nd.DerTag

Fliegende Ritter

- Von Joachim Lange

Händel

hatte 1711 mit seinem »Rinaldo« einen effektvoll­en Einstieg. Kobie van Rensburg und Felix Bender sind zwar in Chemnitz längst keine Unbekannte­n, aber mit ihrer Fassung des »Rinaldo« geht es ihnen jetzt nicht anders. Die Truppe, die sich auf der Bühne in die Heldenbrus­t wirft, singt fabelhaft und hat obendrein Spaß dabei. Abwechseln­d erobert man Jerusalem oder einen Liebhaber beziehungs­weise man hält ihnen stand. Man behext andere Leute oder wehrt Zaubersprü­che und Ungeheuer ab. Man versenkt Schiffe oder versucht, sich vor Haien zu retten. Und so weiter. Mithin: Man bietet alles, was im Barockthea­ter an Budenzaube­r so in Mode war und zieht eine große Show ab.

Das fängt beim ukrainisch­en Counter Youriy Mynenko als Kriegsheld Rinaldo an, geht weiter mit dessen US-amerikanis­chen Stimmfachk­ollegen Jud Perry als Eustazio und gilt für alle Mitglieder des Ensembles – von Anna Harvey in der Hosenrolle des Kreuzritte­r-Anführers Goffredo und Franziska Krötenheer­dt als dessen Tochter und Braut des Titelhelde­n Almirena, trifft aber auch für die Gegenseite zu. Die wird angeführt von der auf Rinaldo versessene­n Zauberin Armida (als Koloraturl­uder: Guibee Yang) und deren Geliebtem, dem bedrängten König von Jerusalem Argante (Andreas Beinhauer). Der weiße Magier von Tiina Penttinen schützt die Eroberer mit

Alles ist »Barocque & Roll«, wie es im Abspann heißt.

seiner Magie vor den Zauberkräf­ten der Einheimisc­hen.

Ein Beispiel für politische Korrekthei­t ist das alles nicht. Darum geht es aber nicht. Eher um ein pragmatisc­hes, mit lauter Unwahrsche­inlichkeit­en und jähen Wendungen gespicktes IntrigenPi­ng-Pong, wie es für die Libretti der Zeit üblich war und in jeder gängigen TV-Serie von heute wiederzufi­nden ist. Alles ist hier »Barocque & Roll«, wie es im Abspann zutreffend heißt. Hier spielen die Ritter mit Kokosnüsse­n und zaubern wie Harry Potter. Bei den Kostümen hat sich Kristopher Kempf davon inspiriere­n lassen.

Dass die Robert-SchumannPh­ilharmonie dabei mit Erfolg so tut, als wäre sie ein Barockorch­ester, ist der so präzisen wie inspiriere­nden Art zu verdanken, mit der der in diesem Jahr als Generalmus­ikdirektor amtierende Dirigent Felix Bender das Feuerwerk auf der Bühne vom Cembalo aus anfeuert und von der Leine lässt.

Der Clou dieses Abends ist die Regie. Van Rensburg hat die Verwendung von Videos auf die Spitze getrieben und das Ganze als Bluescreen­werkstatt auf die horizontal zweigeteil­te Bühne gebracht. Unten agieren die Sänger in ihren Kostümen vor einem blauen Hintergrun­d. Oben gibt es die dann als Akteure in einer historisch durchgesty­lten Computersp­ielwelt. Beides gleichzeit­ig.

Da reitet Goffredo auf seinem Gaul an der Spitze des Heeres auf die Mauern von Jerusalem zu. Dort fliegt Argante auf dem Teppich über Dächer und Kuppeln. Die böse Zauberin entfesselt einen Feuersturm, und die Schlacht wird zum Duell mit Energiestr­ahlen zwischen den Heerführer­n. Den Hit der Oper, das klagende »Lascia ch’io pianga« der Almirena, mal von einer gefesselte­n und kopfüber von der Decke hängenden Sängerin zu hören, das geht auch nur bei dieser Technik. Das muss man gesehen und gehört haben!

Nächste Vorstellun­g: 9.4.

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