Private Krankenversicherung muss zur ärztlichen Sterbehilfe beraten
Betroffen von lebensverlängernden Maßnahmen sind in der Privaten Krankenversicherung (PKV) rund acht Millionen Versicherte, die ihr Lebensende durch eine Vertrauensperson mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung aktiv gestalten müssen. Von PM Dr. Johannes Fiala und Peter A. Schramm Das Landgericht München I stellte mit Urteil vom 18. Januar 2017 (Az. 9 O 5246/14) fest, dass für lebens- und leidensverlängernde Maßnahmen wie künstliche Ernährung vor dem Tode objektiv keine medizinische Indikation mangels erkennbarem Therapieziel mehr gegeben ist. Die Lebensverlängerung alleine kann kein medizinisches Therapieziel sein. Behandlungen sind dann aber medizinisch nicht notwendig. Es handelt sich in keiner Weise mehr um medizinische Heilbehandlung.
Die Konsequenz daraus: Wenn Behandlungen medizinisch nicht notwendig sind, sind sie von der Privaten Krankenversicherung auch nicht zu zahlen. Eine Kostenerstattung durch die PKV entfällt also. Wer zahlt am Ende: PKV oder Patient? Die höchsten Kosten in der PKV entstehen bekanntlich kurz vor dem Lebensende. Wenn zur Kostenerstattung aber gar keine Verpflichtung besteht, sollten deren Versicherungsnehmer diese auch nicht mit ihren Beiträgen zahlen müssen.
Neben unwirksamer Beitragssteigerung der PKV kommt noch infrage, später als Angehöriger Arzt und Klinik auf Kostenerstattung und Schmerzensgeld zu verklagen (Landgericht München I, Urteil vom 18. Januar 2017, Az. 9 O 5246/14): Notwendig sei dafür der Beweis, dass ein (unterlassenes) Arztgespräch mit dem Betreuer des Patienten (vgl. § 1901 b BGB) oder Familienangehörigen kausal zwangsläufig zum Behandlungsabbruch geführt hätte. Eine vernünftige Entscheidung nach sachgerechter ärztlicher Aufklärung sei nicht als zwangsläufig zu unterstellen.
Wenn objektiv keine medizinische Indikation vorliegt, ist auch der Patient nicht verpflichtet, entsprechende Behandlungsrechnungen zu bezahlen. Damit ist aber auch keine Verpflichtung seiner PKV mehr gegeben, ihm diese Rech- nungen für medizinisch nicht notwendige Behandlungen zu erstatten. Wenn sich der Versicherte dann dennoch für die medizinisch nicht indizierte, lediglich lebensverlängernde Behandlung entscheidet, muss er sie selbst bezahlen – ohne Erstattungsanspruch gegen seine Krankenversicherung. Patiententestament ist vorrangig zu beachten Das Patiententestament ist vorrangig zu beachten, wenn die Krankheit einen »irreversiblen tödlichen Verlauf« genommen hat (BGH-Beschluss vom 17. März 2003, Az. VII ZB 2/03). Altenheim und Pflegepersonal können sich der gemeinsamen Meinung von Arzt und Betreuer nicht entgegenstellen (BGH-Beschluss vom 8. Juni 2005, Az. XII ZR 177/03). Angesprochen ist der Behandlungsabbruch als legale passive Sterbehilfe – einschließlich Palliativmedizin; durch Verzicht oder Reduktion lebensverlängernder Maßnahmen.
Der Bundesgerichtshof (Beschluss vom 17. September 2014, Az. XII ZB 202/13) hat entschieden: »Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft.«
Daher ist es zwingend, dass das Patiententestament oder die Patientenverfügung regelmäßig so erneuert wird, dass dieses Dokument erkennbar auf aktueller medizinischer nebst rechtlicher Beratung beruht. Eine Vorsorgevollmacht kann deren Durchsetzung erleichtern. In der PKV nur notwendige Heilbehandlung versichert In der PKV ist nur die medizinisch notwendige Heilbehandlung versichert. Ist Heilung ausgeschlossen, wird es schwierig. Dann ist Kriterium die Milderung der Symptome. Gegebenenfalls wird aber auch dann für Behandlungen geleistet, deren Wirksamkeit nicht erwiesen, aber auch nicht ganz auszuschließen ist. Dabei wird die PKV intensiv prüfen und keinesfalls für alles zahlen, was der Arzt vorschlägt oder der Patient bzw. dessen Angehörige möchten.
