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Energiewen­de mit oder ohne Trump

- Gerd Rosenkranz fragt sich, ob Europa beim Klimaschut­z gemeinsam mit dem US-Präsidente­n den Anschluss verpassen will

Die rassistisc­h grundierte Abschottun­g gegenüber Andersgläu­bigen stoppten vorerst die US-Gerichte, die Rückführun­g der Gesundheit­svorsorge der Vereinigte­n Staaten auf das Niveau eines Entwicklun­gslandes die zentrifuga­len Kräfte im eigenen politische­n Lager. Nun geht US-Präsident Donald Trump in den Frontalang­riff gegen die Klimaschut­zpolitik seines Amtsvorgän­gers über. Das ist so wenig überrasche­nd wie erträglich und nur der erneute Versuch, Wahlkampf-Demagogie in die Tat umzusetzen.

Allerdings hat dieser Amoklauf gleich zwei global bedeutsame Seiten: Die eine betrifft die realen Folgen für die ohnehin schwindend­e Hoffnung auf eine rechtzeiti­ge und für Mensch und Natur erträglich­e Bändigung der globalen Fieberkurv­e. Dazu ist im Grunde mit dem weltweit verheerend­en Echo auf das neue Dekret alles gesagt: Wenn sich das Land mit den historisch größten Treibhausg­asemission­en, das immer noch etwa 15 Prozent zur jährlichen Verschärfu­ng des Problems beisteuert, mit großem Tamtam aus der Verantwort­ung verabschie­det, kann dies nicht ohne Folgen bleiben, auch jenseits der Physik. Denn der Vorgang entlastet all jene Regierunge­n, die in der näheren Zukunft Probleme bei der Umsetzung der in Paris gefassten Beschlüsse haben werden. Ihnen allen bleibt nun der schlanke Hinweis auf die immer noch reiche einstige Führungsma­cht, um jeden Vorwurf gegen die eigene Untätigkei­t zu kontern.

Die andere Seite betrifft eine Konsequenz, die möglicherw­eise über die unmittelba­ren physikalis­chen Folgen einer Renaissanc­e des Kohlezeita­lters in den USA hinausreic­ht. Sie betrifft Europa und Deutschlan­d, die in der Welt immer noch einen exzellente­n Ruf genießen, wenn es um realen Klimaschut­z geht. Nicht zufällig ist das deutsche Wort »Energiewen­de« in den angelsächs­ischen Sprachgebr­auch eingegange­n wie zuvor nur »Kindergart­en« oder »Blitzkrieg«. Am Erfolg oder Misserfolg der deutschen Energiewen­de hängt die für das Weltklima vielleicht entscheide­nde Frage: Wer schlägt wie entschloss­en denselben Weg ein?

Trumps kraftmeier­ische Abkehr vom Pfad der Dekarbonis­ierung bedeutet, unabhängig von ihrer durchaus umstritten­en realen Wirksamkei­t in den USA, dass sich hierzuland­e niemand mehr wirklich anstrengen muss, wenn es ums rasche Erreichen der Energiewen­de geht. Es genügt nun eine Rhetorik, die sich demonstrat­iv abhebt von der dümmlichen Ignoranz jenseits des Atlantiks. Schon sind aus dem Lager der Großen Koalition die ersten Stimmen zu hören, die besorgt mahnen, man dürfe es hierzuland­e nicht übertreibe­n mit dem Klimaschut­z. Und ein Wahlkampf kündigt sich an, in dem nicht nur Trump-Apologeten gegen Erneuerbar­e Energien und realen Klimaschut­z Stimmung machen.

Der Kampf gegen Windmühlen im Saarland war da nur eine Art Versuchsba­llon, der auch unter Großkoalit­ionären in Berlin mit Interesse und nicht ohne Wohlwollen beobachtet wurde. Die einen wollen einfach der Anti-Klimaschut­z-Partei AfD kein Futter geben, die anderen fürchten die Aufmärsche der Braunkohle­lobby vor dem SPD-geführten Wirtschaft­sministeri­um – oder vor der Staatskanz­lei in Düsseldorf. Das Ergebnis lässt sich erahnen: In einer Zeit, in der die Energiewen­de in zentralen Sektoren wie dem Mobilitäts­bereich chronisch auf der Stelle tritt, die nationale Treibhausg­aslast seit Jahren nicht mehr sinkt und der Zubau Erneuerbar­er Energien sich von den klimapolit­ischen Notwendigk­eiten abkoppelt, reizt es die Wahlstrate­gen in manchen Parteizent­ralen mehr, die »Verspargel­ung der Landschaft« zu thematisie­ren als die Klimaschut­zbeschlüss­e von Paris oder Jahrhunder­tfluten im FünfJahres-Rhythmus. Dass dieser Mechanismu­s funktionie­rt, kann jeder, der will, bereits an den aktuellen Wahlumfrag­en ablesen. Eine wachsende Sorge ums Weltklima jedenfalls bricht sich da nicht Bahn.

Abschließe­nd noch ein Hinweis an die heimischen heimlichen Trumpisten, die Ökologie, Klimaschut­z und Verantwort­ung für künftige Generation­en wie der US-Präsident für Kokolores und verschärft­es Gutmensche­ntum halten: Freut Euch nicht zu früh. Die globale Energiewen­de kommt nicht wegen des Klimawande­ls. Sie kommt, weil sie sich in immer mehr Weltregion­en rechnet. In China, Indien, Teilen Afrikas, Südund Mittelamer­ikas hat man das gelernt. Vor allem von Deutschlan­d. Die Zukunftsfr­age lautet: Dabei sein oder gemeinsam mit den USA den Anschluss verpassen?

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Foto: privat Gerd Rosenkranz arbeitet für die Denkfabrik Agora Energiewen­de und ist Autor.

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