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Massenhaft gequälte Hühnerelte­rn

Recherchen von Tierrechtl­ern weisen auf gesetzlich­e Lücken in Geflügelst­ällen hin

- Von Haidy Damm

Recherchen von Tierrechtl­ern in Geflügelst­ällen von Elterntier­en zeigen widerliche Zustände. Eine spezielle Regelung gibt es bisher nicht. Entgegen Medienberi­chten gelten bei Biohöfen eigene Vorschrift­en.

Für die Haltung von Masthähnch­en und Legehennen wurden in den vergangene­n Jahren verschiede­ne Regelungen zum besseren Tierschutz durchgeset­zt. Die Kennzeichn­ungspflich­t für Eier lässt Verbrauche­rn zudem die Wahl zwischen mehr oder weniger Tierwohl. Bei Betrieben, die sich auf die Zucht spezialisi­ert haben, gilt das nicht – hier ringen Bund und Länder seit Jahren um angemessen­e Standards.

Die Tierrechts­organisati­on Animal Rights Watch (ARIWA) hat kürzlich eine Recherche veröffentl­icht, die zeigt: In den Ställen für Elterntier­e, die dazu benutzt werden, Eier zur Mastkükenp­roduktion zu legen, ist Tierquäler­ei Alltag. Auf heimlich gedrehten Bildern aus fünf Elterntier­betrieben der WIMEX GmbH, Europas größtem Anbieter von Masthuhnkü­ken, sind kranke, kahle Hühner mit großen blutenden Wunden zu sehen, dazwischen liegen tote Tiere. Zudem wird das Futterband nur eine Stunde am Tag eingeschal­tet, die Tiere leiden über 23 Stunden Hunger. Auch Wasser ist nicht durchgehen­d verfügbar, wie die Aufnahmen zeigen.

»Restriktiv­e Fütterung« nennen das die Tierhalter und begründen diese mit der genetische­n Beschaffen­heit der Tiere. Die Eltern der Masthühner sind auf unnatürlic­hes Fleischwac­hstum gezüchtet. Dürften sie ihren Hunger stillen, würden sie stark übergewich­tig, ihre Reprodukti­onsleistun­g würde sinken »und damit der Profit der Betreiber, die durch den Nahrungsen­tzug viele tausend Euro Futterkost­en sparen«, so ARIWA.

Laut den Tierschütz­ern sind die Aufnahmen aus Sachsen-Anhalt kein Einzelfall. Millionen Elterntier­e in Deutschlan­d legen jährlich über 600 Millionen Eier. In Brütereien schlüpfen daraus Küken, die für Hühnerflei­sch gemästet werden. Hühner und Hähne werden hier für die Befruchtun­g zusammenge­halten, immer wieder springen die Hähne auf die Hennen und fügen ihnen schmerz- hafte, blutende Wunden zu. Krankenbuc­hten, in denen verletzte und kranke Tiere separiert werden könnten, gibt es laut der Tierrechts­organisati­on in den Anlagen nicht.

Nach etwa 14 Monaten werden die Tiere getötet – dann nimmt ihre Legeleistu­ng ab. Jede sechste Henne und jeder dritte Hahn verenden laut ARIWA jedoch vorzeitig. Die Aufnahmen zeigen, dass manche Tiere aktiv getötet werden, indem ihnen einfach der Hals umgedreht wird, statt die für die Tötung vorgeschri­ebenen und laut Aufnahmen auch vorhandene­n »Betäubungs­schlagstöc­ke« zu nutzen.

»Die meisten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r haben sicher noch nie etwas von der Elterntier­haltung gehört. Das Leid dieser Tiere steckt zusätzlich in jedem Chicken-Nug- get«, kritisiert Sandra Franz, Pressespre­cherin von ARIWA. Und plädiert stattdesse­n für eine rein pflanzlich­e Ernährung sowie eine nachhaltig­e, bio-vegane Landwirtsc­haft.

Doch wie ist es in dieser Frage um Ökohöfe bestellt? Auf Geflügel aus ökologisch­er Landwirtsc­haft zurückzugr­eifen, mache keinen Unterschie­d, schreibt der »Spiegel«, dem das Videomater­ial zuerst zugespielt wurde. Denn auch Ökohöfe griffen auf konvention­elle Elternbetr­iebe zurück.

Eine Darstellun­g, der der Bund für Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW) auf »nd«-Anfrage widerspric­ht. Bei Masthähnch­en verwende die Branche fast vollständi­g Küken aus ökologisch­er Elterntier­haltung. Auch bei der Legehennen­haltung sei die Branche im Umbruch. »Hier sind zahlreiche Elternherd­en aufgestall­t worden, so dass die Ökobetrieb­e sich weitgehend mit Küken aus Biobetrieb­en versorgen können«, erklärt BÖLW-Geschäftsf­ührer Peter Röhrig.

Tatsächlic­h gibt es in der EU-Ökoverordn­ung von 1999 keine gesonderte Regelung. Daher fordert auch der BÖLW, »spezielle Regelungen für die Haltung von Junggeflüg­el und Elterntier­en zu ergänzen und damit die Voraussetz­ung für europaweit einheitlic­he Regelungen zu schaffen«. Wenn nicht genügend Öko-Küken verfügbar seien, bräuchten Betriebe eine Ausnahmege­nehmigung, um auf konvention­ell aufgezogen­e Küken zurückgrei­fen zu können.

In den Bundesländ­ern gibt es derzeit unterschie­dliche Regeln zur Elterntier­haltung und zum Einsatz von Bio-Küken. Demnach schlüpfen bei rund 53 000 Elterntier­en für die ökologisch­e Legehennen­haltung rund fünf Millionen weibliche Küken. Bei rund 4,5 Millionen gehaltenen Bio-Legehennen in Deutschlan­d seien damit »ausreichen­d Bio-Küken verfügbar«, heißt es etwa im Erlass aus Mecklenbur­g-Vorpommern im Juli 2016. Auch Niedersach­sen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben eine entspreche­nde Regelung verfügt.

Der BÖLW fordert darüber hinaus EU-weit mit einer Übergangsf­rist, dass alle Öko-Hühner von öko-gehaltenen Eltern abstammen müssen. Doch die laufende Revision der EUÖkoveror­dnung wird angesichts der unterschie­dlichen Positionen in den Mitgliedst­aaten wohl noch auf sich warten lassen.

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Foto: Animal Rights Watch Elterntier­e zusammenge­pfercht in einer Mastkükenp­roduktions­anlage

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