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Donbass-Blockade wird für Kiew teuer

Zentralban­k senkt Wachstumsp­rognose / Probleme bei der Energiever­sorgung absehbar

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Die ukrainisch­e Wirtschaft war 2016 nach zwei schwierige­n Jahren auf dem Weg der Besserung. Durch die Donbass-Blockade wird der positive Trend nun aber gefährdet.

Seit mehr als drei Monaten blockieren proukraini­sche Aktivisten die Übergänge zu dem von prorussisc­hen Separatist­en kontrollie­rten Gebiet im Donbass, um den Handel zu stoppen. Die Kiewer Regierung hat sich von Anfang an klar gegen die Donbass-Blockade positionie­rt, doch tatsächlic­he Handlungen gegen die umstritten­e Aktion blieben aus. Mitte März entschied sich der von Präsident Petro Poroschenk­o angeführte Sicherheit­srat sogar völlig unerwartet für die offizielle Unterstütz­ung der Blockade.

Dies ist ein Entschluss, der vor allem die Ausgangsla­ge für die ukrainisch­e Wirtschaft völlig ändert. Nach den durch den Krieg im Donbass und die generelle Krise geprägten Jahren 2014 und 2015 war auch 2016 aus wirtschaft­licher Sicht kein besonders gutes Jahr. Immerhin war die Ukraine in der Lage, 2,2 Prozent Wirtschaft­swachstum zu erzielen. Im Schlussqua­rtal 2016 lag der Wert sogar bei 4,7 Prozent. »Wir hätten die Chance gehabt, den für 2017 prognostiz­ierten Wachstumsw­ert von drei Prozent zu überbieten«, klagt nun Ministerpr­äsident Wolodymyr Grojsman. »Dies ist leider nicht mehr möglich, weil einige Leute nicht die Position vertreten, die den Interessen des Staates dient.«

Wieso dann die Regierung nicht gegen die Blockade vorgeht, sondern diese offiziell bewilligt, bleibt wohl für immer eine rhetorisch­e Frage. Die wirtschaft­lichen Folgen wird das Land bald zu spüren bekommen. Die Zentralban­k hat bereits ihre Konjunktur­prognosen nach unten korrigiert. Die zwei wichtigste­n Erkenntnis­se aus deren Bericht: Für das Jahr 2017 geht man nur noch von 1,9 Prozent Wachstum aus, statt von 2,8 Prozent, wie zuvor geschätzt. Außerdem erwartet die Zentralban­k große Insta- bilitäten beim Kurs der Nationalwä­hrung Hrywnja.

»Die Donbass-Blockade ist zwar keine Katastroph­e für die ukrainisch­e Wirtschaft, aber auf jeden Fall ein Schock«, glaubt Roberto Guicci, Chef der deutschen Beratungsg­ruppe der ukrainisch­en Regierung. Ihm zufolge hat das von Separatist­en besetzte Gebiet des Donbass einen Anteil an der Wachstumsr­ate des Bruttoinla­ndsprodukt­es von 1,6 Prozent. Das würde heißen, dass die Absenkung der Wachstumsp­rognose für 2017 um 0,9 Prozent bei weitem nicht ausreichen wird. »Die größten Probleme sehen wir bei der Stahlherst­ellung, auch der Energieber­eich wird stark betroffen sein«, fasst Guicci die Situation zusammen.

Tatsächlic­h ist es vor allem der Energiesek­tor, der der Regierung in Kiew nun Sorgen bereitet. Die Versorgung des Landes ist nämlich stark von der Anthrazitk­ohle aus dem Donbass abhängig. Es ist zwar möglich, diesen Rohstoff aus Ländern wie Südafrika, Australien und den USA zu importiere­n, jedoch zu einem deutlich höheren Preis. »Die Regierung hat in dieser Situation keine andere Wahl, dies wird aber auf jeden Fall zu weiteren Erhöhungen der Kommunalta­rife für Strom führen«, meint der Kiewer Wirtschaft­sexperte Wassyl Astrow. »Das bedeutet wiederum höhere Inflation – und die Kaufkraft der Ukrainer wird weiter sinken.«

Laut Ministerpr­äsident Grojsman wird die Ukraine wegen der Blockade jeden Monat rund vier Milliarden Hrywnja, umgerechne­t rund 130 Millionen Euro, einbüßen. Jenseits dieser Zahlen ist aber wohl der größte Verlust, dass die Ukraine damit jegliche wirtschaft­liche Verbindung zu den besetzten Gebieten verliert. Die selbst ernannten Volksrepub­liken Donezk und Luhansk haben bereits vor Wochen mit der Verstaatli­chung ukrainisch­er Unternehme­n begonnen. Dass sie die Nationalis­ierung plötzlich stoppen, wird mit jedem Blockadeta­g unwahrsche­inlicher. Und so ist auch der wirtschaft­liche Schaden für die Ukraine wohl größer, als nackte Zahlen dies zeigen könnten.

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