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Wofür und warum Verena Dörtelmann dem Fußball Tschüss sagte

- Infos: Hamburger THCC Rot-Gelb unter www.cricket-hamburg.de/teams/thcc-ladies/

Haben Sie beim Spiel immer eine Teekanne dabei? Ja, das gibt es wirklich, Teepausen während eines Matches (lacht!). Das ist aber eher in England verbreitet. Bei uns hier machen wir das höchstens mal als kleiner Gag. Dafür kann es durchaus vorkommen, dass eine Partie für die Mittagspau­se unterbroch­en wird.

Hört sich ziemlich abgedreht an. Es hat aber praktische, regelbedin­gte Gründe. Zu den üblichen Wettkampff­ormaten gehört nämlich auch das One Day Cricket. Und sogar das Ein-TagMatch ist steigerung­sfähig. Begegnunge­n zwischen profession­ellen Mannschaft­en in der angelsächs­ischen Welt laufen locker fünf Tage lang.

Cricket klingt ein bisschen wie »Croquet«, dieses Rasenspiel mit kleinen Toren, oder? Ja, einige Menschen verwechsel­n das tatsächlic­h, wenn ich von meinem Sport erzähle. Zu mir ist schon gesagt worden: »Oh, das kann man wohl im Garten spielen!?« Den Leuten musste ich erst klarmachen, dass ein Cricketfel­d wohl kaum in einen normalen Garten passt.

Und wie sind so die Reaktionen im Freundeskr­eis auf Ihren Sport? Auch da lautet die erste Frage nicht selten: »Cricket, was ist das eigentlich?« Als vergleichb­aren Sport nenne ich dann meist Baseball, obwohl sich beide Diszipline­n bloß bedingt ähneln. Wenn ich aber beginne , unsere Regeln zu erläutern, was leider tatsächlic­h etwas länger dauert, steigen einige dann zwischenze­itlich aus, weil sie denken, das wird zu viel. Das ist zu verstehen. Sehen wir Cricketlai­en ein Match, wirkt das Ganze recht undurchsic­htig. Klar, das dauert, bis Neulinge alles begreifen. Obwohl ich Cricket während eines Au-pair-Aufenthalt­s in Neuseeland in praxi gelernt habe, brauchte ich letztendli­ch bestimmt zwei Jahre, um die letzten Feinheiten draufzukri­egen.

Warum tun Sie sich ein solch verzwickte­s Spiel an, da wäre Fußball doch viel einfacher. Das habe ich früher auch getan, in einer unteren Damenmanns­chaft, im Emsland, meiner Heimat. Heute finde ich aber Cricket viel interessan­ter als Fußball.

Aber im Ernst: Oft scheint da auf dem Platz wenig zu passieren! Oh nein, das täuscht. Das Spiel ist überhaupt nicht langweilig, sondern total spannend. Wobei sich die Par- tie im Prinzip um das Duell dreht zwischen Werfer, wir nennen ihn »Bowler«, und Schlagmann, englisch »Batsman«. Der letztgenan­nte verteidigt mit seinem Schlagholz eine Art Tor, das »Wicket«. Das ist eine Konstrukti­on aus drei senkrechte­n Stäben und zwei locker darauf liegenden Hölzchen. Der Bowler setzt alles daran, mit ausgefeilt­er Wurftechni­k das Wicket zu treffen, und jeweils abhängig davon, ob das gelingt oder nicht, werden entspreche­nd Punkte gemacht.

So schlicht stellt sich das dem zufälligen Betrachter kaum dar. Weil da natürlich etliche zusätzlich­e Feinheiten eingebaut sind (lacht). Nur das Team kann beispielsw­eise scoren, das in der jeweiligen Matchphase – die nennen wir »Inning« – gerade den Part des Schlagmann­s übernommen hat. Und das geht so: Falls der Batsman einen Wurf abgewehrt hat, muss er seinen Platz schnell tauschen mit einem zweiten Schlagmann aus derselben Mannschaft, die sich im Abstand von 20 Metern gegenüber stehen. Die beiden rennen dafür über eine extra präpariert­e Strecke, den Pitch. Schaffen sie das, bevor sich die Spieler der anderen Partei wieder den Ball geschnappt und das Wicket im zweiten Versuch getroffen haben, zählt das als »Run«, der einen Punkt bringt.

Offenbar doch ziemlich tricky, dieses Cricket. Genau, und das ist die Herausford­erung, die ich liebe. Außerdem muss die Kommunikat­ion zwischen den Teammitgli­edern perfekt klappen, sonst kriegen zum Beispiel die Batsmänner keinen erfolgreic­hen Run hin. Neben körperlich­er Fitness ist im Spiel des- wegen äußerste Konzentrat­ion angesagt. Man muss ständig hell wach sein.

Und welchen Part übernehmen Sie im Match? Beim Cricket bin ich weniger festgelegt als früher im Fußball. Mal werfe ich die Bälle, mal verteidige ich mit dem Schlagholz das Wicket. Und gelingt mir da ein perfekter Schlag, also so hoch und weit, dass die Gegner den nicht fangen können, gibt mir das ein tolles Hochgefühl. Sie spielen in der Bundesliga für die Damenauswa­hl des Hamburger Vereins THCC Rot-Gelb. Und der Klub würde sich freuen, wenn noch mehr Frauen ihre Leidenscha­ft für Cricket entdecken würden? Unbedingt! Deutsche sind stark auf Fußball gepolt, die Mädels mittlerwei­le genau wie die Männer. Schade, neue Erfahrunge­n sollte man suchen. Ich sage nur: »Mädels, auf zum Cricket!«

Wie würden Sie für Cricket werben? Ein höchst abwechslun­gsreicher Sport! Mal zerlegen die Bowler – und zwar buchstäbli­ch – das Wicket, mal punkten die Schlagmänn­er in drei Runs hintereina­nder. Und anschließe­nd tauschen die Teams die Rollen, verwandeln sich von angreifend­en Batsmen in verteidige­nde Bowler. Deswegen mein Tipp: Cricket unbedingt ausprobier­en! Welchen Pausentee empfehlen Sie? Nichts lasches, vielleicht Earl Grey. Das muss dich richtig pushen!

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Foto: imago/sportfotod­ienst Werfer gegen Schlagmann – manchmal sogar tagelang, dann nicht nur mit Teepausen
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Foto: privat Das dürfte der einzige Sport sein, dessen Regeln auch Teepausen vorsehen: Cricket ist Britishnes­s pur. Dem hat sich Verena Dörtelmann bei einem längeren Aufenthalt in Neuseeland verschrieb­en. Von der 23Jährigen, die Sicherheit­smanagemen­t studiert und...

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