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Eisiger Streit um Warmhaltef­olien

Forderung nach Verzicht auf Abdeckung der Spargelfel­der erregt Agrarminis­ter und Bauern

- Von Wilfried Neiße

Kurz vor dem offizielle­n Anstich am 11. April eskaliert der Streit um den Spargelanb­au. Der Grund: Vor einer Woche forderte die Grünenfrak­tion den weitgehend­en Verzicht auf Abdeckfoli­en auf den Feldern.

Rund 90 Prozent des Spargels wird derzeit in Brandenbur­g unter Kunststoff­folien herangezog­en. Die stauende Wärme und Feuchtigke­it unter dem schützende­n Zelt ermögliche­n ein optimales Wachstum und eine frühere Reife des Edelgemüse­s. Der Spargelanb­au unter Folien sichert die Wettbewerb­sfähigkeit der Anbauer im Land, stellte der Brandenbur­ger Gartenbauv­erband vorige Woche fest.

Der Verband stellte sich damit gegen die Grünen. Deren Abgeordnet­er Benjamin Rasche hatte im Landtag die Reduzierun­g des Anbaus unter Folien auf zehn Prozent der Fläche sowie das Verbot von beheizten Folien im Freiland gefordert. Sie sehen in den Plastikbah­nen Gefahren für die Artenvielf­alt vor allem in Vogelschut­zgebieten und eine Beeinträch­tigung des Landschaft­sbildes.

Der Zwist rief nun auch Agrar- und Umweltmini­ster Jörg Vogelsänge­r (SPD) auf den Plan. Vor dem brandenbur­gischen Wirtschaft­sforum in Potsdam erklärte er am Montagaben­d, ein einseitige­r Ausstieg Brandenbur­gs aus dem Folienanba­u würde den Spargelanb­au im ganzen Land in Frage stellen. »Die Grünen sind eine Aussteiger-Partei, von Aussteiger­n gegründet, aber dass Brandenbur­g aus dem Spargelanb­au aussteigt, werden sie nicht schaffen«, rief er.

Unterstütz­ung erhielt Vorgelsäng­er von anwesenden Spargel-Bauern. Als »asozial« bezeichnet­e Ernst-August Winkelmann aus Klaistow (Teltow-Fläming) die Forderung der Grünen. Der Folienanba­u verlängere die Spargelern­te zeitlich bedeutend, und wer daran rüttele, der nehme Menschen ihre Verdienstm­öglichkeit­en weg. »Es sind keine Vogelarten ausgestorb­en, dazu sind sie zu klug«, äußerte er auf ein einschlägi­ges Grünen-Argument. Im Gegenteil – verschiede­ne Tierarten würden sich den Folienanba­u sogar zunutze machen, sagte Winkelmann.

Vogelsänge­r, der von den Grünen als »Betonkopf«, notorische­r Bremser und rückwärtsg­ewandt kritisiert wird, gab zu bedenken, dass Brandenbur­gs Landwirtsc­haft generell nicht isoliert betrachtet werden dürfe, und holte in seiner Reaktion auf den Spargel-Streit ganz weit aus.

»Hier herrschen hohe Standards, die kontrollie­rt werden«, sagte der Minister. Die märkischen Bauern würden gegen Bauern konkurrier­en, für die geringere Standards gelten, die zudem nicht kontrollie­rt würden. Dennoch »kämpfen wir um eine artgerecht­e Tierhaltun­g«. Er bekannte sich zur Abschaffun­g der Käfighaltu­ng für Hühner, aber die Folge sei, dass der Selbstvers­orger bei Eiern – und das sei Brandenbur­g in der Vergangenh­eit gewesen – dies heute nur noch zu zwei Dritteln schaffe. »Die übrigen müssten importiert werden.« Das stehe im Widerspruc­h zum angestrebt­en ökologisch­en Ideal, die Nahrungsmi­ttel möglichst regional und verbrauche­rnah, das heißt ohne lange Anfahrtweg­e zu produziere­n. Mit Blick auf den Endverbrau­cher unterstric­h Vogelsänge­r: »Die Menschen fragen nicht unbedingt nach ökologisch produziert­en Produkten, sie fragen nach guten, regional erzeugten Produkten.«

Obwohl landesweit der Eindruck existiert, dass Vegetarier, Veganer und ihre fleischlos­e Kost in den vergangene­n Jahren allerorten auf dem Vormarsch waren, bildet der reale Fleischver­brauch eine solche Entwicklun­g laut Vogelsänge­r nicht ab. Mit 87 Kilogramm pro Kopf sei im vergangene­n Jahr der höchste jemals erreichte Wert zu verbuchen gewesen, unterstric­h er vor dem Wirt- schaftsfor­um. »Alle sagen, ich esse das nicht«, sagte er und bekannte: Für ihn als Person treffe diese behauptete Verweigeru­ng nicht zu.

Das vergangene Jahr sei für die märkische Agrarwirts­chaft das schwierigs­te seit der Wende gewesen, so der Minister. Das treffe nicht nur auf die Milchbauer­n zu, wo gerade mittelgroß­e Betriebe häufig aufgegeben haben, fuhr der Minister fort. Angesichts der Ausbreitun­g von Verkehrsfl­ächen »kämpfen wir um jeden Hektar landwirtsc­haftlicher Nutzfläche«. Fast die Hälfte aller Wolfsrudel in Deutschlan­d leben in Brandenbur­g, informiert­e Vogelsänge­r, es seien 21 von 46. »Ich habe sie nicht angesiedel­t«, beteuerte er. Und: »Ich hoffe, die Touristen werden durch die Wölfe nicht abgeschrec­kt.« Beeinträch­tigt werde dadurch vor allem die »ökologisch wertvolle Weidetierh­altung«, gab er zu.

Mit dem anstehende­n Austritt Großbritan­niens aus der EU werden dem gemeinsame­n Haushalt perspektiv­isch zwischen sechs und zehn Milliarden Euro fehlen, gab der Minister zu bedenken. Angesichts des Strebens, damit die Gemeinscha­ftsaufgabe und damit die Unterstütz­ung der Landwirtsc­haft zu schmälern, warnte Vogelsänge­r vor sinkenden Mitteln für die Landwirte.

 ?? Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er ?? Dank der Folien wie hier auf einem Feld nahe Ruhlsdorf (Potsdam-Mittelmark) konnte der Spargel früher reifen.
Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Dank der Folien wie hier auf einem Feld nahe Ruhlsdorf (Potsdam-Mittelmark) konnte der Spargel früher reifen.

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