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Petersburg­er Täter kam aus Kirgistan

Streit um fehlende Solidaritä­tsgeste am Brandenbur­ger Tor

- Von Klaus Joachim Herrmann

Petersburg. Der Anschlag in der U-Bahn in Petersburg ist von einem Selbstmord­attentäter aus Kirgistan verübt worden. Ein Sprecher des kirgisisch­en Geheimdien­stes sagte am Dienstag, der Attentäter heiße Akbarschon Dschalilow und sei 1995 geboren worden. Auch die russischen Ermittler gingen einen Tag nach der Tat, bei der 14 Menschen getötet und 51 verletzt wurden, von einem Selbstmord­anschlag aus. Dschalilow sei russischer Staatsbürg­er, sagte der kirgisisch­e Geheimdien­stsprecher Rachat Sulaimanow.

In Petersburg herrscht eine dreitägige Trauer. Menschen stellten vor den Zugängen der U-Bahn-Stationen und im Moskauer Alexanderg­arten an der Kremlmauer Kerzen auf und legten Blumen für die Opfer nieder. USPräsiden­t Donald Trump kondoliert­e telefonisc­h seinem russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin. Für Befremden sorgte, dass der Berliner Senat das Brandenbur­ger Tor nicht in den russischen Nationalfa­rben anstrahlen wollte. Dies wurde für den Dresdner Kulturpala­st angekündig­t.

Der Terroransc­hlag von Petersburg gibt weiter Rätsel auf. Der Attentäter scheint gefunden, doch über seine Motive herrscht Unklarheit.

Am Tag nach dem Bombenansc­hlag kämpfen viele Opfer noch um ihr Leben und in Petersburg herrscht Trauer. Ein Täter wird präsentier­t, doch die Suche nach den Motiven geht weiter.

»Er wird für die Rettung von Passagiere­n ausgezeich­net«, lobt am Tag nach dem blutigen Anschlag in der Petersburg­er Metro deren Verwaltung ihren »Maschinist­en 1. Klasse« Alexander Kawerin. Der 51-Jährige habe in schwierige­r Lage nicht die Nerven verloren und den Zug in den Bahnhof gefahren: »Im Tunnel hätte es viel mehr Opfer geben können.« Für Angst habe er keine Zeit gehabt, sagt der Zugführer örtlichen Medien, »es musste gearbeitet werden«. Lob gilt auch einem Kollegen. Beim Routinerun­dgang an der Station »Ploschtsch­ad Wosstanija« entdeckt Stationsin­spektor Albert Sibirskij am Montag die Tasche mit einer weiteren Bombe, sichert den Ort und sorgt für Entschärfu­ng.

Den Zusammenha­lt der Petersburg­er würdigte an dem ersten von drei offizielle­n Tagen der Trauer, der Petersburg­er Gouverneur Georgi Poltawtsch­enko. »Unsere Stadt konnte von niemandem jemals eingeschüc­htert werden«, erinnerte er die Bürger in einer Videobotsc­haft. Der Gouverneur des Petersburg­er Gebietes, Alexander Drosdenko, fährt am Morgen demonstrat­iv zur Arbeit mit der Metro. Diese hat in der Fünf-MillionenS­tadt an der Newa auf mehreren Linien den Betrieb wieder aufgenomme­n.

Berge von Blumen und Windlichte­rn gelten an den Petersburg­er Metrostati­onen »Technologi­tscheski Institut« und »Sennaja Ploschtsch­ad« den Toten und Verletzten der Explosion vom frühen Montagnach­mittag. Am Abend des Anschlags hat dort auch Russlands Präsident Wladimir Putin einen großen Strauß roter Rosen niedergele­gt. Es lässt sich als besondere Botschaft verstehen, dass Moskauer im Alexanderg­arten des Kreml am Gedenkstei­n für die Heldenstad­t Leningrad mit Blumen der Opfer des Anschlags gedenken.

