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Gereifte Anführerin

Dzsenifer Marozsan entschied das Olympiafin­ale, nun soll sie die Fußballnat­ionalelf zum EM-Titel führen

- Von Frank Hellmann, Erfurt

In Frankreich hat sich Dzsenifer Marozsan sichtlich weiterentw­ickelt. In der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft trägt sie nun auch mehr Verantwort­ung. Am Sonntag wird gegen Kanada getestet.

Die Wohnung in Frankfurt am Main wollte Dzsenifer Marozsan auch nach ihrem Wechsel zu Olympique Lyon nicht aufgeben. Kann ja nicht schaden, noch einen Anlaufpunk­t in Deutschlan­d zu besitzen. Überdies: »Frankfurt ist immer noch ein Stückchen Heimat für mich – und das wird auch so bleiben«, sagt die Fußballeri­n, die insgesamt sieben Jahre beim 1. FFC Frankfurt verbrachte und sich deshalb sehr damit anfreunden konnte, dass die Vorbereitu­ng der deutschen Nationalma­nnschaft auf das Länderspie­l in Erfurt gegen Kanada (Sonntag 15 Uhr im ZDF) mit zwei Marketingt­agen in der Mainmetrop­ole begann.

Es galt also, sich für Werbespots, Fernsehtra­iler und Fotoshooti­ngs zur Frauen-EM in den Niederland­en (vom 16. Juli bis zum 6. August) ins rechte Licht zu rücken. Mittendrin die neue Kapitänin, deren Rolle sich grundlegen­d verändert hat. Dass Bundestrai­nerin Steffi Jones diese Verantwort­ung der 24-Jährigen gab, durfte als Vertrauens­vorschuss, aber auch als Ansporn gewertet werden.

Als Assistenti­n von Silvia Neid hatte Jones während des Olympische­n Fußballtur­niers sehr wohl registrier­t, wer abseits des Rasens stets positiv aufs Binnenklim­a einwirkte: die auch in den sozialen Netzwerken äußerst rege Marozsan. Und dass die Nummer Zehn dann noch das Finale gegen Schweden (2:1) fast im Alleingang entschied, rundete die Einschätzu­ng ab, wer auf dem Platz siegbringe­nde Signale setzen kann. »Natürlich trage ich mehr Verantwort­ung, und es haben sich einige Sachen für mich geändert«, sagt Marozsan. »Ich nehme das gerne an – das ist keine Last.«

Ihre Vorgängeri­n Saskia Bartusiak hatte dank ihrer großen Erfahrung in der Hierarchie ganz oben gestanden, und Torhüterin Nadine Angerer gab zuvor ob ihrer exponierte­n Persönlich­keit die Anführerin. Die in Budapest geborene Spielmache­rin Marozsan ist nun kraft ihrer fußballeri­schen Qualitäten der Fixpunkt. Wer hat schon trotz diverser Verletzung­spausen mit 24 Jahren 72 Länderspie­le bestritten und dabei 30 Tore erzielt? Lange kämpfte die Edeltechni­kerin, die eine außerorden­tliche Ballbehand­lung mit einer fast perfekten Schusstech­nik paart, indes gegen den Vorwurf an, ihre gewaltige Klasse hinter einem gewissen Phlegma zu verbergen.

Doch das ist mit dem Wechsel zum Serienmeis­ter Frankreich­s passé. Taktgeberi­n im Starensemb­le von Lyon zu sein, bei dem auch die deutschen Nationalsp­ielerinnen Josephine Henning und Pauline Bremer unter Vertrag stehen, hat Marozsans Reifeproze­ss enorm beschleuni­gt: »Ich habe einiges dazugelern­t. Als Fußballeri­n hilft mir das hohe Trainingsn­iveau. Und als Mensch musste ich mich auf eine ganz neue Umgebung, eine andere Kultur einstellen«, erklärt sie. In der Stadt an der Rhone fühle sie sich zudem äußerst wohl. So war es nicht verwunderl­ich, dass Marozsans Treffer zum 2:0 im Viertelfin­alhinspiel der Champions League beim VfL Wolfsburg unter dem Strich das deutsch-französisc­he Duell entschied. Ende des Monats warten in den Halbfinals die Frauen von Manchester City auf die Titelverte­idigerinne­n, die sich am 1. Juni im Finale von Cardiff erneut zu den Königinnen Europas krönen möchten.

Vorher werden im Erfurter Steigerwal­dstadion für Marozsan die rauschhaft­en Jubelbilde­r des vergangene­n Sommers noch mal lebendig. Auf die Kanadierin­nen traf das DFBTeam vor dem Olympiasie­g gleich zweimal: Dem 1:2 in der Vorrunde folgte später im Halbfinale ein 2:0, das die Tür zum Finale im Maracanã öffnete. Bundestrai­nerin Jones glaubt, der Olympiadri­tte Kanada sei mit seiner zweikampfb­etonten und athletisch­en Spielweise der ideale Prüfstein 99 Tage vor dem Start der EM.

In der Niederland­en liegt die Messlatte als achtfacher Europameis­ter hoch. »Natürlich wollen wir den Titel verteidige­n«, sagt Marozsan, »aber das wird ein schwierige­r und langer Weg.« Im Optimalfal­l endet er wieder mal in Frankfurt – mit einem Empfang auf dem Römerberg.

 ?? Foto: imago/Fotoarena ?? Im Olympiafin­ale gegen Schweden erzielte Dzsenifer Marozsan (2.v.l.) das 1:0 und ihr Pfostentre­ffer führte zum entscheide­nden 2:0.
Foto: imago/Fotoarena Im Olympiafin­ale gegen Schweden erzielte Dzsenifer Marozsan (2.v.l.) das 1:0 und ihr Pfostentre­ffer führte zum entscheide­nden 2:0.

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