Finanzportale locken Sparer ins EU-Ausland
Experten warnen vor höherem Risiko
Weil es fast keine Zinsen mehr beim klassischen Sparbuch gibt, suchen Anleger online nach Alternativen. Doch manch ein verlockendes Angebot birgt Risiken.
Stuttgart. In Zeiten niedriger Zinsen wirken manche Web-Angebote fast wie eine Fata Morgana. Für ein Jahr Festgeld versprechen Finanzportale 0,9, 1,35 Prozent oder manchmal sogar 1,6 Prozent Zinsen. Zum Vergleich: Bei deutschen Banken und Sparkassen bekommt man derzeit nur wenige Zehntel- prozent oder manchmal sogar nur 0,05 Prozent. Besagte Internetportale vermitteln Anlagen bei Banken in Portugal, Großbritannien, Rumänien, Bulgarien oder Kroatien. Die Nischenbranche sieht sich dank Niedrigzinsphase im Aufwind. Mancher Finanzexperte sieht die Angebote allerdings kritisch.
Ein Portal verspricht mit Verweis auf das EU-Recht, dass die Alternative zum Sparbuch zu »100 Prozent abgesichert« sei. Tatsächlich gibt es EU-Vorgaben, die den Mitgliedstaaten ein nationales Sicherungssystem vorschreiben: Jeder Staat muss dafür sorgen, dass Spareinlagen bis zu 100 000 Euro im Fall einer Bankenpleite aus einem separaten Topf erstattet werden. Guthaben ober- halb 100 000 Euro wären außen vor. Sie würden wenn nötig zur Bankenrettung mit herangezogen.
Sind also Guthaben deutscher Sparer in anderen EU-Staaten wegen der dortigen nationalen Sicherungssysteme absolut sicher? Nein, sagt Hans-Peter Burghof, BWL-Professor an der Universität Hohenheim. Natürlich sei da ein Risiko drin. »Am Kapitalmarkt bekommt man nichts geschenkt – wenn die Zinsen so viel höher sind, dann liegt das am höheren Risiko.« In Sicherungstöpfen anderer EU-Staaten sei »viel zu wenig drin, um eine nationale Bankenkrise durchzustehen«, meint der Experte.
Reiche das nicht aus, müsse die EU eingreifen. »Das hat bei der Bankenkrise in Zypern 2013 geklappt – aber ist dieser politische Wille zukünftig wirklich noch da, um mit EU-Geldern ein nationales Problem zu entschärfen?«, fragt Burghof. Nationalistische Strömungen in Frankreich oder der Brexit verdeutlichten, dass der Wille zur gemeinsamen Rettung und Aufnahme finanzieller Lasten nachlasse. »Zu sagen, das Geld in Bulgarien, Portugal oder Rumänien ist sicher, ist nicht seriös«, sagt Burghof. Eine Anlage bei einer Bank eines anderen EU-Staats könne zwar gutgehen. »Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es schiefgeht, ist ebenfalls da.«
Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg äußert sich ebenfalls kritisch. Im Fall einer Bankenkrise hänge die Rettung von Spareinlagen vom politischen Willen ab, es gebe also durchaus Unsicherheit, sagt Nauhauser. Verbraucher sollten sich solcher Risiken bewusst sein.