Vier von zehn Franzosen unschlüssig
Heiße Wahlkampfphase hat begonnen
Mit dem vergangenen Wochenende hat in Frankreich die offizielle Wahlkampfperiode begonnen, die zwei Wochen bis zum 23. April dauert. An diesem Tag können die Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal darüber abstimmen, wer neuer Präsident werden soll. In dieser Zeit werden die Plakate der elf Kandidaten gleichgroß vor allen Wahlbüros angeschlagen und ihre Wahlprogramme an alle Haushalte verteilt. Alle elf Kandidaten bekommen in dieser Zeit in Rundfunk und Fernsehen auf die Sekunde genau dieselbe Redezeit. Diese Regel wirkt heute nicht mehr zeitgemäß, weil niemand den »informellen« Wahlkampf im Internet kontrollieren kann oder will.
Das Auftreten in allen Medien ist allerdings sehr wichtig. Denn derzeit wollen rund ein Drittel der wahlberechtigten Franzosen gar nicht zur Wahl gehen. Von denen, die abstimmen wollen, sind vier von zehn noch unsicher, für wen sie votieren werden.
Der in den Umfragen auf den vierten Platz zurückgefallene rechte Kandidat François Fillon hielt am Sonntag in Paris ein Treffen mit 20 000 Teilnehmern ab, wo er sich kämpferisch gab und erklärte, er glaube »nach wie vor an den Sieg«, weil er der Einzige sei, der Frankreich vor dem Chaos bewahren könne.
Am Vortag war es bei einem Meeting von Marine Le Pen in Korsika zu Zusammenstößen des Ordnungsdienstes der rechtsextremen Front National (FN) mit jungen Nationalisten gekommen, die den Auftritt verhindern wollten und gegen die nicht nur brutale Gewalt, sondern auch Tränengas einsetzt wurde. Am Sonntag knüpfte Marine Le Pen in einem Rundfunkinterview an die unrühmliche Tradition ihres Vaters, des Gründers und langjährigen Führers der FN, Jean-Marie Le Pen, an: Sie verneinte die Verantwortung Frankreichs für die Deportation der Juden im Zweiten Weltkrieg.
Beobachtern zufolge will sie, die sich seit Jahren um ein demokratisch unverfängliches Image der Partei bemüht hat, angesichts ihrer stagnierenden Zustimmungswerte im Wahlkampf die Basis ihrer potenziellen Wähler verbreitern und auch rechtsnationalistische und gaullistische Kräfte der Republikaner zu sich herüberzuziehen.
Für Charles de Gaulle wurde Frankreich im Krieg durch seine Exilregierung verkörpert und nicht durch das Kollaborationsregime von Vichy. Dieselbe Position vertrat François Mitterrand. Erst im Jahr 1995 hat sich der rechte Präsident Jacques Chirac ungeachtet aller Anfeindungen zur Verantwortung Frankreichs bekannt.