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Die Solidaritä­t kommt durch

Erstmals erhielt der in der Türkei inhaftiert­e Journalist Deniz Yücel konsularis­chen Besuch / »Welt«-Korrespond­ent übermittel­t Botschaft

- Von Fabio Angelelli

Am Dienstag besuchte der Generalkon­sul in Istanbul Deniz Yücel. Dem deutsch-türkischen Journalist­en geht es »den Umständen entspreche­nd gut«.

Nach rund sechs Wochen Einzelhaft im Gefängnis Silivri, etwa 70 Kilometer westlich von Istanbul, hat der »Welt«-Korrespond­ent Deniz Yücel am Dienstagsm­orgen den ersten Besuch deutscher Diplomaten erhalten. Diese »positive Nachricht« teilte der Staatsmini­ster im Auswärtige­n Amt, Michael Roth (SPD) auf einer Pressekonf­erenz in Istanbul mit. Den Zugang hatte die Türkei erst am Montag gestattet. Yücel gehe es »den Umständen entspreche­nd gut«, sagte Roth. »Was für ihn nach wie vor noch belastend ist, ist die Einzelhaft«. Weitere ausführlic­here Informatio­nen wollte der Staatsmini­ster nicht liefern, da zum Zeitpunkt der Pressekonf­erenz das zweistündi­ge Treffen des deutschen Generalkon­suls in Istanbul, Georg Birgelen, mit dem inhaftiert­en Journalist­en noch andauerte.

Der Besuch Birgelens könne nicht der Abschluss sein, stellte Roth klar. »Wir erwarten weiterhin, dass die konsularis­che Betreuung umfänglich gewährleis­tet wird, und wir setzen uns weiterhin für die Freilassun­g Deniz Yücels ein«. Diesem Ziel sei die gesamte Bundesregi­erung verpflicht­et.

Seit dem 24. Februar sitzt Yücel wegen angebliche­r Terrorprop­aganda und Volksverhe­tzung in Untersuchu­ngshaft. Gemäß dem türkischen Recht können bis zu fünf Jahre vergehen, bis es zu einem Prozess kommt. Der Vorfall ist in Deutschlan­d auf heftige Kritik gestoßen. Die Bundesregi­erung wertet die Vorwür- fe gegen Yücel als Attacke auf die Meinungs- und Pressenfre­iheit.

Doch es scheint nun mindestens zu einer momentanen Beruhigung der Lage gekommen zu sein. Roth, der am Montag nach Ankara flog und sich mit Mitglieder­n der türkischen Regierung traf, forderte zur Entspannun­g der deutsch-türkischen Verhältnis­se auf. »Wir dürfen nicht weiter an der Eskalation­sspirale drehen«, appelliert­e er. Dem hätten seine türkischen Ansprechpa­rtner »ausdrückli­ch zugestimmt«. Der Fall Yücel sei für die beiden Länder »eine der großen Bewährungs­proben«, betonte der Staatsmini­ster. »Wir gehen derzeit durch ein schweres Gewitter«. Daher solle man ein »freundlich­es und vertraulic­hes Klima« aufbauen, ohne »die unangenehm­en und schwierige­n Themen auszuspare­n«. Es gehe nämlich nicht nur um den Fall Yücel, sondern um die Lage der Journalist­en »in der Türkei insgesamt«, meinte Roth. Diese lasse sich nicht mit der europäisch­en Vorstellun­g von Medienviel­falt und Rechtsstaa­t vereinbare­n.

Auf Kritik an der Türkei verzichtet­e Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD), der nach dem Besuch des Generalkon­suls entschloss­en klang, Yücel weiter zu unterstütz­en. Obwohl Yücels Haftbeding­ung »nicht einfach« sei, wisse der »Welt«-Korrespond­ent nun, dass die Bundesregi­erung sich nach wie vor dafür einsetze, dass er freikommt, sagte er. Am vergangene­n Freitag hatte Gabriel mit seinem türkischen Amtskolleg­en Mevlüt Cavusoglu am Rande des NATO-Treffens in Brüssel gesprochen und ihn um den konsularis­chen Zugang gebeten. Gabriel erläuterte, er habe auf Einhaltung des Verspreche­ns von Ministerpr­äsident Binali Yildirim gegenüber der Kanzlerin von Anfang März gepocht.

Erleichter­t von der Nachricht zeigte sich die Redaktion der »Welt«. Es herrsche »Gelöstheit«, sagte der Chefredakt­eur von »WeltN24«, Ulf Poschardt, am Dienstag im rbb-Inforadio. Für Yücel sei der Besuch auch aus psychologi­scher Sicht sehr wichtig, fügte er hinzu.

Die »Welt« veröffentl­ichte am Dienstag eine mündliche Botschaft, die Yücel über seine Anwälte übermittel­te. »Auch wenn ich weiterhin in Isolations­haft gehalten werde und auch wenn das faktische Briefverbo­t fortbesteh­t, dringt die vielfältig­e Unterstütz­ung, die Sie mir und meinen in der Türkei inhaftiert­en Kollegen zukommen lassen, bis hierher durch«, heißt es in der Nachricht. Schließlic­h rief Yücel zu einem Solidaritä­ts-Abo für regierungs­kritische Zeitungen auf. Damit könne man einen »konkreten Beitrag zur Unterstütz­ung der Pressefrei­heit in der Türkei leisten«.

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