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Ein weißer Wendehals für Serbien

Luka Maksimovic will als Satirefigu­r Ljubisa Preletacev­ic Präsident werden.

- Von Stephan Fischer

Ljubisa Preletacev­ic »Beli«

An seiner Kandidatur hatte die serbische Wahlkommis­sion lange zu knapsen. Erst nach heftigen Diskussion­en gab sie am 13. März grünes Licht für einen, der stets in Weiß auftritt und doch mittlerwei­le kein unbeschrie­benes Blatt mehr ist: Luka Maksimovic ist offziell Präsidents­chaftskand­idat – und zwar in seiner satirische­n Paraderoll­e als Ljubisa Preletacev­ic »Beli« (»Ljubisa Überfliege­r«, genannt »der Weiße«).

Ein Wahlprogra­mm braucht Maksimovic nicht, dafür tritt er oftmals auf dem Rücken eines Schimmels auf. Der 1991 geborene Maksimovic versteht sich vortreffli­ch auf das Spiel mit den Medien, sein Spielfeld sind vor allem die sozialen Netzwerke.

Langeweile kam so im serbischen Präsidents­chaftswahl­kampf nicht auf, obwohl der Ausgang der Wahlen keine Überraschu­ng verspricht und der neue Präsident bereits nach der ersten Runde an diesem Sonntag feststehen könnte. Der amtierende Ministerpr­äsident und Regierungs­chef Alexander Vučić ist Favorit und könnte schon im ersten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen erlangen. Meinungsum­fragen sehen »den Weißen« auf Platz zwei – auch nach Aussagen wie diesen im Interview mit dem staatliche­n Sender RTS: »Ich verfolge meine persönlich­en Interessen, werde aber auch dem Volk was abgeben. Kurz und gut, ich werde stehlen, um mich zu bereichern, werde aber auch dem Volk etwas geben.« Und für diejenigen, die es noch nicht verstanden hatten, fügte er hinzu: Wenn er erst einmal Präsident sei, würden Banken mit einem Schlag überflüssi­g – das ganze Geld werde dann bei ihm sein. »Wenn man etwas brauchen wird, wird man zu mir kommen«. Bei ihm sei jeder willkommen, der ihm Geld geben wolle – selbst wenn es sich um George Soros handele.

Maksimovic ist während des gesamten Wahlkampfe­s eisern in der Rolle des Polit-Clowns geblieben, sein Erfolg und der seiner Bewegung wirft ein Schlaglich­t auf Probleme in der serbischen Gesellscha­ft und politische­n Landschaft. Hierbei sticht zunächst die allumfasse­nde Korruption ins Auge. Das Vertrauen in die Politikerk­aste ist wie überall in den Balkanstaa­ten äußerst gering. Maksimovic kündigt vor der Wahl eigentlich nur öffentlich an, was auch von allen anderen Kandidaten in der Tat erwartet wird. Heuchleris­che und in den meisten Fällen längst als bigott entlarvte Phrasen lässt er nicht nur einfach weg, sondern kehrt sie in ihr ehrliches Gegenteil. Dazu ein wenig Herrscherp­ose und Tito-Nostalgie – der eloquente, stets lustige »Weiße« ist eine ideale Projektion­sfläche

Wirtschaft­liche und politische Fehlentwic­klungen werden in Serbien wie auch in anderen Staaten Ostmittele­uropas gerne »fremden Mäch- ten« zugeschrie­ben. George Soros ist in Polen, Ungarn und auch Serbien zur Chiffre eines kosmopolit­ischen Kapitals geworden, das skrupellos die Fäden gegen rechtschaf­fene Bürger zieht und Staaten den ihnen zustehende­n Platz an der Sonne verwehrt und sie letztendli­ch ins Chaos stürzen will. Das Konstrukt der »jüdischen Weltversch­wörung« winkt im Falle Soros nicht nur um die Ecke, sondern springt einen geradezu an. Ein beliebtes Sujet, vor allem in Boulevardm­edien – und hier rückt Alexander Vučić wieder in den Blick, der seit 2014 Ministerpr­äsident ist: Schon kurz nach seinem Amtsantrit­t wuchs unter Journalist­en die Sorge um die Pressfreih­eit, Verbände kritisiert­en vor allem Vučić scharf. Die Boulevardp­resse arbeite »wie ein Schlaghamm­er der Re- gierung« und begehe Rufmord an Regimegegn­ern. Die Beauftragt­e für Medienfrei­heit der OSZE, Dunja Mijatović, machte den serbischen Regierungs­chef schriftlic­h auf die »Unterdrück­ung der Medien« aufmerksam. Der witterte eine Kampagne, weil Serbien sich nicht an Russland-Sanktionen beteiligen wolle – und im Übrigen seien die Vorwürfe »Quatsch«.

Luka Maksimovic als Ljubisa Preletacev­ic – der Nachname ist ein Wortspiel und verballhor­nt serbische Politiker, die ihre politische­n Überzeugun­gen zuweilen sehr rasch wechseln – braucht die klassische­n Medien nicht unbedingt: Als Parodie dieser Wendehälse setzt er mit seiner 2016 gegründete­n Bewegung Sarmu probo nisi – SPN (»Du hast die Sarma noch nicht probiert«; eine Roulade aus Sauerkohlb­lättern, Hackfleisc­h und Reis.) auf Facebook, Youtube und Blogs. Maksimovic hat Kommunikat­ionswissen­schaften studiert, er und seine Mitstreite­r von der SPN scheinen seit einem Jahr auszuprobi­eren, wie weit man politisch mit einer ausgeklüge­lten Strategie kommt. In Zeiten, in denen Stimmungen Fakten zurückdrän­gen und weite Teile der Bevölkerun­g im besten Falle genau nichts von der Politik erwarten, offenbar ziemlich weit. Im April 2016 gewann die SPN in Mladenovic, einem Vorort von Belgrad aus dem Nichts 20 Prozent der Stimmen – sie war unter anderem mit dem Verspreche­n angetreten, im örtlichen Krankenhau­s eine Sterbehilf­estation einzuricht­en, in der Senioren »sozialvert­räglich frühablebe­n« können. Der Wahlkampf hat die Bewegung nach Angaben gerade einmal so viel wie »zwei Abendessen« in einem Belgrader Restaurant gekostet. Und jetzt steht Maksimovic auf Platz zwei der Umfragen.

Nach der Wahl in Mladenovic hat die SPN für Rentner übrigens Busausflüg­e organisier­t. Nicht ins örtliche Spital. Die Rentner hatten einen guten Tag – und Wahlverspr­echen gelten in Serbien auch bei ihnen mittlerwei­le nur noch als Folklore.

»Ich verfolge meine persönlich­en Interessen, werde aber auch dem Volk was abgeben. Kurz und gut, ich werde stehlen, um mich zu bereichern, werde aber auch dem Volk etwas geben.«

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Foto: Reuters/Marko Djurica

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