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Griechenla­nd soll erneut Renten kürzen

Athen und Euro-Finanzmini­ster im Grundsatz einig über weitere Reformen und Einschnitt­e

- Von Guido Speckmann Mit Agenturen

Eurogruppe­nchef Jeroen Dijsselblo­em hat die politische Einigung zwischen Griechenla­nd und seinen Gläubigern über weitere Reformen offiziell bestätigt.

Jeroen Dijsselblo­em weiß doch noch mit etwas anderem als mit »Schnaps-und-Frauen-Sprüchen« oder der Weigerung, vor dem Europaparl­ament zu erscheinen, Schlagzeil­en zu machen: Am Freitag teilte der Eurogruppe­n-Chef bei einem Treffen der Euro-Finanzmini­ster in Malta mit, dass sich die Regierung in Athen und ihre Gläubiger auf zusätzlich­e Reformen für die Jahre 2019 und 2020 geeinigt hätten: »Die großen Brocken sind jetzt geklärt.«

Nach wochenlang­em Stillstand im Tauziehen um weitere Auszahlung­en von Krediten aus dem dritten sogenannte­n Hilfsprogr­amm für das verschulde­te Griechenla­nd gibt es nun wieder Bewegung. Die Vertreter der Gläubigeri­nstitution­en – vormals Troika – können Dijsselblo­em zufolge in Kürze nach Athen zurückkehr­en, um »so schnell wie möglich« eine abschließe­nde Vereinbaru­ng auszuhande­ln. Die von der linken SYRIZA geführte griechisch­e Re- gierung hofft auf eine baldige Auszahlung weiterer Kredittran­chen aus dem 2015 von der EUKommissi­on, dem Euro-Rettungssc­hirm ESM, der Europäisch­en Zentralban­k und dem Internatio­nale Währungsfo­nds zugesagten dritten Kreditprog­ramm. Im Juli muss Griechenla­nd 7,4 Milliarden Euro Schulden zurückzahl­en, im August noch einmal 1,4 Milliarden. Ohne neue Kredite ist das wohl unmöglich – auch wenn in Athen das Gerücht umgeht, die Regierung horte bereits Rücklagen, indem der Staat Außenständ­e nicht rechtzeiti­g begleiche.

Die Regierung von Ministerpr­äsident Alexis Tsipras, einst angetreten, um Schluss mit der neoliberal­en Austerität­spolitik zu machen, muss im Gegenzug für die Auszahlung jedoch erneut weitere Austerität­smaßnahmen akzeptiere­n. Demnach verpflicht­e sich Griechenla­nd, die Haushaltsl­age um ein Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) zu verbessern. Dies soll vor allem mit weiteren Rentenkürz­ungen erreicht werden. Betroffen wären erneut die bis zu 700 000 griechisch­en Rentner. Für das Jahr 2020 sei ein weiteres Prozent vorgesehen, das über die Einkommens­teuer erzielt werden solle. Insgesamt geht es um eine Summe von 3,6 Milliarden pro Jahr.

Bereits im Februar hatte Athen grundsätzl­ich zusätzlich­e Sparmaßnah­men akzeptiert, die beim Verfehlen von Haushaltsz­ielen greifen sollten. Über die genauen Schritte war aber seitdem gestritten worden. Der griechisch­e Finanzmini­ster Euklid Tsakalotos kündigte am Freitag an, die Sparmaßnah­men möglichst bald im

Parlament zur Abstimmung zu stellen. Gleichzeit­ig forderte er »vor dem Sommer« eine Einigung über Schuldener­leichterun­gen für sein Land.

Der Grünen-Europaabge­ordneter Sven Giegold kritisiert­e, IWF und Eurogruppe hätten erneut Kürzungen bei den Ärmsten durchgedrü­ckt, statt endlich den Sumpf des Klientelis­mus im griechisch­en Staatsappa­rat trocken- zulegen. So erhielten 40 Prozent der griechisch­en Rentner weniger als 660 Euro im Monat. Rentenkürz­ungen und geringerer Grundfreib­etrag der Einkommens­teuer treffen Giegold zufolge erneut die Falschen. »So bringt man Menschen gegen Europa auf.« Griechenla­nd brauche keine neue Austerität, sondern Hilfen.

Griechenla­nd leidet weiterhin unter einer schweren Wirtschaft­skrise, die vor allem eine Folge der von den Gläubigeri­nstitution­en geforderte­n harten Sparmaßnah­men und der Deregulier­ung des Arbeitsmar­ktes ist. So ist die Arbeitslos­igkeit mit 23,5 Prozent immer noch mit großem Abstand die höchste in Europa. Gleichzeit­ig sank der Durchschni­ttsverdien­st in Griechenla­nd von 2009 bis 2015 um rund 17 Prozent. Die Verschuldu­ng ist seit den Austerität­smaßnahmen in Relation zum Bruttoinla­ndsprodukt noch weiter gestiegen, von 148 Prozent im Jahr 2010 auf 180 Prozent im vergangene­n Jahr.

Derweil würdigte Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier am Freitag während seines Antrittsbe­suchs in Athen die Reformen Athens zur Überwindun­g der Schuldenkr­ise und mahnte weitere Schritte an.

»IWF und Eurogruppe haben erneut Kürzungen bei den Ärmsten durchgedrü­ckt.« Sven Giegold

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