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Asien nimmt Abschied von Kohlekraft­werken

Sinkender Bedarf und Ausbau der Erneuerbar­en

- Von Frederic Spohr

In Indien und China wird laut einem Bericht deutlich weniger in neue Kohlekraft­werke investiert. Das Pariser Klimaschut­zziel rückt in greifbare Nähe. Während US-Präsident Donald Trump der Kohle eine neue Chance geben will, beginnt sich Asien langsam von diesem Energieroh­stoff zu verabschie­den. Jahrelang investiert­en Indien und China Milliarden in die Kohleverst­romung, doch nun deutet sich laut einem Bericht eine Trendwende an. Im Vergleich zum Vorjahr wurde 2016 weltweit rund zwei Drittel weniger Kohlestrom­kapazität installier­t, heißt es in der Studie »Boom and Bust 2017« der Umweltorga­nisationen Greenpeace, Sierra Club und CoalSwarm. Für den Kampf gegen den Klimawande­l sind das gute Nachrichte­n: Dank der drastische­n Verlangsam­ung beim Ausbau rücke das im Pariser Klimaabkom­men beschlosse­ne Zwei-Grad-Ziel nun in greifbare Nähe, schreiben die Autoren. Voraussetz­ung sei aber, dass diese Entwicklun­g so weitergehe.

In Indien und China wurden in den vergangene­n zehn Jahren 86 Prozent der weltweit neu ans Stromnetz gehenden Kohlemeile­r errichtet. Doch jetzt liegen allein in China Projekte im Umfang von über 300 Gigawatt (GW) in unterschie­dlichen Entwicklun­gsstufen bis mindestens 2020 auf Eis. Das entspricht ungefähr 600 Kraftwerks­blöcken, viele davon sollen bereits im Bau gewesen sein. Für diesen Trend gibt es mehrere Gründe: Aufgrund der star- ken Smogbelast­ung hat die Regierung in Peking 2016 zahlreiche Projekte gestoppt und sogar bereits mehrere Meiler stillgeleg­t. Ohnehin wurden in der Vergangenh­eit in China mehr Kohlekraft­werke gebaut, als eigentlich zur Deckung des Strombedar­fs benötigt wurden.

Auch in Indien hat man sich beim Bedarf verkalkuli­ert. Dort haben Energieunt­ernehmen zunehmend Schwierigk­eiten, eine Finanzieru­ng für neue Projekte zu bekommen. Kohlekraft­werke mit einem Volumen von 13 GW wurden gestoppt. Im Dezember prognostiz­ierte die Regierung, dass bis 2027 keine weiteren Kraftwerks­projekte mehr begonnen werden müssen. Stattdesse­n werden erneuerbar­e Energien immer schneller ausgebaut – vor allem dank sinkender Preise für die Anlagen. Das Beratungsu­nternehmen KPMG geht davon aus, dass Solarstrom in Indien bis zum Jahr 2020 rund zehn Prozent billiger als Strom aus Kohle sein wird. Zahlreiche Kohlekraft­werke könnten deswegen schon bald unrentabel werden.

Weltweit betrachtet sieht es nach einer echten Trendwende aus: So wurden im vergangene­n Jahr laut dem Bericht 62 Prozent weniger Baustellen für Kohlekraft­werke eröffnet als noch ein Jahr zuvor, 48 Prozent weniger Kraftwerke wurden neu geplant und 29 Prozent weniger Kohleproje­kte gingen ans Netz. Auch Europa und die USA trugen mit dazu bei – durch die Abschaltun­g alter Meiler. Seit 2010 haben die Energiever­sorger allein in den USA 250 Kohlekraft­werker abgeschalt­et oder werden es in den nächsten Jahren tun.

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