Ein weißer Wendehals für Serbien
Luka Maksimovic will als Satirefigur Ljubisa Preletacevic Präsident werden.
Ljubisa Preletacevic »Beli«
An seiner Kandidatur hatte die serbische Wahlkommission lange zu knapsen. Erst nach heftigen Diskussionen gab sie am 13. März grünes Licht für einen, der stets in Weiß auftritt und doch mittlerweile kein unbeschriebenes Blatt mehr ist: Luka Maksimovic ist offziell Präsidentschaftskandidat – und zwar in seiner satirischen Paraderolle als Ljubisa Preletacevic »Beli« (»Ljubisa Überflieger«, genannt »der Weiße«).
Ein Wahlprogramm braucht Maksimovic nicht, dafür tritt er oftmals auf dem Rücken eines Schimmels auf. Der 1991 geborene Maksimovic versteht sich vortrefflich auf das Spiel mit den Medien, sein Spielfeld sind vor allem die sozialen Netzwerke.
Langeweile kam so im serbischen Präsidentschaftswahlkampf nicht auf, obwohl der Ausgang der Wahlen keine Überraschung verspricht und der neue Präsident bereits nach der ersten Runde an diesem Sonntag feststehen könnte. Der amtierende Ministerpräsident und Regierungschef Alexander Vučić ist Favorit und könnte schon im ersten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen erlangen. Meinungsumfragen sehen »den Weißen« auf Platz zwei – auch nach Aussagen wie diesen im Interview mit dem staatlichen Sender RTS: »Ich verfolge meine persönlichen Interessen, werde aber auch dem Volk was abgeben. Kurz und gut, ich werde stehlen, um mich zu bereichern, werde aber auch dem Volk etwas geben.« Und für diejenigen, die es noch nicht verstanden hatten, fügte er hinzu: Wenn er erst einmal Präsident sei, würden Banken mit einem Schlag überflüssig – das ganze Geld werde dann bei ihm sein. »Wenn man etwas brauchen wird, wird man zu mir kommen«. Bei ihm sei jeder willkommen, der ihm Geld geben wolle – selbst wenn es sich um George Soros handele.
Maksimovic ist während des gesamten Wahlkampfes eisern in der Rolle des Polit-Clowns geblieben, sein Erfolg und der seiner Bewegung wirft ein Schlaglicht auf Probleme in der serbischen Gesellschaft und politischen Landschaft. Hierbei sticht zunächst die allumfassende Korruption ins Auge. Das Vertrauen in die Politikerkaste ist wie überall in den Balkanstaaten äußerst gering. Maksimovic kündigt vor der Wahl eigentlich nur öffentlich an, was auch von allen anderen Kandidaten in der Tat erwartet wird. Heuchlerische und in den meisten Fällen längst als bigott entlarvte Phrasen lässt er nicht nur einfach weg, sondern kehrt sie in ihr ehrliches Gegenteil. Dazu ein wenig Herrscherpose und Tito-Nostalgie – der eloquente, stets lustige »Weiße« ist eine ideale Projektionsfläche
Wirtschaftliche und politische Fehlentwicklungen werden in Serbien wie auch in anderen Staaten Ostmitteleuropas gerne »fremden Mäch- ten« zugeschrieben. George Soros ist in Polen, Ungarn und auch Serbien zur Chiffre eines kosmopolitischen Kapitals geworden, das skrupellos die Fäden gegen rechtschaffene Bürger zieht und Staaten den ihnen zustehenden Platz an der Sonne verwehrt und sie letztendlich ins Chaos stürzen will. Das Konstrukt der »jüdischen Weltverschwörung« winkt im Falle Soros nicht nur um die Ecke, sondern springt einen geradezu an. Ein beliebtes Sujet, vor allem in Boulevardmedien – und hier rückt Alexander Vučić wieder in den Blick, der seit 2014 Ministerpräsident ist: Schon kurz nach seinem Amtsantritt wuchs unter Journalisten die Sorge um die Pressfreiheit, Verbände kritisierten vor allem Vučić scharf. Die Boulevardpresse arbeite »wie ein Schlaghammer der Re- gierung« und begehe Rufmord an Regimegegnern. Die Beauftragte für Medienfreiheit der OSZE, Dunja Mijatović, machte den serbischen Regierungschef schriftlich auf die »Unterdrückung der Medien« aufmerksam. Der witterte eine Kampagne, weil Serbien sich nicht an Russland-Sanktionen beteiligen wolle – und im Übrigen seien die Vorwürfe »Quatsch«.
Luka Maksimovic als Ljubisa Preletacevic – der Nachname ist ein Wortspiel und verballhornt serbische Politiker, die ihre politischen Überzeugungen zuweilen sehr rasch wechseln – braucht die klassischen Medien nicht unbedingt: Als Parodie dieser Wendehälse setzt er mit seiner 2016 gegründeten Bewegung Sarmu probo nisi – SPN (»Du hast die Sarma noch nicht probiert«; eine Roulade aus Sauerkohlblättern, Hackfleisch und Reis.) auf Facebook, Youtube und Blogs. Maksimovic hat Kommunikationswissenschaften studiert, er und seine Mitstreiter von der SPN scheinen seit einem Jahr auszuprobieren, wie weit man politisch mit einer ausgeklügelten Strategie kommt. In Zeiten, in denen Stimmungen Fakten zurückdrängen und weite Teile der Bevölkerung im besten Falle genau nichts von der Politik erwarten, offenbar ziemlich weit. Im April 2016 gewann die SPN in Mladenovic, einem Vorort von Belgrad aus dem Nichts 20 Prozent der Stimmen – sie war unter anderem mit dem Versprechen angetreten, im örtlichen Krankenhaus eine Sterbehilfestation einzurichten, in der Senioren »sozialverträglich frühableben« können. Der Wahlkampf hat die Bewegung nach Angaben gerade einmal so viel wie »zwei Abendessen« in einem Belgrader Restaurant gekostet. Und jetzt steht Maksimovic auf Platz zwei der Umfragen.
Nach der Wahl in Mladenovic hat die SPN für Rentner übrigens Busausflüge organisiert. Nicht ins örtliche Spital. Die Rentner hatten einen guten Tag – und Wahlversprechen gelten in Serbien auch bei ihnen mittlerweile nur noch als Folklore.
»Ich verfolge meine persönlichen Interessen, werde aber auch dem Volk was abgeben. Kurz und gut, ich werde stehlen, um mich zu bereichern, werde aber auch dem Volk etwas geben.«