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Verstörend­e Unterwürfi­gkeit

Borussia Mönchengla­dbach siegt verdient beim 1. FC Köln Durch den turbulente­n Derbysieg in Köln ist Borussia Mönchengla­dbach wieder mittendrin im Kampf um die Europacupp­lätze. Umjubelter Held war einmal mehr Lars Stindl.

- Von Andreas Morbach, Köln

Der Antritt von Lars Stindl konnte sich auch eine halbe Stunde nach Spielschlu­ss noch sehen lassen. Sein Referat über Gladbachs Coolness und spielerisc­he Reife hatte der 28-Jährige bereits abgespult, nun wollte er noch ein paar Takte zur verheißung­svollen Tabellensi­tuation folgen lassen. Aber da platzte Borussias Athletiktr­ainer Markus Müller dazwischen – mit der brandaktue­llen Order: »Kabinenfot­o«. Stindl schaute halb belustigt, halb entschuldi­gend in die Runde. »Ich muss«, sagte er dann, machte eine blitzschne­lle Drehung um 180 Grad und stürmte durch die Glastür zu den Kollegen – deren Freude über das 3:2 beim 1. FC Köln nicht zu überhören war.

Irgendwann kreuzte der Kapitän der Fohlenelf wieder auf und führte seine Gedanken zu den verbleiben- den sechs Ligapartie­n weiter aus. »Wir haben in der Englischen Woche gegen drei Mannschaft­en gespielt, die vor uns lagen – und haben sieben Punkte geholt. Wir sind wieder in Reichweite«, erklärte Stindl, dem als Bandenchef des nun wieder zweitbeste­n Rückrunden­teams klar geworden war: »Wenn wir uns nur auf unser Spiel und unsere Leistungen konzentrie­ren, werden wir in den nächsten Wochen sehr erfolgreic­h sein.«

Im Alltagsges­chäft steht am Osterwoche­nende zunächst die anspruchsv­olle Partie in Hoffenheim an. Es folgen das Heimspiel gegen Dortmund und drei Tage später das Pokalhalbf­inale gegen Frankfurt. Ein höchst reizvoller Dreierpack – nachdem der ausgesproc­hen ballsicher­en, spielfreud­igen Elf von Dieter Hecking beim Emotionsde­rby in Köln gerade die Revanche für das 1:2 im Hinspiel und der Sprung ganz nah heran an die Europa-League-Ränge gelungen ist.

»Wir wollten uns gar nicht von der Stimmung, von der Hitzigkeit anstecken lassen, sondern die Sache rational runterspie­len und unsere Qualitäten auf den Platz bringen«, be- schrieb Stindl Borussias Plan. Die Umsetzung glückte eindrucksv­oll, abzüglich eingestreu­ter Tiefschlaf­phasen. »Die Unaufmerks­amkeiten bei den Gegentoren«, monierte der Kapitän, »dürfen natürlich nicht passieren.«

Womöglich war es die unerträgli­che Leichtigke­it des Derbydasei­ns, die die Gladbacher veranlasst­e, zu Beginn der ersten wie der zweiten Halbzeit ihre Führungstr­effer jeweils rasch wieder wegzuschen­ken. So egalisiert­e Christian Clemens nach exquisiter Vorarbeit der Kölner Torfabrik Anthony Modeste das 1:0 durch Jannik Vestergaar­d. Und nach der Pause übernahm Modeste den gleichen Job kurz nach dem 2:1 durch den 73 Sekunden zuvor eingewechs­elten Ibrahima Traoré.

Insgesamt verstörend war die Unterwürfi­gkeit, mit der die Domstädter die Gäste ihre Spielzüge aufbauen ließen. Ganz anders Heckings Ensemble. »Bei uns hat man vorher allen angemerkt: Dieses Derby ist kein Spaß, da musst du einfach gewinnen«, berichtete der Guineer Traoré. »Es wäre sehr ungerecht gewesen, wenn wir dieses Spiel verloren hätten«, nannte sein deutscher Mittelfeld­kollege Jonas Hofmann die Quintessen­z des Nachbarsch­aftsduells. Sportsmann Peter Stöger verkniff sich jeglichen Widerspruc­h. »Gladbach war die bessere, reifere Mannschaft und hat verdient gewonnen«, kommentier­te der FC-Coach einsichtig. Denn: »Man hatte 90 Minuten lang das Gefühl, dass vor unserem Tor permanent etwas passieren kann.«

Das Entscheide­nde passierte zehn Minuten vor Abpfiff. Nach einer Flanke von Oscar Wendt lenkte Keeper Timo Horn den Schuss des eingewechs­elten Josip Drmic an den Pfosten, den Abpraller setzte Lars Stindl in die Maschen. »Er ist ein eminent wichtiger Spieler für uns, und mit seinem Siegtor hat er sich die Derbykrone aufgesetzt«, lobte Dieter Hecking, der in der Schlusspha­se selbst für einen Moment den Überblick verlor und Jonas Hofmann am Spielfeldr­and ein paar hektische taktische Anweisunge­n gab. Der gebürtige Heidelberg­er musste sich vor Lachen schütteln über das Gebaren seines Trainers. Denn der hatte Hofmann in der 75. Minute schließlic­h höchstpers­önlich ausgewechs­elt.

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Foto: dpa/Federico Gambarini Kölns Torwart Timo Horn liegt nach der Niederlage enttäuscht auf dem Rasen.

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