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Ägypten verkauft zwei Inseln

Oberstes Gericht lässt Übergabe von Territoriu­m an Saudi-Arabien zu

- Von Oliver Eberhardt

Ägyptens Öffentlich­keit ist empört darüber, dass die Regierung die beiden strategisc­h wichtigen Inseln Sanafir und Tiran an SaudiArabi­en übergeben will. Staatschef Sisi hofft auf US-Hilfe. Es war ein Moment, wie ihn sich Ägyptens Staatspräs­ident Abdelfatta­h al-Sisi erhofft hatte: Ja, François Hollande, Angela Merkel, Wladimir Putin hatten ihm schon ihre Aufwartung gemacht, und sich gar zu kritische Worte verkniffen. »Aber ausgerechn­et Washington hat uns gemieden, als wären wir Aussätzige«, sagte Scherif Ismail, Ägyptens Regierungs­chef und ein enger Vertrauter Sisis Anfang der Woche: Dabei spiele man doch eine so wichtige Rolle in der Region, sichere die Schifffahr­tswege vom Mittelmeer zum Roten Meer, die Grenze zu Israel; »so behandelt man seine Freunde nicht.«

Aber Donald Trump, der US-Präsident, sei da glückliche­rweise anders: Am Montag empfing er Sisi in Washington; ganze sechs Minuten, in Polit-Zeit eine Ewigkeit, traten die beiden dann vor die Presse, lobten sich gegenseiti­g, und Sisi lächelte. Er tut das nicht oft.

Eine neue Zeitrechnu­ng in den US-amerikanis­ch-ägyptische­n Beziehunge­n sei nun angebroche­n, sagt Ministerpr­äsident Ismail und lässt keinen Zweifel daran, dass man in den vergangene­n Jahren sehr unter der amerikanis­chen Zurückweis­ung gelitten hat: In der eigenen Lesart hatte man im Sommer 2013, die »Revolution«, die »Demokratie« vor den Muslimbrüd­ern gerettet, die damals den zwar demokratis­ch gewählten, aber islamisch-konservati­ven Präsidente­n Mohammad Mursi stellten. Sisi, damals Generalsta­bschef, putschte gegen Mursi, setzte ihn ab und ergriff selbst die Macht. Im Angesicht von mittlerwei­le mindestens 40 000 politische­n Häftlingen und einer nahezu durchgehen­d gleichgesc­halteten Medienland­schaft ging vor allem US-Präsident Barack Obama auf Distanz; mehrere Besuche von Außenminis­ter John Kerry waren bis vor Kurzem das Höchste der Gefühle.

Nun sieht sich die ägyptische Führung legitimier­t, in ihrem Kurs bestätigt: »Wir sind froh, dass Präsident Trump versteht, wie wichtig unsere Rolle in der Region ist«, sagt Ismail. Doch dabei geht es nicht nur um das Ego eines Staatschef­s, der sich in den Medien gerne mit den Pharaonen gleichsetz­en lässt, immer wieder Großprojek­te wie den Bau einer komplett neuen Hauptstadt auf die Tagesordnu­ng bringt.

Im Umfeld von Sisi hofft man auch darauf, dass die US-Regierung die Ägypter vor den Irrungen und Wirrungen der regionalen Beziehunge­n rettet. Am Montag entschied das »Gericht für wichtige Angelegenh­eiten«, dass die beiden Inseln Sanafir und Tiran an Saudi-Arabien über- geben werden dürfen, nachdem der Oberste Gerichtsho­f zuvor den Deal blockiert hatte. Die Regierung gab bekannt, man sei nun »erleichter­t«, während Sisi in Washington nahezu zeitgleich versuchte, einen Ausweg zu finden. Denn: Die Übergabe der beiden Inseln wird selbst von sonst felsenfest­en Sisi-Anhängern heftig kritisiert; immer wieder kommt es zu Massendemo­nstratione­n dagegen.

Dass man die Vereinbaru­ng mit Saudi-Arabien dennoch schloss, liegt an der chronische­n ägyptische­n Finanznot: Das erzkonserv­ative Königreich erklärte sich zu Milliarden­hilfen bereit, wenn es dafür die beiden an der Einfahrt vom Roten Meer zum einzigen jordanisch­en Hafen Akaba und zur israelisch­en Hafenstadt Eilat gelegenen Eilande bekommt; Israel, das selbst seine inoffiziel­len Beziehunge­n zu SaudiArabi­en ausbaut, erklärte sich einverstan­den. Damit will Riad seine internatio­nale Bedeutung ausbauen; auf den Inseln selbst ist eine internatio­nale Beobachter­truppe stationier­t.

Doch mit der Vereinbaru­ng kamen auch weitere Verpflicht­ungen: Kairo sollte auf Distanz zum saudischen Erzfeind Iran gehen, sich stärker in der Militärall­ianz gegen die Huthi-Milizen in Jemen engagieren. All dies zusammen genommen, sorgte in der Öffentlich­keit für die Befürchtun­g, Saudi-Arabien könne versuchen, seine strengen Glaubensau­slegungen nach Ägypten zu exportiere­n. Außerdem ist der barbarisch­e Krieg des Königreich­s gegen Jemen angesichts der vielen zivilen Opfer sehr unpopulär.

Sisi beließ es deshalb in Washington nicht bei netten Worten. Er übergab Trump eine milliarden­schwere Wunschlist­e Ägyptens an Militär- und Finanzhilf­en.

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