in diesem Verfahren wohl wenig Hoffnung.