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Drosselung der Autoindust­rie

Europaparl­ament fordert strengere Vorgaben für Emissionsp­rüfung und Zulassung in der EU

- Von Kurt Stenger

Eineinhalb Jahre nach Bekanntwer­den des Dieselskan­dals ist in der EU wenig passiert. Das soll sich nach dem Willen des Parlaments nun ändern. Eine EU-Kontrollbe­hörde ist aber nicht geplant.

Das Europaparl­ament macht Druck auf die Kommission und die Mitgliedst­aaten, endlich Konsequenz­en aus dem Skandal um manipulier­te Abgaswerte bei Dieselfahr­zeugen zu ziehen. Am Dienstag nahmen die Abgeordnet­en in Straßburg den Abschlussb­ericht des Untersuchu­ngsausschu­sses zu Abgasmessu­ngen in der Autoindust­rie an, in dem auch strengere Regeln für die Zulassung und Überwachun­g von Automotore­n gefordert werden. »Die aktuellen Regelungen bieten zu großen Spielraum bei Abgasmessu­ngen«, sagte Jens Gieseke, Abgeordnet­er der konservati­ven EVP und Berichters­tatter des Ausschusse­s. »EU-Kommission und die Mitgliedst­aaten hätten klarere Regelungen beschließe­n und früher aktiv werden müssen.«

Gerben-Jan Gerbrandy von der liberalen Fraktion sprach von »schockiere­nden Tatsachen«, die in dem Abschlussb­ericht aufgedeckt würden. Die Diskrepanz­en zwischen Messwerten und realem Schadstoff­ausstoß seien seit über zehn Jahren bekannt gewesen, doch Kommission und EU-Staaten hätten strengere Kontrollen und Strafverfo­lgung verhindert. Auch nach Bekanntwer­den des VW-Skandals im September 2015 sei wenig unternomme­n worden. Das bisherige System sei von der Autoindust­rie »korrumpier­t«. Autos sollten demnach lediglich im Labor sauber sein.

In einem vom Parlament angenommen­en Entschließ­ungsvertra­g wird im Einzelnen gefordert, dass die EU-Staaten dazu verpflicht­et werden, jährlich 20 Prozent der Fahrzeuge, die im vorangegan­genen Jahr zugelassen wurden, auf ihre Emissionen hin zu überprüfen. Die Arbeit nationaler Prüfdienst­e und Behörden, die Fahrzeuge zulassen, sollten von der EU-Kommission beaufsicht­igt werden. Für Autoherste­ller, die Abgastests manipulier­en, sieht der Entwurf abschrecke­nde Geldbußen vor – in Höhe von 30 000 Euro pro Fahrzeug. Schließlic­h sollen Verbrauche­r in der EU, die von Hersteller­n über den tatsächlic­hen Schadstoff­ausstoß getäuscht wurden, künftig entschädig­t werden.

Die auch von Umweltverb­änden geforderte Gründung einer eigenen EU-Agentur, die die Arbeit der nationalen Zulassungs­behörden kontrollie­ren sollte, wurde jedoch von einer Mehrheit aus Konservati­ven, Liberalen und Rechtsauße­nparteien abgelehnt. Lobbyisten der Autoindust­rie hatten hier, wie es heißt, zuvor ihren Einfluss geltend gemacht. Dies dürfte nur ein Vorgeschma­ck auf die jetzt anstehende­n harten Verhandlun­gen zwischen Parlament, Ministerra­t und Kommission sein. Alle drei Gremien haben bei der gesetzlich­en Neuregelun­g Mitsprache­recht.

Dabei würde sich auch die Kommission für eine eigene EU-Kontrollbe­hörde ausspreche­n, wie Industriek­ommissarin Elzbieta Bienkowska deutlich machte. Die vom Parlament angenommen­en Vorschläge will sie unterstütz­ten. Man habe aber bereits einiges in Sachen strengere Abgas- tests auf den Weg gebracht, erklärte sie. Zudem seien gegen sieben Staaten Vertragsve­rletzungsv­erfahren angestreng­t worden. Die wichtigste künftige Zielsetzun­g sei »null Schadstoff­ausstoß«.

Die lobbykriti­sche Organisati­on Corporate Europe Observator­y (CEO) begrüßte die Beschlüsse des Parlaments als »ersten Schritt, den exzessiven Einfluss der Autoindust­rie auf die EU-Gesetzgebu­ng zu drosseln«. Es sei ein Skandal, wie lange die Lobby der »Puppenmeis­ter von Kommission und Mitgliedst­aaten gewesen sei«, sagte CEO-Sprecher Fabian Hübner.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Abgasunter­suchung in einer Werkstatt in Frankfurt (Oder)

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