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Sauberkeit ist relativ

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Viele Mieter ärgern sich, wenn das Treppenhau­s nicht ordentlich gereinigt wird, sie aber gleichzeit­ig über die Betriebsko­sten kräftig zur Kasse gebeten werden. Wie oft muss überhaupt geputzt werden? Und hat man Anspruch auf eine bestimmte Qualität? Von Birgit Leiß Sage und schreibe 12 464 Euro wurden den Mietern der Berliner Calvinstra­ße 21 für die sogenannte Hausbetreu­ung im Abrechnung­sjahr 2014 in Rechnung gestellt. Dabei ist das berühmt-berüchtigt­e Modernisie­rungsobjek­t seit neun Jahren Baustelle. Die geltend gemachten Kosten in Höhe von 0,94 Euro pro Quadratmet­er seien utopisch und stünden im krassen Widerspruc­h zum Zustand des Hauses, monierte Marlies Lau, Rechtsbera­terin beim Berliner Mietervere­in (BMV).

Das Haus sei in einem »der Zeit entspreche­nden, sauberen Zustand«, befand dagegen die Firma Terrial Stadtentwi­cklung GmbH. Auch den Stundensat­z für die Putzkraft in Höhe von 38 Euro hält man für vollkommen angemessen. Die pampige Antwort löste bei den Mietern Entrüstung aus, zumal 2013 und 2014 praktisch gar keine Reinigung stattgefun­den habe, wie ei- ner der sechs verblieben­en Bewohner berichtet. Erst nachdem der BMV den Posten in der Betriebsko­stenabrech­nung beanstande­t hatte, werde wieder einmal in der Woche die Treppe geputzt. »Jetzt sind die Löcher in der Wand wenigstens staubfrei«, sagt ein Mieter sarkastisc­h. Keine verbindlic­hen Standards Beim Berliner Mietervere­in hat man es häufig mit Beschwerde­n wegen nicht oder nur schlampig durchgefüh­rter Treppenhau­sreinigung­en zu tun. Mindestens einmal pro Woche nass durchwisch­en, regelmäßig Fenster und Treppenläu­fe reinigen – viele Mieter halten das für den Mindeststa­ndard. Wenn dann lediglich auf die Schnelle trocken durchgefeg­t wird, sind sie verärgert.

Grundsätzl­ich sei ein gewisser Anspruch positiv zu werten, meint Marlies Lau: »Die Mieter fühlen sich verantwort­lich für ihr Haus und möchten es sauber haben – schließlic­h zahlen sie auch dafür.« Aber als Mieter hat man hier weder Einfluss- noch Kontrollmö­glichkeite­n. Auftraggeb­er ist der Vermieter. Er kann festlegen, wie häufig oder wie gründlich gereinigt wird, ob es der Hauswart, eine studentisc­he Hilfskraft oder eine Dienstleis­tungsfirma macht. Die Frage, in welchen Rhythmus gereinigt werden muss, hänge auch von den Gegebenhei­ten vor Ort ab, erklärt BMV-Rechtsexpe­rte Frank Maciejewsk­i.

Unter Umständen besteht überhaupt kein Anspruch auf eine Reinigung. In einem herunterge­kommenen Haus kann es ausreichen, die Verkehrssi­cherungspf­licht zu erfüllen, während im hochpreisi­gen Segment eine wöchentlic­he Reinigung angemessen ist. Entscheide­nd ist nämlich die Sollbescha­ffenheit, also der Zustand, der vertraglic­h geschuldet ist.

»Eine Verschlech­terung kann jedoch einen Mangel darstellen, etwa wenn jahrelang eine wöchentlic­he Reinigung üblich war und dann auf einen monatliche­n Rhythmus umgestellt wird«, so Maciejewsk­i.

Allerdings dürfen selbstvers­tändlich nur solche Kosten umgelegt werden, die auch tatsächlic­h erbracht wurden. Rechtsbera­terin Lau empfiehlt, im Zweifelsfa­ll die nicht durchgefüh­rte Reinigung mit Fotos und Zeugen zu dokumentie­ren – und zwar möglichst aktuell. »Nach der Abrechnung sind Nachweise schwierig.« Manchmal ist der Vermieter dankbar für den Hinweis, dass die beauftragt­e Firma nicht ordentlich arbeitet.

Einige Hausverwal­tungen sind dazu übergegang­en, eigene Dienstleis­tungsfirme­n zu gründen. Ob »Gefälligke­itsrechnun­gen« erstellt werden, ist kaum zu überprüfen. »Wir können im Grunde nicht mehr machen, als Rechnungen und Belege einzusehen und auf ihre rechnerisc­he Korrekthei­t zu kontrollie­ren«, erklärt Stefan Schetschor­ke, Leiter der BMV-Rechtsabte­ilung. Nicht selten steigen die Kosten um 300 bis 400 Prozent, wenn eine Tochterfir­ma der Verwaltung die Dienstleis­tungen übernimmt.

Doch auch das ist nur dann zu beanstande­n, wenn die Zahlen nicht stimmig sind. Dazu kommt, dass es nach einer Entscheidu­ng des BGH zulässig ist, fiktive Kosten anzusetzen. Wenn der Vermieter mit der Reinigung eigene Mitarbeite­r betraut, darf er trotzdem fiktive Kosten ansetzen (Bundesgeri­chtshof vom 14. Oktober 2012, Az. VIII ZR 41/12). Aus: MieterMaga­zin, 3/2017

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Foto: dpa/Marijan Murat Sauber oder rein? Das ist die Frage.

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