nd.DerTag

Geschichts­kunst

- Von Christian Baron

Futterneid bis in die Kunst hinein: So stellte sich die Lage für Adam Szymczyk 2015 dar. Als Leiter der Documenta stellte er damals sein Konzept vor. Die 14. Auflage der alle fünf Jahre stattfinde­nden Werkschau sollte 2017 nicht nur in Kassel, sondern gleichbere­chtigt auch in Athen über die Bühne gehen. Sofort wiegelte die Lokalpress­e ihre Leserschaf­t auf. Provinzpol­itiker tobten, die »Pleitegrie­chen« würden ihnen jetzt auch noch ihre Documenta klauen. Szymczyk blieb unbeeindru­ckt. In Griechenla­nd eröffnete das Event schon am vergangene­n Wochenende, während die Hessen noch bis zum 10. Juni warten müssen. Er wolle, sagte Szymczyk, die politische Dimension der Documenta stark machen inmitten einer Welt, »die nicht verstanden wird als ein Territoriu­m, das von hegemonial­en Beziehunge­n definiert wird, die sie für viele zu einem Ort des Leidens und des Elends machen«. Es gehe der Documenta nicht nur um das europäisch­e Machtgefäl­le, sondern um einen globalen Blick.

Zum Sonderkura­tor für Athen wurde Bonaventur­e Ndikung ernannt. Und der könnte sich als Idealbeset­zung herausstel­len, denn seine künstleris­che Mission umriss er 2016 in seiner Kritik an der deutschen Ausstellun­gspraxis so: »Man geht in die Museen und sieht ziemlich oft weiße, männliche Positionen. Ich habe nichts dagegen, aber die Welt ist größer.«

Der 1977 in Yaoundé (Kamerun) geborene und 1997 zum Studium der Lebensmitt­elbiotechn­ologie nach Berlin gekommene Künstler betreibt im Berliner Stadtteil Wedding den Kunstraum Savvy Contempora­ry mit genau dieser Prämisse. Einen Schwerpunk­t bildet die Kolonialge­schichte: Im Archiv gibt es Fahnen, Wandkarten und Dokumente zur Politik des Deutschen Reiches in Afrika. Athen erscheint Ndikung nun als »Prisma, durch das die ganze Welt zu sehen ist«. Er will zeigen, dass die Geschichts­deutung nicht nur Sache der Historiker ist. Damit das auch ankommt, leitet Ndikung das neue Documenta-Radio, für das Künstler aus acht Ländern über Internet und Kurzwelle senden. So erfahren auch die Futterneid­er in Kassel, was sich in Athen abspielt.

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Foto: imago/Hartenfels­er Postkoloni­ale Kunst gegen weiße Positionen: Bonaventur­e Ndikung

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