Politische Rohre
Normalerweise sind es nur die Umweltverbände, die pauschal gegen Energie wirt schafts projekte argumentieren. Andere Regeln gelten, wenn es um den Ausbau der »Ostseepipeline« von Russland nach Deutschland geht, der dieser Tag eins Genehmigungsverfahren eintritt. Warschau und die Baltenstaaten stoßen ins geopolitische Horn, in Skandinavien mischen sich solche Töne mit ökologischen Motiven. Wie jüngst auch bei Lazlo Varro, Chefökonom der Internationalen Energieagentur: Man müsse sich fragen, ob man mehr »Energieeffizienz« wolle oder »Milliarden von Euro in eine Infrastruktur für fossile Energieträger stecken«, so der Ex-Manager des ungarischen Ölund Gaskonzerns Mol.
Eine berechtigte Frage, wie auch natur schützerisc he Vorbehalte gegen Bauwerke am Meeresgrund stichhaltig sind. Auch nun bringen sich Umweltverbände in Stellung– und werden mindestens erneut Kompensationen aushandeln. 2011 hatte Gazprom die millionenschwere »Ostseestiftung« finanziert, die aus diesen Verbänden gesteuert wird.
Geopolitisch spricht dagegen viel für die Pipeline. Das Schreckgespenst vom Russen am Gashahn ist gegenstandslos: Bei bezahlten Rechnungen wurde derselbe noch nie »abgedreht«. Seit 1973 liefert Moskau zuverlässig Erdgas auch nach Westeuropa. Schließlich ist man nicht weniger auf das Geld angewiesen, als Europa das Gas braucht. Dieser wechselseitigen Verflechtung scheint angesichts des derzeitigen Zustands der internationalen Beziehungen ein zivilisierendes Moment innezuwohnen.