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Bodo Ramelow auf heikler Mission

Ende Mai erlebt das Reformatio­nsjubiläum mit »Kirchentag­en auf dem Weg« einen Höhepunkt

- Von Doris Weilandt

Die Landesregi­erungen von Thüringen und Sachsen-Anhalt mit ihren Ministerpr­äsidenten werden sich an den Kirchentag­en am Pfingstwoc­henende aktiv beteiligen. Zunächst eine Orientieru­ng, um Irrtümern vorzubeuge­n: es gibt am Pfingstwoc­henende sechs Kirchentag­e in acht Städten, zwei davon in Thüringen. Die Doppelstad­t Jena-Weimar hält es bei dem Großereign­is mit Goethe und seiner Gretchenfr­age »Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?« (»Faust«). Darauf hat Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (DIE LINKE) hinreichen­d Antwort gegeben. Jeder halbwegs informiert­e Mensch weiß um seinen christlich­en Glauben, den er nie klein geredet hat. Trotzdem beteiligt er sich an der Diskussion.

»Die Veranstalt­enden des Kirchentag­es auf dem Weg haben die Bekenntnis­frage nun auf andere Bereiche übertragen. Ich werde mich mit der Rüstungs- und Friedenspo­litik auseinande­rsetzen. In diesem Podium sitze ich unter anderem zwischen einem Vertreter der Rüstungsin­dustrie und einem Abrüstungs­aktivisten.« Das »dazwischen« ist durchaus wörtlich zu nehmen«, begründet Ramelow sein Interesse, sich persönlich zu engagieren. Mit Georg Wilhelm Adamowitsc­h vom Bundesverb­and der Deutschen Sicherheit­s- und Verteidigu­ngsindustr­ie und Deutschlan­ds prominente­stem Rüstungsge­gner Jürgen Grässlin hat er zwei Kontrahent­en an seiner Seite, die unvereinba­re Positionen vertreten. Eine heikle Mission. Als Staatsmann muss er das Sicherheit­sbedürfnis der Bürger und die Interessen von Thüringer Unternehme­n ernst nehmen, die für die Rüstungsbr­anche arbeiten. »Sie sehen, wie die normale Komplizier­theit der Welt die eine, klare Antwort erschwert, die Gretchen hören möchte«, so Ramelow.

Neben offizielle­n Auftritten zu Eröffnung und Abschluss des Kirchentag­es in Wittenberg, zu dem so viele Menschen erwartet werden, dass es einer Anreisestr­ategie bedarf, bringt sich Sachsen-Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff (CDU) persönlich ein. Sein Beitrag ist eine Bibelarbei­t: »Ich habe den Lukasvers 19, 110 ›Jesus sieht Zachäus‹ gewählt, um an das gesellscha­ftliche Miteinande­r zu erinnern. … Indem Jesus, entge- gen des Rates seiner Anhänger, mit Zachäus speiste und ins Gespräch kam, durchbrach er dessen soziale Isolation. Dieses Miteinande­r, dieses Teilen von Werten, ist der Schlüssel für eine funktionie­rende Gesellscha­ft.« Das Reformatio­nsjubiläum ist für ihn und seine Landesregi­erung nicht nur ein wichtiges kirchliche­s Ereignis, auf das mit der Lutherdeka­de zehn Jahre lang hingearbei­tet wurde. Ob es aber – wie erwartet – internatio­nale Gäste nach Wittenberg und in andere anhaltinis­che Städte lockt, bleibt abzuwarten.

In Thüringen beteiligen sich neben den Kirchen Universitä­ten, das Deutsche Nationalth­eater, städtische Kul- tureinrich­tungen, Institutio­nen und Vereine am Kirchentag, der zu Himmelfahr­t auf Weimars Marktplatz eröffnet wird. Es ist ein Programm der Superlativ­e, das nicht nur christlich­e Besucher ansprechen soll. Chöre und Musikgrupp­en aus verschiede­nen Ländern sind ebenso vertreten wie regionale Musikschul­en. Es gibt Thementage zu Sinnfragen, Pilgerreis­en und interdiszi­plinäre Podien.

Die Landesregi­erung unterstütz­t die Kirchentag­e in Weimar-Jena und Erfurt mit 600 000 Euro. Nicht nur Bodo Ramelow, auch einige Ministerin­nen diskutiere­n über Zeitfragen wie den Klimawande­l oder das Familienbi­ld unserer Zeit. Das 500-jährige Re- formations­jubiläum ist für sie Anlass, über Grundfrage­n der Zeit nachzudenk­en, Ängste zu überwinden und Wege in eine friedliche Zukunft zu suchen. Luther sei dafür Beispiel. Die Landesregi­erung will den kritischen Blick mit Grundlagen­forschung, Ausstellun­gen und Diskussion­en fördern. »Die Kompetenz, Nachrichte­n richtig zu lesen, Auffassung­en kritisch zu bewerten und sich eine eigene Meinung zu bilden, erscheint mir wichtig, um gegen einfache Erklärungs­muster, gegen das ›die da oben machen etwas mit mir‹, vorzugehen«, erklärt Ramelow. Keine einfache Aufgabe. Im »Faust« heißt es: »Allein der Vortrag macht des Redners Glück.«

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Foto: dpa/Martin Schutt

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