Verstörende Unterwürfigkeit
Borussia Mönchengladbach siegt verdient beim 1. FC Köln Durch den turbulenten Derbysieg in Köln ist Borussia Mönchengladbach wieder mittendrin im Kampf um die Europacupplätze. Umjubelter Held war einmal mehr Lars Stindl.
Der Antritt von Lars Stindl konnte sich auch eine halbe Stunde nach Spielschluss noch sehen lassen. Sein Referat über Gladbachs Coolness und spielerische Reife hatte der 28-Jährige bereits abgespult, nun wollte er noch ein paar Takte zur verheißungsvollen Tabellensituation folgen lassen. Aber da platzte Borussias Athletiktrainer Markus Müller dazwischen – mit der brandaktuellen Order: »Kabinenfoto«. Stindl schaute halb belustigt, halb entschuldigend in die Runde. »Ich muss«, sagte er dann, machte eine blitzschnelle Drehung um 180 Grad und stürmte durch die Glastür zu den Kollegen – deren Freude über das 3:2 beim 1. FC Köln nicht zu überhören war.
Irgendwann kreuzte der Kapitän der Fohlenelf wieder auf und führte seine Gedanken zu den verbleiben- den sechs Ligapartien weiter aus. »Wir haben in der Englischen Woche gegen drei Mannschaften gespielt, die vor uns lagen – und haben sieben Punkte geholt. Wir sind wieder in Reichweite«, erklärte Stindl, dem als Bandenchef des nun wieder zweitbesten Rückrundenteams klar geworden war: »Wenn wir uns nur auf unser Spiel und unsere Leistungen konzentrieren, werden wir in den nächsten Wochen sehr erfolgreich sein.«
Im Alltagsgeschäft steht am Osterwochenende zunächst die anspruchsvolle Partie in Hoffenheim an. Es folgen das Heimspiel gegen Dortmund und drei Tage später das Pokalhalbfinale gegen Frankfurt. Ein höchst reizvoller Dreierpack – nachdem der ausgesprochen ballsicheren, spielfreudigen Elf von Dieter Hecking beim Emotionsderby in Köln gerade die Revanche für das 1:2 im Hinspiel und der Sprung ganz nah heran an die Europa-League-Ränge gelungen ist.
»Wir wollten uns gar nicht von der Stimmung, von der Hitzigkeit anstecken lassen, sondern die Sache rational runterspielen und unsere Qualitäten auf den Platz bringen«, be- schrieb Stindl Borussias Plan. Die Umsetzung glückte eindrucksvoll, abzüglich eingestreuter Tiefschlafphasen. »Die Unaufmerksamkeiten bei den Gegentoren«, monierte der Kapitän, »dürfen natürlich nicht passieren.«
Womöglich war es die unerträgliche Leichtigkeit des Derbydaseins, die die Gladbacher veranlasste, zu Beginn der ersten wie der zweiten Halbzeit ihre Führungstreffer jeweils rasch wieder wegzuschenken. So egalisierte Christian Clemens nach exquisiter Vorarbeit der Kölner Torfabrik Anthony Modeste das 1:0 durch Jannik Vestergaard. Und nach der Pause übernahm Modeste den gleichen Job kurz nach dem 2:1 durch den 73 Sekunden zuvor eingewechselten Ibrahima Traoré.
Insgesamt verstörend war die Unterwürfigkeit, mit der die Domstädter die Gäste ihre Spielzüge aufbauen ließen. Ganz anders Heckings Ensemble. »Bei uns hat man vorher allen angemerkt: Dieses Derby ist kein Spaß, da musst du einfach gewinnen«, berichtete der Guineer Traoré. »Es wäre sehr ungerecht gewesen, wenn wir dieses Spiel verloren hätten«, nannte sein deutscher Mittelfeldkollege Jonas Hofmann die Quintessenz des Nachbarschaftsduells. Sportsmann Peter Stöger verkniff sich jeglichen Widerspruch. »Gladbach war die bessere, reifere Mannschaft und hat verdient gewonnen«, kommentierte der FC-Coach einsichtig. Denn: »Man hatte 90 Minuten lang das Gefühl, dass vor unserem Tor permanent etwas passieren kann.«
Das Entscheidende passierte zehn Minuten vor Abpfiff. Nach einer Flanke von Oscar Wendt lenkte Keeper Timo Horn den Schuss des eingewechselten Josip Drmic an den Pfosten, den Abpraller setzte Lars Stindl in die Maschen. »Er ist ein eminent wichtiger Spieler für uns, und mit seinem Siegtor hat er sich die Derbykrone aufgesetzt«, lobte Dieter Hecking, der in der Schlussphase selbst für einen Moment den Überblick verlor und Jonas Hofmann am Spielfeldrand ein paar hektische taktische Anweisungen gab. Der gebürtige Heidelberger musste sich vor Lachen schütteln über das Gebaren seines Trainers. Denn der hatte Hofmann in der 75. Minute schließlich höchstpersönlich ausgewechselt.