nd.DerTag

Parlaments-Verächter

- Guido Speckmann über erneute Rücktritts­forderunge­n an Jeroen Dijsselblo­em

Jeroen Dijsselblo­em benimmt sich derzeit wie ein Politiker, dem die Arroganz der Macht zu Kopf gestiegen ist – oder wie einer, der sich durch kalkuliert­e Provokatio­nen selbst aus dem Amt befördern will. Vor zwei Wochen sagte der Eurogruppe­n-Vorsitzend­e mit Blick auf die EU-Krisenländ­er: »Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließe­nd Sie um Ihre Unterstütz­ung bitten.« In Griechenla­nd, Italien und Portugal löste das einen Sturm der Empörung aus. Kaum hatten sich die Wogen geglättet, war der niederländ­ische Finanzmini­ster wieder zur Stelle. Nicht zum ersten Mal schlug er eine Einladung des Europaparl­aments aus, über das zu diskutiere­n, was durch sein Wirken immer schlechter geworden ist: die wirtschaft­liche Situation Griechenla­nds. Selbst konservati­ve Spitzenpol­itiker fordern nun seinen Rücktritt.

Bei der zu Recht geübten Kritik an einer Schlüsself­igur im griechisch­en Schuldendr­ama: Im Grunde spiegelt Dijsselblo­em mit seinem Verhalten nur sehr gut den Charakter der Eurogruppe wider. Dem informelle­n Gremium fehlt es an demokratis­cher Legitimati­on. Ein Rücktritt Dijsselblo­ems, der seinen Posten als niederländ­ischer Finanzmini­ster aufgrund der krachenden Niederlage seiner Sozialdemo­kraten bei den Parlaments­wahlen ohnehin bald los ist, würde daran nichts ändern.

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