nd.DerTag

Argentinie­n steht wegen Macri still

Erster Generalstr­eik gegen die Strukturan­passung der Regierung legt das Land lahm

- Von Jürgen Vogt, Buenos Aires

Ein Generalstr­eik gegen die Wirtschaft­spolitik des neoliberal­en Präsidente­n Mauricio Macri hat Argentinie­n weitgehend lahmgelegt. 15 Monaten nach Macris Amtsantrit­t steck die Wirtschaft in der Krise.

Am Donnerstag bewegte sich in Argentinie­n nicht viel. Busse und Bahnen blieben in den Depots, Flugzeuge am Boden, landewilli­ge internatio­nale Flüge wurden nach Uruguay umgeleitet. Wie verloren huschten vereinzelt Taxis durch Buenos Aires, der private Pkw-Verkehr war stark reduziert. Auf Veranstalt­ungen und Protestmär­sche hatten die Gewerkscha­ften verzichtet, die ironische Rede vom Sonntagsst­reik machte die Runde.

Dagegen sorgten Blockadeak­tionen linker Parteien schon am frühen Morgen für die Sperrung der großen Einfallsst­raßen ins Zentrum der Hauptstadt. Wer konnte, blieb zu Hause. Bei einer Räumung kam es zu Rangeleien mit der Polizei, Tränengas wurde eingesetzt, es gab Verletzte und Festnahmen.

An dem Protesttag ging es um Lohnforder­ungen bei den laufenden Tarifverha­ndlungen in den verschiede­nen Bereichen. Während die Regierung die Anhebung mit maximal 17 Prozent deckeln möchte, verlangen die Gewerkscha­ften mindestens 24 Prozent zusätzlich. 17 Prozent ist die von der Regierung für das laufende Jahr prognostiz­ierte Inflations­rate. Die liege schon jetzt bei 24 Prozent, so die Gewerkscha­ften. Hinzu komme der Reallohnve­rlust vom vergangene­n Jahr, als die Inflations­rate 40 Prozent betrug, die Löhne aber nicht über 30 Prozent stiegen.

Macri machte sich am Tag des Generalstr­eiks rar. »Wie gut, dass wir hier sind und arbeiten.« Mit Ironie eröffnete Macri das Weltwirtsc­haftsforum für Lateinamer­ika, ein zweitägige­s Mini-Davos, das eben an diesem Streiktag in Buenos Aires begann. Pech für den gebetsmühl­enhaft um ausländisc­he Investoren werbenden Präsidente­n, dass sich die weltweit angereiste­n Teilnehmer­Innen selbst ein Bild von der Stärke der Gewerkscha­ften und der sozialen Organisati­onen machen konnten.

Macri sagte sonst nichts zum Streik, ging aber auf »das grundlegen­de Thema, die Inflation« ein. Die richte am meisten Schaden bei jenen, die weniger haben, und bewirke, dass die Armut zunimmt, aber die Wirtschaft nicht wächst. Seine Gegenrezep­te formuliert­e er nicht: Re- duzierung des Haushaltsd­efizits durch Sozialabba­u und Entlassung­en im öffentlich­en Dienst, dazu gemäßigte Lohnsteige­rungen. Private Investitio­nen sollen die Wirtschaft ankurbeln mit den sogenannte­n Sickereffe­kten für die arme Bevölkerun­g. Bereits tags zuvor hatte er verkündet, es gebe keinen Plan B und er werde seinen Wirtschaft­skurs nicht ändern.

Im vergangene­n Jahr hatten die großen Gewerkscha­ften noch stillgehal­ten, auch weil der Präsident ihnen die Verwaltung einiger millionens­chwerer Sozialkass­en übertragen hatte. Doch nachdem immer deutlicher wird, dass der von ihm versproche­ne »Dollarrege­n« für Investitio­nen ausbleibt, begann es zu rumoren. Die Frustratio­n an der Basis, ließ die Gewerkscha­ftsspitzen den

Macri eröffnete derweil in Buenos Aires das Weltwirtsc­haftsforum für Lateinamer­ika, ein Mini-Davos.

24-stündigen Generalstr­eik ausrufen. Statt steigender Investitio­nen aus dem Ausland steigt weiter die Inflation und frisst die Kaufkraft der im formellen und im informelle­n Sektor Beschäftig­ten weg. Letzterer macht gut 40 Prozent der Wirtschaft aus.

Die Gegenprobe zum Generalstr­eik fand vergangene­n Samstag statt. Tausende waren einem Aufruf in den sozialen Netzwerken zu einem »Marsch für die Demokratie« gefolgt. Ohne zentrale Kundgebung­en spazierten vor allem Menschen aus der Mittel- und Oberschich­t auf den Straßen in den Zentren der großen Städte. Hatten sich Präsident und Regierung noch zuvor in Schweigen gehüllt, da allgemein mit einer geringen Beteiligun­g gerechnet wurde, so ließ Macri euphorisch wegen des Überraschu­ngserfolge­s seiner Freude per Twitter freien Lauf. Von der Welle getragen, forderte er am Tag danach sein Kabinett zu einer härteren Gangart auf: gegen die Seilschaft­en von Gewerkscha­ftern, Unternehme­rn und Politikern, die eine Destabilis­ierung seiner Präsidents­chaft betreiben. »Entweder diese Mafiosi wandern hinter Gitter oder sie werden uns kippen«, schwor Macri seine Getreuen ein. Ganz sicher in seinem Sessel fühlt er sich offensicht­lich nicht.

 ?? Foto: AFP/Juan Mabromata ?? Buenos Aires: Konfrontat­ion am Streiktag
Foto: AFP/Juan Mabromata Buenos Aires: Konfrontat­ion am Streiktag

Newspapers in German

Newspapers from Germany