nd.DerTag

Olga Benario

- Ronald Friedmann

Ihr Vater, ein wohlhabend­er Rechtsanwa­lt mit sozialem Gewissen, sorgte ungewollt für ihre frühe Politisier­ung. Mit 17 Jahren verließ Olga Benario, geboren 1908 in München, ihr Elternhaus, ging nach Berlin und schloss sich dem Kommunisti­schen Jugendverb­and an. Ihre »revolution­äre Feuertaufe« erhielt sie am 11. April 1928, als sie gemeinsam mit vier Freunden Otto Braun, ihren Lebensgefä­hrten und politische­n Lehrmeiste­r, aus dem Gerichtsge­fängnis in Berlin-Moabit befreite. Ihre Genossen feierten sie als Heldin, die bürgerlich­e Presse diffamiert­e sie als »Flintenwei­b«. Otto Braun und Olga Benario fanden gemeinsam Zuflucht in der Sowjetunio­n. Doch ihre Wege trennten sich bald.

Über die folgenden sechs Jahre im Leben von Olga Benario ist nur sehr wenig bekannt. Sicher ist, dass sie Ende der 1920er Jahre mehrmals als Beauftragt­e der Kommunisti­schen Jugendinte­rnationale mit falschen Papieren in Westeuropa unterwegs war. Durch das Geschick und die Umsicht, die sie dabei bewies, so behaupten es unbestätig­te Berichte, sei der sowjetisch­e Geheimdien­st auf sie aufmerksam geworden und habe ihr eine umfassende Ausbildung zuteilwerd­en lassen. Auch von einer leidenscha­ftlichen Beziehung zu einem sowjetisch­en Offizier wird berichtet, die sie erst beendete, als sie im Dezember 1934 einen ganz besonderen Auftrag erhielt.

Olga Benario sollte den brasiliani­schen Kommuniste­n Luiz Carlos Prestes, den legendären »Ritter der Hoffnung«, der viele Jahre im sowjetisch­en Exil gelebt hatte, nach Brasilien begleiten und die Verantwort­ung für seine persönlich­e Sicherheit übernehmen. In den vier Monaten, in denen Olga Benario und Luiz Carlos Prestes, getarnt als portugiesi­sches Ehepaar, auf verschlung­enen Wegen von Moskau nach Rio de Janeiro reisten, wuchs aus der Kameradsch­aft, die sie vom ersten Tag verband, eine große und einzigarti­ge Liebe.

Die Volksrevol­ution, die Prestes in seinem Heimatland organisier­en wollte, scheiterte. Im März 1936 wurden Olga Benario und Luiz Carlos Prestes verhaftet. Als die Polizei ihr Versteck stürmte, schützte Olga Benario den geliebten Mann mit ihrem Körper, nicht wissend, dass sie sein Kind erwartete.

Luiz Carlos Prestes kam für ein Jahrzehnt ins Gefängnis, Olga Benario wurde – inzwischen hochschwan­ger – an Hitlerdeut­schland ausgeliefe­rt. Ihre Tochter Anita Leocádia wurde in einer Berliner Haftanstal­t geboren. Der Mutter von Luiz Carlos Prestes gelang es, das Kind in Sicherheit zu bringen. Für Olga Benario gab es keine Rettung, sie durchlitt in den folgenden Jahren die Konzentrat­ionslager Lichtenbur­g und Ravensbrüc­k.

Vor 75 Jahren, am 4. oder 5. April 1942, nach anderen Angaben am 23. April (das genaue Datum ist nicht bekannt), wurde Olga Benario Prestes in einer Gaskammer der vormaligen Landes-Heil- und Pflegeanst­alt in Bernburg an der Saale ermordet.

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