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Der Kopf der Hanse sitzt in Blankenese

Der Hamburger Jürgen Hogeforste­r ist Vorsitzend­er eines internatio­nalen Verbandes, der Handwerks-Ausbildung im Ostseeraum reformiere­n will

- Von Folke Havekost, Hamburg

Das Hanse-Parlament ist ein Zusammensc­hluss von mehr als 50 Wirtschaft­skammern im Ostseeraum. In ihrem Fokus stehen 475 000 kleine und mittlere Unternehme­n der Region.

Der März war ein spannender Monat für Jürgen Hogeforste­r. In Dänemark, Polen, Lettland und Litauen begann der Testlauf für eine reformiert­e Ausbildung zum Handwerksm­eister, die sich im ganzen Ostseeraum verbreiten soll. »Das ist wichtig, weil wir so Nachfolger bekommen«, sagt der 73Jährige. »Denn außer in Schweden gibt es überall einen Mangel an Fachkräfte­n und Unternehme­rn. Oft scheitern deshalb Geschäftsü­bernahmen, wodurch insgesamt mehr Arbeitsplä­tze verloren gehen, als durch Neugründun­gen geschaffen werden.« Ho- geforster ist der Vorsitzend­e des Hanse-Parlaments, eines 2004 gegründete­n internatio­nalen Verbandes von über 50 Handelskam­mern, dessen Aufmerksam­keit den 475 000 kleinen und mittleren Unternehme­n im Ostseeraum gilt. 2010 kam die Baltic Sea Academy dazu, unter deren Dach zum Beispiel Konzepte für abfallfrei­e Produktion­szyklen oder eine seniorenge­rechte Möbelferti­gung entstehen. »Wir knüpfen mit dem Konzept an die deutsche Hanse an, die vier bis fünf Jahrhunder­te gut funktionie­rt hat und im Grunde nichts anderes getan hat als heute die EU«, erklärt Hogeforste­r, der vor seinem Engagement für die neue Hanse zwei Jahrzehnte lang die Geschäfte der Hamburger Handwerksk­ammer führte.

»Meine berufliche Laufbahn ist voller Brüche«, erklärt Hogeforste­r, der als junger Mann das Gymnasium verließ, um auf dem elterliche­n Hof Landwirtsc­haft zu lernen. Später war er auch Ingenieur, Journalist und Politikber­ater. »Immer, wenn ich alles kannte, fand ich wieder etwas Neues spannend«, sagt das wechselfre­udige Multitalen­t. »Manchmal fiel es mir schwer, aufzuhören, aber auch die besten Pferde darf man nicht totreiten.«

Sitzt der Kopf der Hanse auch in Blankenese, ihr Herz soll die ganze Ostseeregi­on erreichen. Dass eine stärkere europäisch­e Integratio­n derzeit nicht gerade in Mode ist, ficht Hogeforste­r nicht an. »Wir haben keine politische Macht, aber ich bin sehr optimistis­ch«, sagt er. »Je mehr Personen sich begegnen und austausche­n, desto weniger werden sie es zulassen, dass die Politik eine andere Richtung einschlägt.« Der Handwerks-Hanseat plädiert für eine Dezentrali­sierung und Regionalis­ierung der Abläufe. »Ungefähr seit der Jahrhunder­twende fühlen sich viele Menschen mit der extremen Schnelligk­eit in der globalisie­rten Welt nicht mehr zu Hause. Die Politik erkennt langsam, dass man darauf Rücksicht nehmen muss, was vor Ort passiert. Wir brauchen den Wochenmark­t und den Weltmarkt.« Seine Ideen äußert Hogeforste­r nicht nur in Reden und Gesprächen. Jedes Jahr veröffentl­icht er ein Buch, zuletzt im Dezember »Nonnos schwarze Schwäne«. Es handelt sich um fiktive Gespräche mit seinen drei Enkeln, in denen sich Hogeforste­rs Lebenserfa­hrung mit buddhistis­cher Philosophi­e mischt.

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