Olympia ohne die Besten
Die Eishockeyliga NHL will nicht länger über einen Olympiastart ihrer Profis 2018 verhandeln
Die Fans sind fassungslos, die Spieler empört über die nordamerikanische Profiliga, die ihre Spieler 2018 nicht für die Olympischen Spiele freistellen will. Stattdessen soll parallel weitergespielt werden.
Für Winterolympia sind die Eishockey-Cracks aus der National Hockey League (NHL) ungefähr das, was die Basketballer der National Basketball Association für die Sommerspiele darstellen: Superstars, die sich für zwei Wochen aus dem Rummelplatztreiben in den Arenen herablassen in die Gefilde der normalsterblichen Sportler – einfaches Zimmer im Olympischen Dorf, werbefreies Trikot, schlichtes Mensaessen. Und im besten Fall die Nationalhymne zum Schluss: Seit NHL-Spieler 1998 erstmals an Olympia teilnehmen durften, schrieben die Sportmillionäre einige großartige Heldengeschichten, vor allem in den Finalspielen, die bei Winterolympia traditionell stets die letzte Medaillenentscheidungen sind.
Doch ausgerechnet jene Lieblinge der Fans werden den Winterspielen von 2018 voraussichtlich fernbleiben: Nach langwierigen Verhandlungen zwischen Internationalem Olympischen Komitee (IOC), Welteishockeyverband IIHF und NHL verkündete die Liga am Montag, man werde die Saison 2017/18 nicht für Olympia unterbrechen. »Wir betrachten die Sache damit als offiziell abgeschlossen«, hieß es in einem Statement. Bisher hatte die NHL für Olympia stets eine Pause eingelegt.
Die Spieler aus der besten Eishockeyliga der Welt sind entsetzt. »Das ist eine riesige Enttäuschung und wirklich fürchterlich. Es ist nur schwer zu akzeptieren«, verkündete beispielsweise Carey Price von den Montreal Canadians, der 2014 mit Kanada die Goldmedaille gewann. Die Klubbesitzer hätten nur »Dollarzeichen« in den Augen und würden »die menschliche Seite« völlig außer Acht lassen. Russlands Starspieler Alexander Owetschkin von den Washington Capitals hatte bereits vor der NHL-Entscheidung angekündigt, er wolle notfalls auch ohne Genehmigung für Russland bei Olympia starten. »Ich bin mit sicher, dass jeder zu Olympia will«, hatte er zuletzt immer wieder betont.
Zumindest Owetschkin scheint mit seiner Haltung auf Verständnis zu stoßen: Capitals-Teambesitzer hat bereits zugesichert, seine ausländischen Superstars notfalls zu Olympia ziehen zu lassen: Vielleicht werde er von der Liga bestraft oder sogar gesperrt, aber das sei ihm egal, sagt Ted den Spielen von Sotschi hatte das IOC jeweils die Versicherungs- und Reisekosten der NHL-Spieler übernommen. Nachdem das IOC diese Bevorteilung einer Liga gegenüber nicht gewinnnorientierten Sportverbänden 2018 nicht weiter hatte fortführen wollen, erklärte der Weltverband IIHF, er werde für die umgerechnet 18,6 Millionen Euro Reisekosten und Versicherungsprämien der NHL-Profis aufkommen.
Doch für die 30 Teams, die jährlich insgesamt mehr als drei Milliarden Euro Umsatz machen, spielen ganz andere Faktoren eine Rolle: Vor allem die zweieinhalb Wochen Unterbrechung im Spielbetrieb – zu einem Zeitpunkt, an dem die Footballsaison der übermächtigen NFL bereits beendet ist, die Baseballsaison der MLB indes noch nicht begonnen hat. Zudem habe sich »die Mehrheit der Teams« gegen eine Teilnahme an den Spielen in Südkorea ausgesprochen. Und nach einer eigens unter den Fans erstellten Umfrage hätten sich in Kanada 53 Prozent gegen eine Unterbrechung ausgesprochen, in den USA sogar 73 Prozent.
Noch schwerer ins Gewicht falle aber die mögliche Beeinflussung des Wettbewerbs in der NHL durch verletzungsbedingte Ausfälle und Überlastung der Spieler. »Ein gedrängter Spielplan erschöpft die Spieler stärker, das Verletzungsrisiko steigt damit« erklärte NHL-Boss Gary Bettman. »Nach fünf Olympiateilnahmen in Serie hat sich etwas Ermüdung breitgemacht, würde ich sagen.«
Pyeongchang indes versichert, es bleibe noch Zeit »für sinnvolle Diskussionen«, wie Nancy Park, Sprecherin des Organisationskomitees Pyeongchang 2018, am Dienstag sagte. Sie sei zuversichtlich, dass eine »Lösung gefunden wird«. Und IOCPräsident Thomas Bach erklärte gegenüber dem Branchendienst »insidethegames«, man müsse »abwarten«. Einen Trumpf hat das IOC noch in der Hinterhand: Ein IOC-Sprecher hatte unlängst angedeutet, dass den NHL-Profis bei einem Fernbleiben 2018 die Olympiateilnahme 2022 in Peking verbaut sein könnte. Für den chinesischen Markt interessiert sich die NHL sehr – anders als für den koreanischen.
Auch vor Sotschi 2014 hatte es übrigens Streit über die Teilnahme der NHL-Profis gegeben. Erst ein gutes halbes Jahr vor den Spielen sagte die NHL schließlich zu.