Mitunter zahlt die PKV nichts, vor allem wenn es zu teuer wird – wie bei der DaVinci-Krebstherapie oder der nicht streuenden alternativen Protonenbestrahlung. Dieses Risiko der »strategischen Schadensregulierung« müsste jedem Versicherungsmakler bekannt sein. Wichtig: Die PKV muss zur Sterbehilfe beraten Der PKV-Versicherer bzw. der Makler hat gemäß § 6 VVG auch Beratungspflichten bei laufendem Vertrag. Dazu gehören auch Beratungen zu Leistungen. Diese kann man als Versicherungsnehmer (VN) verlangen, inklusive nachvollziehbarer schriftlicher Dokumentation und Haftung des Beraters oder Versicherers.
Viele Versicherer (VR) bieten auch medizinische Beratungen, etwa als ärztliche Zweitmeinung oder medizinisches Call-Center an. Die PKV leistet das mindestens in Europa unbegrenzt, weltweit befristet. Sie kann auch legale Sterbehilfeleistungen durch Ärzte erbringen – dazu muss sie aber ebenfalls beraten. Makler sollten daher darauf achten, dass Versicherer entsprechende Leistungen für legale Sterbehilfe vorsehen. Viele PKV-Versicherer bieten auch den Service eines Nachweises geeigneter Ärzte und Terminvereinbarung. Keine straflose Beihilfe zum freiverantwortlichen Suizid Die Vermittlung zu einer im Ausland legalen, aber in Deutschland illegalen Sterbehilfe wäre gegebenenfalls strafbar. Aber wenn die PKV für die nur im Ausland legale Behandlung zur Leistung verpflichtet ist, stellt sich die Frage, ob sie dennoch zum Leistungsumfang eine Beratungspflicht trifft.
Der Gesetzgeber regelt in § 217 StGB seit 10. Dezember 2015: »Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.« Ob diese Regelung verfassungswidrig ist, bleibt abzuwarten. Strafbare geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung Die Bundesärztekammer erläutert in einem Merkblatt vom 20. Januar 2017: »Eine Förderung der Selbsttötung liegt vor, wenn durch die Handlung die Selbst- tötung eines anderen ermöglicht oder wesentlich erleichtert wird. Es kommt dabei allein auf die Förderungshandlung an. Ob die Selbsttötung von dem Betroffenen tatsächlich vollzogen oder versucht wird, ist hierfür unerheblich. Beispiele sind das Überlassen einer geeigneten Räumlichkeit für den Suizid (Gewähren), das Verschreiben eines tödlich wirkenden Medikaments (Verschaffen) oder das Herstellen eines konkreten Kontakts, zum Beispiel zu einem Suizidhelfer in der Schweiz (Vermitteln einer Gelegenheit zur Selbsttötung).«
Strafbar wäre daher auch die Cross-Border-Suizid-Förderung durch einen ausländischen PKVVersicherer, wenn der Berater im Ausland Deutscher ist oder wird (§ 7 II StGB). Was wird als straflos angesehen? Straflos sind Gespräche über Suizid oder über Behandlungsbeschränkung. Dies ist etwas anderes als der Behandlungsabbruch und die Behandlungsbeschränkung »durch Verzicht oder Reduktion lebensverlängernder Maßnahmen«, Palliativmedizin und Sterbebegleitung. Solche legalen Absichten sind von Medizinern und PKVBeratern zu dokumentieren.
Straflos ist auch die Kommunikation über den Suizid, wenn sie nicht als »Förderung der Selbsttötung« ausgerichtet wird, sondern bestenfalls die Entwicklung eines Behandlungskonzepts fördert.
Die PKV im Inland könnte demnach als Konzept die Sedierung (künstliches Koma) zur Vermeidung von Schmerzen bei Verbot der künstlichen Ernährung (erlaubte Behandlungsbegrenzung) erarbeiten und dafür Leistungen zusagen, auch mit dem Hinweis, dass eine nur lebens- und leidensverlängernde Behandlung mit künstlicher Ernährung nicht mehr bezahlt würde. Gegebenenfalls könnte sie dies auch einer nur im Ausland legalen aktiven Sterbehilfe gegenüberstellen mit dem Ziel, dass sich der Patient aufgrund dieser Information lieber für die in Deutschland legale Variante entscheiden möge. Dies wäre für alle Beteiligten eine Winwin-Situation.