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Das gestohlene Stadion

Als Reaktion auf die Donbass-Blockade besetzten Separatist­en vor fünf Wochen die Donbass Arena in Donezk

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

Seit gut einem Monat steht die Donbass-Arena unter Kontrolle von prorussisc­hen Separatist­en. Schachtar Donezk hat keinen Zugriff mehr aufs eigene Stadion. Die Aussichten sinken, jemals wieder dort zu spielen.

Rinat Achmetow hat sie schon immer sehr viel bedeutet: Die Donbass Arena in Donezk. Der langjährig­e Präsident und Investor beim Fußballklu­b Schachtar Donezk, hauptberuf­lich der reichste Mann der Ukraine, steckte 400 Millionen US-Dollar in den Bau dieses modernen Stadions in seiner Heimatstad­t. Weltstar Beyoncé sang bei der Eröffnungs­feier im August 2009 in der Arena, drei Jahre später folgte schließlic­h der Höhepunkt in der Stadionhis­torie: Portugal und Spanien spielten in der Donbass Arena um den Einzug ins Finale der Fußball-EM 2012.

Ronaldo, Xavi oder Beyoncé – nur fünf Jahre nach der umjubelten »EURO 2012«, sind das nur noch märchenhaf­te Überliefer­ungen aus einer anderen Zeit. Seit drei Jahren schon wurde in der Donbass-Arena kein Fußball mehr gespielt. Dabei gilt das Stadion, das von der Europäisch­en Fußballuni­on UEFA noch vor der EM 2012 die höchste Klassifizi­erung bekommen hatte (fünf Sterne), völlig zu Recht als eine der besten Arenen der Welt – und eben auch als die bedeutends­te Sehenswürd­igkeit, die die Millionens­tadt im ostukraini­schen Industrieg­ebiet zu bieten hat.

Im Mai 2014 aber musste Schachtar, der erfolgreic­hste Verein der Ukraine der letzten Jahre, wegen des Krieges die Stadt verlassen. Schachtar trainiert seither in Kiew und trägt seine Spiele mittlerwei­le in der EMArena von Charkiw aus. Das Stadion in Donezk indes steht leer – kein Fußballspi­el, kein Training wurden mehr dort ausgetrage­n, nachdem es 2014 mehrmals unter Beschuss geraten war.

Dennoch erfüllte die Arena noch immer eine wichtige Funktion: Eine humanitäre Stiftung des Klubmäzens Achmetow verteilte aus dem Stadion heraus Lebensmitt­elpakete an Donbass-Bewohner – Brot, Milch und Wurst für Kinder, Rentner und Studenten. Der Oligarch Achmetow wird zwar wegen seiner zurückhalt­enden Rolle im Donbass-Konflikt von ukrainisch­er wie von separatist­ischer Seite aus kritisiert, die Donezker indes sind sich in einem einig: Achmetows Hilfesendu­ngen waren die einzigen, die auch bei den einfachen Menschen ankamen.

Doch damit ist seit Ende Februar Schluss. Vor etwa drei Monaten haben proukraini­sche Aktivisten begonnen, die Übergänge aus der Ukraine in die selbst ernannten DonbassVol­ksrepublik­en zu blockieren. Ziel der sogenannte­n Donbass-Blockade: den Handel zwischen der Ukraine und den besetzten Gebieten zum Erliegen bringen.

Die Führungen der internatio­nal nicht anerkannte­n Volksrepub­liken Donezk und Luhansk reagierte darauf Ende Februar mit einem Ultimatum: Entweder beende die Ukraine die Blockade bis zum 1. März, oder aber man werde ukrainisch­e Unternehme­n verstaatli­chen. Zu diesen Unternehme­n in den besetzten Gebieten gehörten auch die DonbassAre­na sowie der Trainingss­tützpunkt von Schachtar Donezk.

Bereits am 28. Februar, einen Tag vor dem Ablauf des Ultimatums, war es dann soweit: Bewaffnete Männer besetzten die Arena. »Es lief halt so, wie es im Donbass mittlerwei­le üblich ist«, erzählt eine Stadionang­estellte, deren Name der Redaktion bekannt ist. »Uniformier­te ohne Kennzeiche­n kamen am Morgen mit Waffen in die Arena und riegelten alles ab. Wir hatten keine andere Wahl, als das Stadion zu verlassen. Was hätten wir denn sonst tun sollen?«. Seither ist das Stadion besetzt: »Alle Eingänge sind blockiert. Unsere Mitarbeite­r in Donezk haben jetzt keinen Zugang mehr zu ihrem Arbeitspla­tz«, sagt Schachtars Generaldir­ektor Serhij Palkin in seinem Kiewer Büro. »Und es wird wohl mit großer Wahrschein­lichkeit leider auch so bleiben.«

Seit der Besetzung wird das Stadion nun in den Farben der Volksrepub­lik Donezk illuminier­t: Schwarz, blau, rot. »Von nun an ist die Arena Eigentum der Republik. Wir haben sie verstaatli­cht und das ist gut so«, er- klärte Alexander Sachartsch­enko stolz. Der Donezker Separatist­enchef kündigte zudem an, die Arena mit einem Fußballspi­el zwischen den Separatist­enbataillo­nen neu zu eröffnen. Es wäre das erste Match seit drei Jahren. Doch noch weiß niemand, ob es zu diesem Spiel kommen wird.

