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Fragen & Antworten: Deine Kinder, unsere Kinder? Nein!

- Für unverheira­tete Paare sieht das Gesetz keine Stiefkind-Adoption vor. Der Mann könnte zwar theoretisc­h die beiden Kinder adoptieren, das hätte aber zur Folge, dass

Kinder werden heute meist nicht mehr von Fremden adoptiert, sondern vom neuen Partner der Mutter oder des Vaters. Allerdings geht das nur mit Trauschein, wie der Bundesgeri­chtshof mit seinem aktuellen Urteil bekräftigt. Ist das aber noch zeitgemäß? Wie verbreitet sind Adoptionen in Deutschlan­d? Bei Adoption denken die meisten Menschen zuerst an Paare, die selbst keine Kinder bekommen können und deshalb durch Annahme eines fremden Kindes aus dem In- oder Ausland Eltern werden wollen. Von den zuletzt etwa 3800 Adoptionen im Jahr machen diese Fälle aber nur den kleineren Teil aus, ihre Zahl ist seit Längerem rückläufig. Die meisten Adoptionen – 61 Prozent im Jahr 2015 – sind inzwischen solche, bei denen der neue Mann der Mutter oder die neue Frau des Vaters das Stiefkind als ihr eigenes annehmen. Oft geht es darum, nach einer Trennung oder Scheidung die Verhältnis­se neu zu regeln. Welche rechtliche­n Regeln gelten dafür? Grundsätzl­ich kann ein Kind adoptieren, wer mindestens 25 Jahre alt ist. Eine Obergrenze gibt es nicht, die Jugendämte­r achten aber darauf, dass der Altersabst­and in etwa dem natürliche­n entspricht. Eheleute können nur gemeinsam ein Kind adoptieren. In Ehen und gleichgesc­hlechtlich­en Lebenspart­nerschafte­n, in denen einer der Partner bereits ein Kind hat, kann der andere durch Adoption dessen zweiter Elternteil werden. Will zum Beispiel der neue Mann der Mutter seinen Stiefsohn adoptieren, geht das nur, wenn der leibliche Vater zustimmt. Kinder, die älter als 14 sind, müssen selbst einwillige­n. Denn durch die Adoption werden die alten Verwandtsc­haftsbezie­hungen gelöst. Das Kind bekommt den gleichen Status wie ein eigenes. Worin liegt das Problem bei der vor dem BGH klagenden Familie? seine Lebensgefä­hrtin rechtlich nicht mehr die Mutter wäre. Der gesellscha­ftliche Wandel wirft die Frage auf, ob das noch zeitgemäß ist. Denn viele Ehen halten nicht mehr fürs Leben. Gleichzeit­ig leben immer mehr Paare ohne Trauschein zusammen, auch mit Kindern. Nach den aktuellste­n Zahlen von 2015 sind in gut jeder zehnten Familie mit Kindern unter 18 Jahren die Eltern nicht verheirate­t. In den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n hat sich die Zahl dieser Familien von 449 000 (1996) auf 836 000 fast verdoppelt. Was haben die Richter im aktuellen Fall entschiede­n? Sie kamen dem Wunsch der beiden Unverheira­teten nicht nach und wiesen die Rechtsbesc­hwerde ab. Die gesetzlich­en Regelungen seien eindeutig, heißt es im Beschluss. Nach Auffassung des Familiense­nats verstoßen diese Regelungen auch nicht gegen Grundoder Menschenre­chte. Der Gesetzgebe­r dürfe Paare mit und ohne Trauschein durchaus unterschie­dlich behandeln. Denn auch der gesellscha­ftliche Wandel ändere nichts daran, dass sich die Ehe von einer nichteheli­chen Lebensgeme­inschaft rechtlich deutlich abhebe. Außerdem stehe es jedem frei, die Ehe zu schließen. Das Argument, dass dann die Witwenrent­e wegfalle, ließen die Richter nicht gelten. Was bedeutet das für andere Familien? Nach den Erfahrunge­n des Bundesverb­ands der Pflege- und Adoptivfam­ilien geht es oft nicht in erster Linie darum, den Familienzu­sammenhalt zu stärken. »Die meisten Kinder nehmen ihren sozialen Vater auch so als ihren Vater an«, so Carmen Thiele. Hauptmotiv­ation für den Adoptionsw­unsch sei oft, dass der neue Partner auch sorgerecht­lich Verantwort­ung übernehmen möchte – um beispielsw­eise Entscheidu­ngen treffen zu können, wenn die Mutter nach einem Unfall unerwartet im Krankenhau­s liegt. Reformbeda­rf sieht Thiele vor allem hier. »Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Stiefkind-Adoptionen deutlich zurückgehe­n würde, wenn der Gesetzgebe­r die Sorgerecht­swahrnehmu­ng anderweiti­g ermögliche­n würde.«

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