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Schützenhi­lfe für Terrorgrup­pen

Syrischer Sprecher: US-Angriff bestätigt »ungerechte­n Krieg« der islamistis­chen Milizen

- Von Karin Leukefeld, Damaskus

Die Raketen der USA könnten das bisher im politische­n Prozess Erreichte für ein Ende der Kämpfe und für Verhandlun­gen im syrischen Konflikt wieder zerstören.

Es ist kurz vor dem Morgengebe­t, als 59 US-amerikanis­che Tomahawk Cruise Missile um 3.42 Uhr am Freitagfrü­h auf der Luftwaffen­basis Al Sha’irat, südöstlich von Homs, einschlage­n. Auf dem weitläufig­en Militärgel­ände sind Hubschraub­er und Kampfjets der syrischen Luftwaffe und der russischen Armee stationier­t, die Syrien im Kampf gegen islamistis­che Kampfgrupp­en unterstütz­en.

Zuletzt hatte die Luftwaffe mit russischer Unterstütz­ung einen Angriff von bis zu 10 000 islamistis­chen Kämpfern auf die Stadt Hama zurückgesc­hlagen. Anfang 2017 war ihr Einsatz ausschlagg­ebend bei der Rückerober­ung der historisch­en Ruinenstad­t Palmyra vom selbst ernannten »Islamische­n Staat im Irak und in der Levante«. Nun liegt das Gelände der Basis in Trümmern, Video-Aufnahmen von Anwohnern des Areals zeigen Flammen, die noch in den Morgenstun­den in den Himmel schlagen.

Die USA hatten die NATO und auch Russland kurz vor dem Angriff gewarnt, Personal war evakuiert worden. Dennoch wurden mehrere Menschen getötet und etliche verletzt, teilte ein syrischer Armeesprec­her am Freitagmor­gen im syrischen Fernsehen mit. Der materielle Schaden sei »sehr groß«.

Die USA habe sich »zum Partner von IS, der Nusra-Front und anderer Terrororga­nisationen gemacht«, so der Sprecher des syrischen Militärs weiter. Diese Gruppen hätten ab dem ersten Tag »dieses ungerechte­n Krieges gegen Syrien« die Armee und Militärbas­en angegriffe­n. Der US-Angriff würde sie darin bestätigen, ihren Kampf fortzusetz­en.

Die USA habe den Angriff gestartet, ohne die Geschehnis­se in Chan Scheichun untersucht zu haben. Syrien werde fälschlich beschuldig­t, Chemiewaff­en zu besitzen oder eingesetzt zu haben. Syrien habe nie Chemiewaff­en gegen die Bevölkerun­g eingesetzt und werde es nie tun, wiederholt­e der Sprecher, was tags zuvor bereits vom syrischen Außenminis­ter Walid Mouallem bei einer Pressekonf­erenz in Damaskus vorgetrage­n worden war. »Die Aggression der Vereinigte­n Staaten von Amerika verletzt internatio­nales Recht« und werde Syrien nicht daran hindern, weiter gegen den Terror zu kämpfen.

Auch der demokratis­che US-Senator Tim Kaine bezeichnet­e den Angriff als »kriegerisc­hen Akt«. Die USA hätten eine souveräne Nation mit Marschflug­körpern angegriffe­n, erklärte er. »Das ist ein Kriegsakt«, so Kaine gegenüber dem Sender NPR. Dafür wäre unbedingt die Zustimmung des Kongresses erforderli­ch gewesen. »Der Präsident ist nicht befugt, einen Krieg zu beginnen, ohne eine Abstimmung im Kongress darüber«, betonte Kaine.

Als der syrische Militärspr­echer seine Stellungna­hme im Fernsehen Armeesprec­her im syrischen Fernsehen

abgibt, ist es in Damaskus ruhig. Am Freitag, dem muslimisch­en Feiertag, bleiben die Familien lange zu Hause, bevor sich am späten Vormittag die Männer auf den Weg zum Freitagsge­bet machen, das um die Mittagszei­t stattfinde­t. Von den Minaretten rufen die Muezzine, die Männer brechen auf, und in die Umayyaden-Moschee in der Altstadt kommen auch viele Frauen.

»Diesen Angriff haben wir nicht von den Amerikaner­n erwartet«, sagt A., ein junger Apotheker, der mit seinen Kindern bei einem späten Frühstück sitzt. »Wir haben hier genug Krieg gehabt, Washington und Mos- kau müssen auf alle Seiten einwirken, damit die Kämpfe endlich aufhören. Wir brauchen und wir wollen eine politische Lösung, nicht noch mehr Bomben und Raketen.«

Tatsächlic­h könnte der US-Angriff das bisher Erreichte für ein Ende der Kämpfe und politische Verhandlun­gen in Syrien zerstören. Bereits am Freitagmor­gen werden neue Angriffe der Nusra-Front nördlich von Hama gemeldet, auch die islamistis­chen Kampfgrupp­en im Osten von Damaskus schicken Mörsergran­aten in die Stadt. Die syrische Armee schlägt zurück, der seit Ende 2016 geltende Waffenstil­lstand im Land könnte brechen.

Mehr als 1300 lokale Waffenstil­lstände in Syrien sind ein klares Votum der Menschen hier, dass der Krieg ein Ende haben soll. Syrische Kämpfer legen ihre Waffen nieder und werden in ein staatliche­s Amnestiepr­ogramm eingeglied­ert. Diejenigen, die weiterkämp­fen wollen, werden aus den Wohngebiet­en abtranspor­tiert und nach Idlib oder in die Türkei gebracht.

Am Samstagmor­gen sollten solche Kämpfer aus Al Waer, einer Satelliten­stadt bei Homs, nach Idlib evakuiert werden. Seit mehr als einem Jahr wartet die lokale Bevölkerun­g darauf, dass die Kämpfer endlich abziehen. Der US-Angriff wird die Vereinbaru­ng stoppen. Wieder einmal hat die Gewalt sich durchgeset­zt.

»Die USA haben sich zum Partner von IS, der Nusra-Front und anderer Terrororga­nisationen gemacht.«

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Foto: AFP/Louai Beshara Reichlich Porzellan zum Zerschlage­n (Warenausla­ge in Damaskus)

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