London setzt auf dubiose Partner
Nach dem Brexit setzt die britische Regierung auf Handel mit autokratischen Regimen
Bei der Suche nach Handelspartnern nach dem Brexit gerät die britische Regierung in die Kritik, weil sie autokratische Regime hofiert. Dabei werden solche Deals vermutlich wenig bringen.
Wenige Tage nachdem die britische Regierung den Austritt aus der EU formell in die Wege geleitet hat, begann sie ihre Suche nach neuen Handelsbeziehungen jenseits von Euro- pa. Der Premierministerin Theresa May schwebt ein »globales Großbritannien« vor, das als Knotenpunkt im internationalen Handel dienen soll. Jetzt geht es daran, dieser Floskel einen Inhalt zu geben, doch die Wahl der potenziellen Partner führt bereits zu Kritik.
Handelsminister Liam Fox begann seine Südostasienreise in dieser Woche mit einem Besuch auf den Philippinen. Er wolle eine engere Beziehung aufbauen und zwar auf der Grundlage »gemeinsamer Werte und Interessen«. Angesichts des autoritären Regimes in Manila ist die Formulierung denkbar unpassend: Als Rodrigo Duterte im vergangenen Sommer als Präsident antrat, rief er einen brutalen Krieg gegen den Drogenhandel aus, dem bislang über 7000 Menschen durch außergerichtliche Tötungen zum Opfer gefallen sind. Fox sei um die halbe Welt gereist, um sich bei einem der düstersten Politiker des 21. Jahrhunderts einzuschmeicheln, kritisierten die Liberaldemokraten.
Zur gleichen Zeit flog Regierungschefin May an den Persischen Golf, um sich um einen intensiveren Handel mit Saudi-Arabien und auch mit Jordanien zu bemühen. Schon seit Jahren gibt die enge Beziehung zwischen London und dem Regime in Riad Anlass zu Kritik, und aufgrund des Kriegs im Jemen ist die Charmeoffensive besonders heikel. Seit SaudiArabien 2015 mit der Bombardierung der Huthi-Rebellen begann, hat London der Ausfuhr von britischen Rüstungsgütern im Wert von 3 Milliarden Pfund (3,5 Milliarden Euro) zugestimmt.
Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte, die in Großbritannien gefertigten Waffen trügen zu einer humanitären Katastrophe bei. May verteidigte ihren Besuch in Riad und meinte, dass sie das Regime auf die Menschenrechtslage ansprechen werde. Zudem habe Großbritannien im vergangenen Jahr über 100 Millionen Pfund an Hilfsgeldern an Jemen gegeben. »Es ist wichtig, mit den Leuten zu reden und schwierige Themen anzusprechen, wenn wir das für nötig halten«, sagte May.
Der Eindruck, dass die britische Regierung ihre Handelsinteressen wichtiger einschätzt als ethische Erwägungen, lässt sich jedoch kaum von der Hand weisen. Harriet Harman, Labour-Abgeordnete und Vorsitzende des überparteilichen Menschenrechtsausschusses, verweist auf die Gefahr, dass bei der Suche nach Handelsabkommen der »Respekt für Menschenrechte, die in jedem EUVertrag festgeschrieben sind, über Bord geworfen werden«.
Auch ist fraglich, wie viel der Handel mit nicht-europäischen Ländern überhaupt wert ist. Etwas weniger als die Hälfte der britischen Exporte geht aktuell in andere EU-Länder. Wenn Großbritannien aus dem Binnenmarkt ausscheidet – und genau das scheint Mays Plan zu sein –, werden möglicherweise Handelsbarrieren eingeführt, die den Warenaustausch über den Ärmelkanal empfindlich treffen würden.
Die intensiven Geschäftsbeziehungen mit den unmittelbaren Nachbarn durch Freihandelsabkommen mit fernen Ländern – sei es China, Indien oder die Philippinen – zu kompensieren, ist kaum möglich, warnen Wirtschaftsexperten. Laut einer kürzlich veröffentlichten Analyse der US-amerikanischen Investmentbank Bank of America Merrill Lynch würde selbst ein Freihandelsabkommen mit den USA, Australien und Neuseeland die britischen Exporte um gerade einmal vier Prozent steigern.