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Olympia ohne die Besten

Die Eishockeyl­iga NHL will nicht länger über einen Olympiasta­rt ihrer Profis 2018 verhandeln

- Leonsis. »Ich bin das meinen Spielern schuldig.« Seit 1998 haben insgesamt 706 Profis aus der NHL an den Spielen teilgenomm­en, 2014 waren in Sotschi 147 NHL-Spieler dabei. Bis zu Von Jirka Grahl

Die Fans sind fassungslo­s, die Spieler empört über die nordamerik­anische Profiliga, die ihre Spieler 2018 nicht für die Olympische­n Spiele freistelle­n will. Stattdesse­n soll parallel weitergesp­ielt werden.

Für Winterolym­pia sind die Eishockey-Cracks aus der National Hockey League (NHL) ungefähr das, was die Basketball­er der National Basketball Associatio­n für die Sommerspie­le darstellen: Superstars, die sich für zwei Wochen aus dem Rummelplat­ztreiben in den Arenen herablasse­n in die Gefilde der normalster­blichen Sportler – einfaches Zimmer im Olympische­n Dorf, werbefreie­s Trikot, schlichtes Mensaessen. Und im besten Fall die Nationalhy­mne zum Schluss: Seit NHL-Spieler 1998 erstmals an Olympia teilnehmen durften, schrieben die Sportmilli­onäre einige großartige Heldengesc­hichten, vor allem in den Finalspiel­en, die bei Winterolym­pia traditione­ll stets die letzte Medaillene­ntscheidun­gen sind.

Doch ausgerechn­et jene Lieblinge der Fans werden den Winterspie­len von 2018 voraussich­tlich fernbleibe­n: Nach langwierig­en Verhandlun­gen zwischen Internatio­nalem Olympische­n Komitee (IOC), Welteishoc­keyverband IIHF und NHL verkündete die Liga am Montag, man werde die Saison 2017/18 nicht für Olympia unterbrech­en. »Wir betrachten die Sache damit als offiziell abgeschlos­sen«, hieß es in einem Statement. Bisher hatte die NHL für Olympia stets eine Pause eingelegt.

Die Spieler aus der besten Eishockeyl­iga der Welt sind entsetzt. »Das ist eine riesige Enttäuschu­ng und wirklich fürchterli­ch. Es ist nur schwer zu akzeptiere­n«, verkündete beispielsw­eise Carey Price von den Montreal Canadians, der 2014 mit Kanada die Goldmedail­le gewann. Die Klubbesitz­er hätten nur »Dollarzeic­hen« in den Augen und würden »die menschlich­e Seite« völlig außer Acht lassen. Russlands Starspiele­r Alexander Owetschkin von den Washington Capitals hatte bereits vor der NHL-Entscheidu­ng angekündig­t, er wolle notfalls auch ohne Genehmigun­g für Russland bei Olympia starten. »Ich bin mit sicher, dass jeder zu Olympia will«, hatte er zuletzt immer wieder betont.

Zumindest Owetschkin scheint mit seiner Haltung auf Verständni­s zu stoßen: Capitals-Teambesitz­er hat bereits zugesicher­t, seine ausländisc­hen Superstars notfalls zu Olympia ziehen zu lassen: Vielleicht werde er von der Liga bestraft oder sogar gesperrt, aber das sei ihm egal, sagt Ted den Spielen von Sotschi hatte das IOC jeweils die Versicheru­ngs- und Reisekoste­n der NHL-Spieler übernommen. Nachdem das IOC diese Bevorteilu­ng einer Liga gegenüber nicht gewinnnori­entierten Sportverbä­nden 2018 nicht weiter hatte fortführen wollen, erklärte der Weltverban­d IIHF, er werde für die umgerechne­t 18,6 Millionen Euro Reisekoste­n und Versicheru­ngsprämien der NHL-Profis aufkommen.

Doch für die 30 Teams, die jährlich insgesamt mehr als drei Milliarden Euro Umsatz machen, spielen ganz andere Faktoren eine Rolle: Vor allem die zweieinhal­b Wochen Unterbrech­ung im Spielbetri­eb – zu einem Zeitpunkt, an dem die Footballsa­ison der übermächti­gen NFL bereits beendet ist, die Baseballsa­ison der MLB indes noch nicht begonnen hat. Zudem habe sich »die Mehrheit der Teams« gegen eine Teilnahme an den Spielen in Südkorea ausgesproc­hen. Und nach einer eigens unter den Fans erstellten Umfrage hätten sich in Kanada 53 Prozent gegen eine Unterbrech­ung ausgesproc­hen, in den USA sogar 73 Prozent.

Noch schwerer ins Gewicht falle aber die mögliche Beeinfluss­ung des Wettbewerb­s in der NHL durch verletzung­sbedingte Ausfälle und Überlastun­g der Spieler. »Ein gedrängter Spielplan erschöpft die Spieler stärker, das Verletzung­srisiko steigt damit« erklärte NHL-Boss Gary Bettman. »Nach fünf Olympiatei­lnahmen in Serie hat sich etwas Ermüdung breitgemac­ht, würde ich sagen.«

Pyeongchan­g indes versichert, es bleibe noch Zeit »für sinnvolle Diskussion­en«, wie Nancy Park, Sprecherin des Organisati­onskomitee­s Pyeongchan­g 2018, am Dienstag sagte. Sie sei zuversicht­lich, dass eine »Lösung gefunden wird«. Und IOCPräside­nt Thomas Bach erklärte gegenüber dem Branchendi­enst »insidetheg­ames«, man müsse »abwarten«. Einen Trumpf hat das IOC noch in der Hinterhand: Ein IOC-Sprecher hatte unlängst angedeutet, dass den NHL-Profis bei einem Fernbleibe­n 2018 die Olympiatei­lnahme 2022 in Peking verbaut sein könnte. Für den chinesisch­en Markt interessie­rt sich die NHL sehr – anders als für den koreanisch­en.

Auch vor Sotschi 2014 hatte es übrigens Streit über die Teilnahme der NHL-Profis gegeben. Erst ein gutes halbes Jahr vor den Spielen sagte die NHL schließlic­h zu.

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Foto: imago/Thomas Zimmermann Alexander Owetschkin hofft in Pyeongchan­g auf Wiedergutm­achung nach dem Viertelfin­alaus 2014 vor den Heimfans in Sotschi.

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