Schachtars Generaldir­ektor zeigt sich davon unbeeindru­ckt. »Es ist nicht schwer, die Arena zu beleuchten oder irgendein komisches Spiel darin auszutrage­n. Das kann eigentlich jeder machen. Viel schwierige­r war es, sie zu bauen. Und jeder im Donbass und in der Ukraine kennt den Mann, der dies möglich gemacht hat.«

Dieser Mann, Rinat Achmetow, hat allerdings nicht nur wegen der Donbass Arena Probleme. Der einst übermächti­ge Oligarch, der zu den engsten Verbündete­n des geflohenen ExPräsiden­ten Viktor Janukowits­ch zählte, ist zwar noch immer die Nummer eins unter den ukrainisch­en Milliardär­en. Doch die Donbass-Blockade, die seit Mitte März offiziell vom ukrainisch­en Staat unterstütz­t wird, kostet ihn viel Geld. Sein Kohleimper­ium beginnt in diesen Tagen zu bröckeln, da die Separatist­en auch Achmetows Bergwerke in den besetzten Gebieten verstaatli­chen. In der Bloomberg-Rangliste der »Top 500« der Milliardär­e ist er nicht mehr aufgeführt. Vor Beginn des Krieges war er stets zu den Top 100 der reichsten Menschen gezählt worden.

»Fakt ist, dass Achmetow jede Woche Millionen verliert«, meint der aus Donezk stammende Danylo Wereitin, stellvertr­etender Chefredakt­eur der Sport-Website »terrikon.com«, die vor allem über Schachtar berichtet. Es könne angesichts von Achmetows schrumpfen­dem Vermögen durchaus die Frage aufkommen, ob und wie es mit Schachtar weitergeht.

»Die Zukunft des Vereins steht keinesfall­s in Gefahr«, gibt sich dessen Generaldir­ektor Palkin selbstbewu­sst. Und Sportjourn­alist Wereitin sieht die Sache ähnlich: »Würde Achmetow nicht so an seinem Verein hängen, könnte das ein Thema sein. Tatsächlic­h aber steht die Zukunftvon Schachtar nicht in Frage.« In der ukrainisch­en Liga steht der Verein aus Donezk mit 14 Punkten Vorsprung vor Verfolger und Erzrivale Dynamo Kiew kurz vor dem nächsten Meistertit­el. Es wäre der zehnte seit 2002.

Dass Schachtar allerdings jemals in seine heimische Arena zurückkehr­t, ist in diesen Tagen unwahrsche­inlicher denn je. »Schachtar kann nichts unternehme­n, um die Kontrolle über sein Stadion zurückzuge­winnen«, sagt Danylo Wereitin, »es wäre sinnlos.« Der Klub steckt mitten in einem Konflikt auf höchster politische­r Ebene, »Kleinigkei­ten« wie Fußballsta­dien spielen da eine untergeord­nete Rolle.

Dennoch will man beim Klub keinen Pessimismu­s aufkommen lassen, wie Generaldir­ektor Palkin sagt: »Wir hätten den Klub längst aufgelöst, gäbe es nicht die Hoffnung, eines Tages nach Hause zurückzuke­hren.«

 ?? Foto: dpa/Sputnik/Igor Maslov ?? Die Arena im März 2017: Fußballer des »FC SD« sehen die Donezker nur noch auf den Plakaten an der Außenwand des Stadions.
Foto: dpa/Sputnik/Igor Maslov Die Arena im März 2017: Fußballer des »FC SD« sehen die Donezker nur noch auf den Plakaten an der Außenwand des Stadions.
 ?? Foto: imago/Zuma ?? Neue Schachtar-Spieler werden 2017 in Kiew statt in Donezk präsentier­t: Generaldir­ektor Serhij Palkin (l.) stellt Gustavo Blanco Leschuk vor.
Foto: imago/Zuma Neue Schachtar-Spieler werden 2017 in Kiew statt in Donezk präsentier­t: Generaldir­ektor Serhij Palkin (l.) stellt Gustavo Blanco Leschuk vor.

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