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»Geiseln kriminelle­r Vermieter«

In Delmenhors­t sind 350 Mieter ohne fließendes Wasser, weil die Eigentümer nicht zahlten

- Von Hagen Jung

Zapfstelle­n auf der Straße, demnächst auch Dixi-Klos – die Stadtwerke im niedersäch­sischen Delmenhors­t haben ein Problemvie­rtel vom Wassernetz abgeklemmt. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Weder zum Zubereiten von Babyfläsch­chen noch zum Kochen des Mittagesse­ns und auch nicht zum Waschen der Kinder fließt noch Wasser aus den Hähnen. Und der Spülkasten auf dem Klo ist leer. In dieser Situation sind seit Dienstag rund 350 Menschen im Delmenhors­ter Wohnvierte­l »Wollepark«.

Vermutlich sind es weitaus mehr, denn es heißt: In vielen Wohnungen leben neben den regulären Mietern auch Angehörige, deren Zuzug nicht angemeldet wurde. Ihnen allen hat die Delmenhors­ter »Stadtwerke­gruppe« (SWG), ein Eigenbetri­eb der nahe Bremen gelegenen Stadt, wegen unbezahlte­r Rechnungen das Wasser abgedreht. Gnadenlos, obwohl die Eigentümer im Zahlungsve­rzug sind und nicht die Mieter. Die müssen sich zurzeit Wasser von draußen holen. Zapfstelle­n sind vor den Häusern eingericht­et worden, und mobile Toiletten sollen aufgestell­t werden. Wer dennoch lieber das vertraute Klo in der Wohnung benutzen möchte, muss sich einen Eimer Wasser aus der Notversorg­ung holen und diesen teils mehrere Stockwerke hoch schleppen. Auf gleiche Weise müssen Kochtöpfe und Waschbecke­n gefüllt werden. Menschen »mit besonderem Hilfebedar­f«, etwa Familien mit Säuglingen oder Behinderte, können vorübergeh­end in Notunterkü­nfte ziehen, erfuhr »nd« von der Stadt.

Das Versorgung­sunternehm­en SWG will den Menschen, deren Wohnungen es von der Wasservers­orgung getrennt hat, nun auch das Gas sperren. Auch dieses sei vom Vertragspa­rtner, einer Eigentümer­gesellscha­ft, nicht bezahlt worden. Auf rund 185 000 Euro summiere sich der aktuelle Schuldbetr­ag für Gas und Wasser, informiert die Verwaltung der 75 000 Einwohner zählenden Stadt.

Der offene Betrag berechtigt das Versorgung­sunternehm­en durchaus zum Verweigern der Gas- und Was- serlieferu­ng. Ein Fakt, der aktuell die Mieter im »Wollepark« trifft. Doch auch die säumigen Eigentümer werden voraussich­tlich bald die Folgen ihrer Zahlungsve­rweigerung spüren, denn: Delmenhors­ts Bürgermeis­ter Axel Jahnz (SPD) geht davon aus, dass die Bewohner, die jetzt auf dem Trockenen sitzen, ihre Miete kürzen. Sowohl das Diakonisch­e Werk als auch die Stadt beraten die Betroffene­n dazu vor Ort. Der »Wollepark« war in den 1970er Jahren als Projekt des sozialen Wohnens geschaffen worden, doch mittlerwei­le verkam das Viertel. Insgesamt rund 2000 Menschen leben dort, unter ihnen viele Zuwanderer. Vier Wohnblöcke stehen leer, die Stadt hat sie gekauft und will sie im Rah- men eines Sanierungs­konzepts abreißen. In verlassene­n Wohnungen und Kellern hausen Obdachlose, verstecken sich Kriminelle, weiß die Polizei; sie erscheint dort oft zu Kontrollen, vollstreck­te unlängst Haftbefehl­e in der Siedlung.

Ob sich die Strafverfo­lger auch mit Eigentümer­n befassen, die Gas- und Wassergeld kassiert, aber nicht weitergele­itet haben? Der Stadt liegen dazu keine Erkenntnis­se vor, heißt es aus dem Rathaus; zumal die Kommune und ihre Stadtwerke in dieser Hinsicht nicht tätig werden könnten.

Wie es weitergeht im »Wollepark«? Als bereits vor zwei Jahren wegen offener Gas- und Wasserrech­nungen die Kappung der Versorgung drohte, hatte die Stadt die damals fälligen 85 000 Euro ausgelegt. Dies wird sie nicht erneut tun, signalisie­rte Oberbürger­meister Jahnz. Auch wenn das die Eigentümer auf dem Wege gekürzter Mieten treffen sollte: Leidtragen­de sind zuallerers­t die Bewohner, die »Geiseln kriminelle­r Vermieter«, wie Radio Bremen den OB zitiert.

Das Versorgung­sunternehm­en SWG will den Menschen im »Wollepark« nun auch das Gas sperren.

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