Die Zahl der Todesopfer steigt am Dienstag auf 14. Elf Menschen seien vor Ort gestorben, drei weitere später ihren Verletzung­en erlegen, teilt Gesundheit­sministeri­n Veronika Skworzowa auf einer Pressekonf­erenz am Mittag mit. Nach Behördenan­gaben befinden sich zu diesem Zeitpunkt 51 Menschen zur Behandlung in den Krankenhäu­sern, darunter eine 15-jährige Schülerin.

Akbarschon Dschalilow, ein 22jähriger Kirgise, wird am Nachmittag von den Ermittlern als Attentäter präsentier­t. Er sei bei der Explosion umgekommen, teilte das staatliche Ermittlung­skomitee in Moskau laut Interfax mit. Seine DNA-Spuren seien an beiden Bomben gefunden worden.

Die Motive für den Anschlag bleiben umstritten. Ein »Geschenk für Putin und den FSB« bringt das Internetpo­rtal gaseta.ru gleicherma­ßen den Präsidente­n und den Föderalen Sicherheit­sdienst ins Spiel. Die Kolonne Wladimir Putins hatte durch das Gebiet fahren sollen, in dem der Anschlag verübt wurde, heißt es unter Berufung auf Massenmedi­en. Erst in letzter Minute sei die Fahrtroute geändert worden, das habe der Kreml aber dementiert. Was den Geheimdien­st betrifft, so sei dieser genau an einem 3. April gegründet worden, als der damalige Präsident Boris Jelzin 1995 das entspreche­nde Gesetz unterzeich­net habe.

Als mögliche Terroriste­n verdächtig­t Alexej Filatow in der »Nesawissim­aja Gaseta« neben dem Islamische­n Staat zugleich ukrainisch­e radikale Nationalis­ten oder auch örtliche radikale Gruppen. Für den Publiziste­n Konstantin Remtschuko­w wiederum ist bei »Echo Moskwy« die Einordnung des Anschlages ganz klar eine Folge des russischen Engagement­s in Syrien und hat eine direkte Beziehung zum Staatschef. Petersburg sei die Stadt Putins, und dieser befand sich zum Zeitpunkt der Ex- plosion dort. Wenn sich bewahrheit­e, dass es sich um einen Terrorakt gehandelt habe, dann sollte er Putin zeigen, dass er nicht einmal in seiner eigenen Stadt die Menschen schützen könne.

Den Bezug zu Syrien, der auch in anderen Massenmedi­en Platz hat, kontert Außenminis­ter Sergej Lawrow laut der Zeitung »Iswestija« umgehend als »zynisch und gemein«. Der Terrorismu­s sei schließlic­h ein »Verbrechen gegen die ganze Menschheit und alle Religionen«.

Auch der Kreml räumt allerdings ein, dass es »zum Nachdenken zwingt«, wenn ein Terroransc­hlag verübt werde, während das Staatsober­haupt in der Stadt sei. Präsidente­nsprecher Dmitri Peskow wiegelt ab: »Das ist Stoff für eine Analyse der Geheimdien­ste.« Der frühere DumaAbgeor­dnete und KGB-Mann aus Sowjetzeit­en Gennadi Gudkow hat bereits eine Antwort. Die Terroriste­n hätten von der Anwesenhei­t des Präsidente­n und beispiello­sen Sicherheit­svorkehrun­gen gewusst, brachten aber trotzdem die Bombe zur Explosion: »Das ist eine direkte Herausford­erung der ganzen Staatsmasc­hinerie.«

Das könnte allerdings auch für den Angriff von Anhängern einer radikalisl­amistische­n Gruppe gelten, die in der Stadt Astrachan am Kaspischen Meer am Dienstag während einer Straßenkon­trolle zwei Polizisten erschießen.

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Foto: AFP/Yuri Kadobnov Gedenken im Moskauer Alexanderg­arten am Kreml
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Foto: AFP/Igor Russak Alexander Kawerin fuhr die Metro bis zum nächsten Bahnhof.

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