Klitschko kämpft ums Image
Zum Song Contest 2017 in Kiew wollte der Bürgermeister doch nur glänzen.
Wadym Karassjow, Politologe
Die Kiewer Stadtverwaltung unter Bürgermeister Vitali Klitschko empfand den Eurovision Song Contest (ESC), der im Mai in Kiew ausgetragen werden soll, als eine Chance, ihr Image zu verbessern. Doch selbst wenn man von dem erbitterten Streit um die Teilnahme der russischen Bewerberin absieht, liefen die Vorbereitungen nie rund – auch nicht in den Punkten, die von Klitschko und seiner Administration abhängig sind. So war lange unklar, wo der Contest stattfinden wird. Der Sportpalast im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt war zu klein. Das Milliardenprojekt, das Finalstadion der Fußball-EM 2012 zur Indoor-Arena zu machen, wurde abgelehnt.
So blieb Kiew nur das Internationale Ausstellungszentrum am Rande der ukrainischen Hauptstadt. Doch erst vor einigen Wochen begann die Renovierung der naheliegenden UBahn-Station »Liwobereschna«, die als wichtiger Verkehrsknoten gilt. Die meisten Kiewer sind überzeugt, das aktuelle Transportchaos hätte hier vermieden werden können, wenn die Stadtverwaltung nur früher mit der Renovierung begonnen hätte. »Zudem sehen die Teile, die bereits renoviert wurden, nicht gerade so aus, als wären sie professionell gemacht«, kritisiert Wolodymyr Chengistow, ein Kiewer Aktivist, der sich mit der Architektur der Stadt beschäftigt.
Eine weitere Panne: Vor wenigen Tagen postete das ukrainische Außenministerium das Werbevideo Kiews als Gastgeber des ESC, in dem Klitschko als Hauptdarsteller seine Stadt zeigt. Das Video wurde im Auftrag der Stadtverwaltung produziert – und sieht eher nach Werbung für Klitschko selbst aus. Wegen seines Klischeereichtums entstanden gleich mehrere Parodien. »Ich weiß, dass man in einem solchen Video nur gute Seiten Kiews zeigen soll, aber ich würde gerne auch die schlechten zeigen«, heißt es in einer davon. »Das sind Transportprobleme, illegale Bauarbeiten, die Brücken, die 20 Jah- re lang gebaut werden – Kiew wartet also auf die Gäste des ESC!«
Zwar muss Klitschko trotz aller Kritik um seinen Posten als Bürgermeister nicht sonderlich fürchten. Als bekanntes Gesicht würde er wohl auch heute trotz aller Probleme wiedergewählt. Doch wenn der 45-Jährige es tatsächlich anstrebt, noch einmal in die nationale Politik zurückzukehren, müsste er in den bevorstehenden Wochen deutlich zulegen. Bis zum ESC bleibt nur wenig Zeit.
Es war ein Tag im Mai 2014, als Vitali Klitschko zwar den ersten großen Kampf in seiner politischen Karriere gewann, doch als wahrer Sieger fühlte sich der Ex-Boxweltmeister nicht. Noch am Anfang der Maidan-Revolution galt Klitschko als Anführer der Opposition. Er lag sogar bei den Prä-
Vitali Klitschko
sidentschaftsumfragen vorn. Allerdings hielt der große Traum vom Präsidentenamt nicht lange. In harter Auseinandersetzung mit dem später geflohenen Amtsinhaber Viktor Janukowitsch konnte sich Klitschko als künftiges Staatsoberhaupt nicht behaupten, seine ständigen Versprecher wurden zudem zu Internet-Hits.
So stand er am 25. Mai 2014 nur im Schatten von Petro Poroschenko, mit dem er wenige Monate zuvor einen Pakt geschlossen hatte: Klitschko tritt nicht bei der Präsidentschaftswahl an – und unterstützt Poroschenko, der seinerseits für Klitschko als Kiewer Bürgermeister wirbt. Die Rechnung ging auf. Sowohl Poroschenko als auch Klitschko gewannen die Wahl gleich im ersten Anlauf haushoch. Allerdings fühlte sich dieser Triumph sehr unterschiedlich an. Niemand hatte vor einem halben Jahr an Poroschenko als Präsident gedacht, während Klitschko als Favorit galt. Der musste mit seinem Sieg bei der Bürgermeisterwahl in die zweite Reihe der ukrainischen Politik wechseln.
»Heute beginnt hier eine neue Ära. Wir werden Kiew gemeinsam zu einer wirklich europäischen Hauptstadt aufbauen«, betonte Klitschko. Seitdem sind über zweieinhalb Jahre vergangen. Klitschko wurde im Oktober 2015 bei landesweiten Lokalwahlen wiedergewählt – für einen Sieg im ersten Wahlgang reichte es allerdings nicht. An Beliebtheit hat er in der Zwischenzeit nicht gewonnen – und die Ergebnisse seiner Arbeit werden durchaus kritisch gesehen.
»Klitschko hat die Führung in Kiew in einer schwierigen Zeit übernommen, als die Stadt mehrere Jahre de facto keinen gewählten Bürgermeister hatte«, erklärt der ukrainische Politologe Wadym Karassjow. »Für eine große europäische Hauptstadt wie Kiew war das äußerst unangenehm. Daher ist es natürlich positiv, dass mit Klitschko endlich jemand die Verantwortung übernahm, der tatsächlich von den Kiewern gewählt worden ist.« Doch damit endet laut Karassjow auch die mit Klitschko verbundene Reihe der Vorteile für Kiew. Zwar habe der Bürgermeister die Arbeit der Stadtverwaltung deutlich transparenter gemacht, doch gerade diese Transparenz zeige erst, wie schwer das mit den Veränderungen in der ukrainischen Hauptstadt läuft.
»Es ist kein Zufall, dass vor der Stadtverwaltung fast jeden Tag protestiert wird – mal mehr, mal weniger«, meint Karassjow. Zwar hat dies unter anderem damit zu tun, dass das Gebäude der Stadtverwaltung mitten in der Kiewer Prachtstraße Chreschtschatyk nun quasi für jeden geöffnet ist. Doch die Anzahl der unterschiedlichen Proteste ist sogar für das traditionell an Demos reiche Kiew groß.
»Es ist kein Zufall, dass vor der Stadtverwaltung fast jeden Tag protestiert wird – mal mehr, mal weniger.«