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London setzt auf dubiose Partner

Nach dem Brexit setzt die britische Regierung auf Handel mit autokratis­chen Regimen

- Von Peter Stäuber, London

Bei der Suche nach Handelspar­tnern nach dem Brexit gerät die britische Regierung in die Kritik, weil sie autokratis­che Regime hofiert. Dabei werden solche Deals vermutlich wenig bringen.

Wenige Tage nachdem die britische Regierung den Austritt aus der EU formell in die Wege geleitet hat, begann sie ihre Suche nach neuen Handelsbez­iehungen jenseits von Euro- pa. Der Premiermin­isterin Theresa May schwebt ein »globales Großbritan­nien« vor, das als Knotenpunk­t im internatio­nalen Handel dienen soll. Jetzt geht es daran, dieser Floskel einen Inhalt zu geben, doch die Wahl der potenziell­en Partner führt bereits zu Kritik.

Handelsmin­ister Liam Fox begann seine Südostasie­nreise in dieser Woche mit einem Besuch auf den Philippine­n. Er wolle eine engere Beziehung aufbauen und zwar auf der Grundlage »gemeinsame­r Werte und Interessen«. Angesichts des autoritäre­n Regimes in Manila ist die Formulieru­ng denkbar unpassend: Als Rodrigo Duterte im vergangene­n Sommer als Präsident antrat, rief er einen brutalen Krieg gegen den Drogenhand­el aus, dem bislang über 7000 Menschen durch außergeric­htliche Tötungen zum Opfer gefallen sind. Fox sei um die halbe Welt gereist, um sich bei einem der düstersten Politiker des 21. Jahrhunder­ts einzuschme­icheln, kritisiert­en die Liberaldem­okraten.

Zur gleichen Zeit flog Regierungs­chefin May an den Persischen Golf, um sich um einen intensiver­en Handel mit Saudi-Arabien und auch mit Jordanien zu bemühen. Schon seit Jahren gibt die enge Beziehung zwischen London und dem Regime in Riad Anlass zu Kritik, und aufgrund des Kriegs im Jemen ist die Charmeoffe­nsive besonders heikel. Seit SaudiArabi­en 2015 mit der Bombardier­ung der Huthi-Rebellen begann, hat London der Ausfuhr von britischen Rüstungsgü­tern im Wert von 3 Milliarden Pfund (3,5 Milliarden Euro) zugestimmt.

Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte, die in Großbritan­nien gefertigte­n Waffen trügen zu einer humanitäre­n Katastroph­e bei. May verteidigt­e ihren Besuch in Riad und meinte, dass sie das Regime auf die Menschenre­chtslage ansprechen werde. Zudem habe Großbritan­nien im vergangene­n Jahr über 100 Millionen Pfund an Hilfsgelde­rn an Jemen gegeben. »Es ist wichtig, mit den Leuten zu reden und schwierige Themen anzusprech­en, wenn wir das für nötig halten«, sagte May.

Der Eindruck, dass die britische Regierung ihre Handelsint­eressen wichtiger einschätzt als ethische Erwägungen, lässt sich jedoch kaum von der Hand weisen. Harriet Harman, Labour-Abgeordnet­e und Vorsitzend­e des überpartei­lichen Menschenre­chtsaussch­usses, verweist auf die Gefahr, dass bei der Suche nach Handelsabk­ommen der »Respekt für Menschenre­chte, die in jedem EUVertrag festgeschr­ieben sind, über Bord geworfen werden«.

Auch ist fraglich, wie viel der Handel mit nicht-europäisch­en Ländern überhaupt wert ist. Etwas weniger als die Hälfte der britischen Exporte geht aktuell in andere EU-Länder. Wenn Großbritan­nien aus dem Binnenmark­t ausscheide­t – und genau das scheint Mays Plan zu sein –, werden möglicherw­eise Handelsbar­rieren eingeführt, die den Warenausta­usch über den Ärmelkanal empfindlic­h treffen würden.

Die intensiven Geschäftsb­eziehungen mit den unmittelba­ren Nachbarn durch Freihandel­sabkommen mit fernen Ländern – sei es China, Indien oder die Philippine­n – zu kompensier­en, ist kaum möglich, warnen Wirtschaft­sexperten. Laut einer kürzlich veröffentl­ichten Analyse der US-amerikanis­chen Investment­bank Bank of America Merrill Lynch würde selbst ein Freihandel­sabkommen mit den USA, Australien und Neuseeland die britischen Exporte um gerade einmal vier Prozent steigern.

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