Georg Ledebour
Er war ein »Solitär«, ein eigenwilliger Sozialist und zugleich ein »alter Haudegen der deutschen Arbeiterbewegung«. Als solchen charakterisierte ihn Elke Keller in ihrem leider nicht veröffentlichten Buchmanuskript aus dem Jahr 1987. Mit dem Ende der DDR schien das Interesse an dieser großen und umstrittenen Persönlichkeit der Arbeiterbewegung erloschen zu sein. Georg Ledebour starb am 31. März 1947, vor 70 Jahren, im schweizerischen Exil in Bern.
Geboren am 7. März 1850 in Hannover in einem bürgerlichen Elternhaus war er bereits mit zehn Jahren Vollwaise. Lebenslänglich gehbehindert nahm er am Krieg 1870/71 als Sanitätsfreiwilliger teil, wurde zum Kriegsgegner und erteilte später in Hannover Engländern Privatunterricht. Danach arbeitete er in London als Korrespondent für linksliberale Zeitungen. Seit 1882 wirkte er im Hirsch-Dunkerschen Gewerkverein und in der Deutschen Fortschrittspartei. Als Redakteur der »Berliner Volks-Zeitung« schrieb er neben Franz Mehring bis 1891.
In jenem Jahr trat er der SPD bei. Wilhelm Liebknecht holte ihn in den »Lehrausschuss« der Berliner Arbeiterbildungsschule. Ledebour verfasste Artikel für den »Vorwärts« sowie für das »Socialpolitische Centralblatt«, das in Konkurrenz zu Kautskys »Neuer Zeit« stand. 1898/99 leitete er die Redaktion der »Sächsischen Arbeiter-Zeitung« in Dresden. Er trat als Gegner Bernsteins im »Revisionismusstreit« auf. »Faule« Kompromisse waren seine Sache nicht.
Nach dem Tod von Wilhelm Liebknecht vertrat Ledebour den Berliner Wahlkreis VI im Reichstag, stets mit überwältigender Mehrheit. Er galt als witziger wie scharfzüngiger Polemiker. Ledebour forderte eine dem Parlament verantwortliche Exekutive, das Verhältniswahlrecht und die sozialistische Republik, klagte das Frauenwahlrecht, den Schutz nationaler Minderheiten, Menschenrechte für die Kolonialbevölkerung und das Ende des Kolonialismus ein. Wilhelms II. Flottenpolitik besaß in ihm einen vehementen Gegner. Ledebours politischer Standort kann als »Linkszentrismus« innerhalb der SPD charakterisiert werden, wobei er stets ein Freigeist blieb. 1914 wandte er sich vergeblich gegen die Kriegskredite, zwei Jahre darauf wurde er mit 19 anderen offen gegen den »Burgfrieden« agierenden Genossen aus der Fraktion ausgeschlossen. Er gründete die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft und wurde einer der Vorsitzenden der USPD. 1923 rief er den exklusiven Sozialistischen Bund ins Leben, der 1931 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands beitrat.
In der Novemberrevolution hatte er auf Seiten des Vollzugsrats der Arbeiter- und Soldatenräte Groß-Berlins gekämpft. Nach Hitlers Machtusurpation flüchtete Ledebour in die Schweiz. Kurz vor seinem Tod hatte er noch ausdrücklich den Gründungskongress der SED im April 1946 begrüßt.