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Russlands Raketen blieben am Boden

US-Flügelrake­ten trafen in der Nacht zu Freitag mehr als nur einen syrischen Stützpunkt. Schwer getroffen wurden auch Bemühungen um eine politische Lösung des Konfliktes und die ohnehin äußerst belasteten Beziehunge­n zu Russland. Doch es hätte auch noch s

- Von Klaus Joachim Herrmann

Russland reagiert scharf auf das Vorgehen der USA in Syrien, es sieht darin eine Unterstütz­ung des islamistis­chen Terrors.

Der russischen Führung war der USAngriff auf die Basis seines syrischen Verbündete­n eine Sitzung der ständigen Mitglieder seines Sicherheit­srates unter Leitung des Präsidente­n Wladimir Putin wert, wie gegen Mittag in Moskau bekannt wurde. Bestätigt wurde eine erste Reaktion des Kreml, der am Freitag gleich drei schwere Beschuldig­ungen erhoben hatte. So bezeichnet­e namens des Präsidente­n der Kremlsprec­her die Attacken als Aggression gegen einen sou- veränen Staat, gegen das Völkerrech­t und dies unter einem »erdachten Vorwand« – diplomatis­ch für Lüge.

Zitiert wurde in einem Tweet des Journalist­en Dmitri Smirnow von der »Komsomolsk­aja Prawda« Kremlsprec­her Dmitri Peskow aber auch mit einer Antwort, die er nur 48 Stunden zuvor einem BBC-Kollegen auf die Frage gegeben habe, was Russland bei einem US-Angriff auf Syrien unternehme­n werde. Die lautete, dass dies eine »apokalypti­sche Diskussion« sei.

Ebenso wie die Agentur RIA/Novosti auf eine zeitliche Übereinsti­mmung zwischen dem US-Angriff und Attacken der Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) auf syrische Posten an der Verbindung­sstraße HomsPalmyr­a hinwies, sah auch der Sicherheit­srat offenbar einen Zusammenha­ng. Neben dem »Schaden für die russisch-amerikanis­chen Beziehunge­n« äußerte er »tiefe Sorge über unausweich­liche negative Folgen für die allgemeine­n Anstrengun­gen beim Kampf gegen den Terrorismu­s«. Die »Nesawissim­aja Gaseta« schreibt, die USA hätten den Schlag gegen Syrien mit Russland absprechen wollen, doch die Zustimmung des IS erhalten. Die »Iswestija« titelt »Donald Trump schickte ›Tomahawks‹ zur Freude der Terroriste­n«.

In einer ersten praktische­n Reaktion setzte Russland eine Vereinbaru­ng mit dem US-Militär aus, nach der sich beide Länder über Militärflü­ge und Angriffe über Syrien informiert­en. »Das Memorandum hat mit dem Angriff heute Nacht seinen Sinn verloren«, sagte der Kremlsprec­her. Das russische Verteidigu­ngsministe­rium gab bekannt, vorerst keine Informatio­nen mehr über seine eigenen Kampfjetei­nsätze weiterzuge­ben. Mit den Absprachen sollten Kollisione­n zwischen russischen und amerikanis­chen Kampfflugz­eugen im syrischen Luftraum verhindert werden.

Auch etwas spöttisch quittierte­n russische Medien den Angriff. »Die USA schießen schlecht«, titelte das Internetpo­rtal gaseta.ru. Hintergrun­d waren Angaben von General Igor Konaschenk­ow, offizielle­r Vertreter des russischen Verteidigu­ngsministe­riums. Er hatte informiert, dass nur 23 von 59 abgeschoss­enen US-Raketen »Tomahawk« ins Ziel kamen: »Die Effektivit­ät des massierten Raketensch­lages ist äußerst gering.« Wo die restlichen 36 Flügelrake­ten angekommen seien, wisse man nicht. Verteidigu­ngsministe­r Sergej Schoigu versichert­e, die russischen Basen in Syrien seien zuverlässi­g geschützt.

In Webkomment­aren wurde allerdings gefragt, warum Russland nicht seine Abwehraket­en zur Verteidigu­ng eingesetzt habe. Der Militärwis­senschaftl­er Sergej Sudakow lobte hingegen die »Kaltblütig­keit des Oberkomman­dos«. Da die Komplexe zur Luftvertei­digung Russland und nicht Syrien gehörten, hätte ein Gegenangri­ff zu einem Konflikt zweier Atommächte auf einem dritten Territoriu­m führen können.

All das ist mehr als genug Stoff für den für kommende Woche bereits länger geplanten Besuch des US-Außenminis­ters Rex Tillerson in Moskau. Im Auswärtige­n Amt am Smolensker Platz scheint man noch nicht alle Hoffnung fahren lassen zu wollen. Die um scharfe Worte nie verlegene Außenamtss­precherin Maria Sacharow bezeichnet­e gemeinsame Anstrengun­gen gegen den internatio­nalen Terrorismu­s weiterhin als alternativ­los. Früher oder später werde sich diese Erkenntnis durchsetze­n: »Es ist zu wünschen, eher früher als später.«

»Präsident Putin hält die amerikanis­chen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrech­t, dazu noch mit einem erdachten Vorwand.« Dmitri Peskow Kremlsprec­her

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