Mieten steigen um drei Prozent
IBB-Wohnungsmarktbericht zeigt weiteren ungebremsten Anstieg auf
Bis zu 60 000 Menschen kamen wohl 2016 neu nach Berlin. Der Zuzug lässt die Mieten weiter explodieren, wie der am Freitag vorgestellte Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin zeigt.
Das Ziel preiswerten Wohnraumes bleibt eine Herkulesaufgabe für den rot-rot-grünen Senat. Daran dürfte auch die in dieser Woche beschlossene Vereinbarung mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zur Mietpreisdeckelung wenig ändern. Wie aus dem an diesem Freitag vorgestellten Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin (IBB) hervorgeht, ist die Miete im vergangenen Jahr im Mittel um rund drei Prozent auf 9,07 Euro pro Quadratmeter nettokalt gestiegen. Besonders im letzten Quartal des Jahres 2016 stieg die Miete drastisch an, auf 9,65 gegenüber 8,91 im Vergleichsquartal des Vorjahres.
Dabei verläuft die Mietpreisentwicklung dem Bericht zufolge in den einzelnen Stadtgebieten sehr unterschiedlich. Während in den Bezirken Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg jeweils 29 Prozent der Wohnungen für Quadratmeterpreise von 13 Euro und mehr angeboten werden, betrifft dies in Spandau, Reinickendorf und Marzahn-Hellersdorf lediglich ein Prozent. Umgekehrt ist es im unteren Preisbereich. So werden in MarzahnHellersdorf noch 61 Prozent aller Wohnungen für weniger als sieben Euro angeboten, während dieser Anteil in Friedrichshain-Kreuzberg bei sechs und in Charlottenburg-Wilmersdorf bei sieben Prozent liegt.
Arnt von Bodelschwingh, dessen Beratungsunternehmen RegioKontext an der Erarbeitung des IBB-Berichts beteiligt war, bewertete die Zahlen als »Ausdruck einer weiterhin sehr großen Dynamik auf dem Berliner Wohnungsmarkt« mit im Bundesvergleich weit überdurchschnittlichen Steigerungsraten sowohl bei Mieten als auch bei Kaufpreisen von Eigentumswohnungen. Letztere hätten sich binnen sieben Jahren sogar verdoppelt.
Als Motor für diese Entwicklung sieht Bodelschwingh »die sehr guten Wirtschaftsdaten mit sinkender Erwerbslosigkeit, überdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum und steigenden Durchschnittslöhnen«. Aber auch die stetige Zuwanderung, die auch 2015 zu einem Bevölkerungszuwachs von rund 45 000 Menschen führte – darunter 12 000 Geflüchtete – stellten die Politik und die Immobilienwirtschaft vor »große Herausforderungen«, besonders bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für untere und mittlere Einkommensschichten. Für 2016 sei so- gar mit einem Zuwachs um 60 000 Menschen zu rechnen. Die endgültigen Zahlen liegen allerdings noch nicht vor.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) hat die zentrale Bedeutung bei der Schaffung preiswerten Wohnraums für die Stadtpolitik erkannt. Der Bericht belege die »deutlich verschärfte Anspannung auf dem Wohnungsmarkt«, sagte die Senatorin am Freitag. Sie verwies auf Fortschritte beim Wohnungsbau: So seien 2016 rund 15 000 Wohnungen fertiggestellt worden, ein Plus von über 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das sei »ganz ordentlich«, aber man müsse alles Erdenkliche tun, um die angepeilte Marke von 20 000 Wohnungen pro Jahr, davon 6000 von städtischen Gesellschaften, zu erreichen und zu verstetigen.
Ferner gebe es seit Jahren eine »deutliche Diskrepanz« zwischen bereits erteilten Baubescheiden und -genehmigungen und den Fertigstellungen. Das habe sicherlich verschiedene Gründe, man werde aber auch prüfen, wie man gegen möglicherweise betriebene Spekulation mit baureifen Grundstücken vorgehen könne. Besorgt äußerte sich die Senatorin auch über die Verdrängungseffekte durch den Nachfragedruck. Während viele Zuzügler vor allem in die begehrten Innenstadtquartiere drängten, müssten einkommensschwächere Bewohner in die Randlagen ausweichen. Daher müssten die wenigen dem Land zur Verfügung stehenden Instrumente der Mietendämpfung im Bestand »konsequent angewendet werden«.
Dazu gehören der Stadtentwicklungssenatorin zufolge einkommensabhängige Richtsatzmieten im alten sozialen Wohnungsbau und die Nutzung aller Spielräume beim Erlass und der Umsetzung von Milieuschutzsatzungen. Da, sagte Lompscher, seien aber vor allem die Bezirke in der Pflicht. Ferner werde der Senat »nicht locker lassen«, um über Bundesratsinitiativen mieterfreundliche Regelungen auf den Weg zu bringen. Im Mietenbereich ist viele bundesrechtlich geregelt.
Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), erklärte zum IBB-Bericht: »Für die überwiegende Zahl der Mieterhaushalte hat sich die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt weiter verschlechtert.« Es werde deutlich, dass die Mietpreisbremse zur Deckelung von Angebotsmieten weitgehend wirkungslos bleibe. Dies müsse Konsequenzen für den Mietspiegel haben, denn »es kann nicht sein, dass widerrechtlich geforderte Mieten zur Leitlinie für Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen werden«.