Wofür und warum Verena Dörtelmann dem Fußball Tschüss sagte
Haben Sie beim Spiel immer eine Teekanne dabei? Ja, das gibt es wirklich, Teepausen während eines Matches (lacht!). Das ist aber eher in England verbreitet. Bei uns hier machen wir das höchstens mal als kleiner Gag. Dafür kann es durchaus vorkommen, dass eine Partie für die Mittagspause unterbrochen wird.
Hört sich ziemlich abgedreht an. Es hat aber praktische, regelbedingte Gründe. Zu den üblichen Wettkampfformaten gehört nämlich auch das One Day Cricket. Und sogar das Ein-TagMatch ist steigerungsfähig. Begegnungen zwischen professionellen Mannschaften in der angelsächsischen Welt laufen locker fünf Tage lang.
Cricket klingt ein bisschen wie »Croquet«, dieses Rasenspiel mit kleinen Toren, oder? Ja, einige Menschen verwechseln das tatsächlich, wenn ich von meinem Sport erzähle. Zu mir ist schon gesagt worden: »Oh, das kann man wohl im Garten spielen!?« Den Leuten musste ich erst klarmachen, dass ein Cricketfeld wohl kaum in einen normalen Garten passt.
Und wie sind so die Reaktionen im Freundeskreis auf Ihren Sport? Auch da lautet die erste Frage nicht selten: »Cricket, was ist das eigentlich?« Als vergleichbaren Sport nenne ich dann meist Baseball, obwohl sich beide Disziplinen bloß bedingt ähneln. Wenn ich aber beginne , unsere Regeln zu erläutern, was leider tatsächlich etwas länger dauert, steigen einige dann zwischenzeitlich aus, weil sie denken, das wird zu viel. Das ist zu verstehen. Sehen wir Cricketlaien ein Match, wirkt das Ganze recht undurchsichtig. Klar, das dauert, bis Neulinge alles begreifen. Obwohl ich Cricket während eines Au-pair-Aufenthalts in Neuseeland in praxi gelernt habe, brauchte ich letztendlich bestimmt zwei Jahre, um die letzten Feinheiten draufzukriegen.
Warum tun Sie sich ein solch verzwicktes Spiel an, da wäre Fußball doch viel einfacher. Das habe ich früher auch getan, in einer unteren Damenmannschaft, im Emsland, meiner Heimat. Heute finde ich aber Cricket viel interessanter als Fußball.
Aber im Ernst: Oft scheint da auf dem Platz wenig zu passieren! Oh nein, das täuscht. Das Spiel ist überhaupt nicht langweilig, sondern total spannend. Wobei sich die Par- tie im Prinzip um das Duell dreht zwischen Werfer, wir nennen ihn »Bowler«, und Schlagmann, englisch »Batsman«. Der letztgenannte verteidigt mit seinem Schlagholz eine Art Tor, das »Wicket«. Das ist eine Konstruktion aus drei senkrechten Stäben und zwei locker darauf liegenden Hölzchen. Der Bowler setzt alles daran, mit ausgefeilter Wurftechnik das Wicket zu treffen, und jeweils abhängig davon, ob das gelingt oder nicht, werden entsprechend Punkte gemacht.
So schlicht stellt sich das dem zufälligen Betrachter kaum dar. Weil da natürlich etliche zusätzliche Feinheiten eingebaut sind (lacht). Nur das Team kann beispielsweise scoren, das in der jeweiligen Matchphase – die nennen wir »Inning« – gerade den Part des Schlagmanns übernommen hat. Und das geht so: Falls der Batsman einen Wurf abgewehrt hat, muss er seinen Platz schnell tauschen mit einem zweiten Schlagmann aus derselben Mannschaft, die sich im Abstand von 20 Metern gegenüber stehen. Die beiden rennen dafür über eine extra präparierte Strecke, den Pitch. Schaffen sie das, bevor sich die Spieler der anderen Partei wieder den Ball geschnappt und das Wicket im zweiten Versuch getroffen haben, zählt das als »Run«, der einen Punkt bringt.
Offenbar doch ziemlich tricky, dieses Cricket. Genau, und das ist die Herausforderung, die ich liebe. Außerdem muss die Kommunikation zwischen den Teammitgliedern perfekt klappen, sonst kriegen zum Beispiel die Batsmänner keinen erfolgreichen Run hin. Neben körperlicher Fitness ist im Spiel des- wegen äußerste Konzentration angesagt. Man muss ständig hell wach sein.
Und welchen Part übernehmen Sie im Match? Beim Cricket bin ich weniger festgelegt als früher im Fußball. Mal werfe ich die Bälle, mal verteidige ich mit dem Schlagholz das Wicket. Und gelingt mir da ein perfekter Schlag, also so hoch und weit, dass die Gegner den nicht fangen können, gibt mir das ein tolles Hochgefühl. Sie spielen in der Bundesliga für die Damenauswahl des Hamburger Vereins THCC Rot-Gelb. Und der Klub würde sich freuen, wenn noch mehr Frauen ihre Leidenschaft für Cricket entdecken würden? Unbedingt! Deutsche sind stark auf Fußball gepolt, die Mädels mittlerweile genau wie die Männer. Schade, neue Erfahrungen sollte man suchen. Ich sage nur: »Mädels, auf zum Cricket!«
Wie würden Sie für Cricket werben? Ein höchst abwechslungsreicher Sport! Mal zerlegen die Bowler – und zwar buchstäblich – das Wicket, mal punkten die Schlagmänner in drei Runs hintereinander. Und anschließend tauschen die Teams die Rollen, verwandeln sich von angreifenden Batsmen in verteidigende Bowler. Deswegen mein Tipp: Cricket unbedingt ausprobieren! Welchen Pausentee empfehlen Sie? Nichts lasches, vielleicht Earl Grey. Das muss dich richtig pushen!