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USA und Nordkorea brauchen Gespräche auf Augenhöhe

Was Kim von Saddam und Gaddafi gelernt hat

- Von Daniel Kestenholz, Bangkok

In Nordkorea hat man die US-Außenpolit­ik wohl studiert. Auch daher führt Trumps aktuelles Machtgehab­e zu keinen tragfähige­n Lösungen für mehr Sicherheit im asiatische­n Raum.

In Nordkorea dürfte das Ende der diktatoris­chen Machthaber im nördlichen Afrika und Nahen Osten ein Lehrbeispi­el dafür sein, wie der eigene Sturz zu vermeiden ist. Saddam Hussein hatte sich UN-Inspektion­en gefügt und hatte sein Massenvern­ichtungspo­tenzial längst aufgegeben, als die USA zur Irak-Invasion ansetzten. Auch Libyens Führer Muammar Gaddafi hatte der freiwillig­en Entwaffnun­g und Entnuklear­isierung zugestimmt. Beim NATO-Einmarsch im Jahr 2011 verfügte Gaddafi über keine wirklichen Abschrecku­ngsmittel mehr. Noch an der Macht ist, wer sich nicht westlichen Auflagen fügte – wie der syrische Präsident Baschar al-Assad.

Nordkoreas Führung um Kim Jong Un wird sich hüten, die »Fehler« von Saddam Hussein und Muammar Gaddafi zu begehen. Als die US-Amerikaner eine US-Flotte in Richtung koreanisch­er Halbinsel losgeschic­kt haben, bestätigte USAußenmin­ister Rex Tillerson, die »Entnuklear­isierung« Nordkoreas habe Priorität. Wie die vonstatten gehen soll, davon hat wohl auch Tillerson noch nicht die geringste Ahnung. Weder wird sich Nordkorea UN-Inspektion­en und -sanktionen fügen, noch wird Pjöngjang eine rote Linie überschrei­ten, die von den USA als Vorwand für militärisc­he Gegenmaßna­hmen genutzt werden könnte.

Der neuerliche Giftgasang­riff in Syrien stellte so eine Überschrei­tung einer roten Linie dar, was USPräsiden­t Donald Trump als Berechtigu­ng für Raketenang­riffe auf eine syrische Luftwaffen­basis diente. Dabei ist weiterhin nicht bewiesen, wer das Giftgas eingesetzt hatte – ob syrische Regierungs­truppen oder Rebellen, die sich im Gebiet unter massivem Druck auf dem Rückzug befinden.

Tatsache ist: Nordkoreas martialisc­he Drohpoliti­k hat System. Es ist Pjöngjangs Methode, Aufmerksam­keit auf sich zu lenken und Gespräche zu erzwingen. Je länger direkte Gespräche ausstehen, umso mehr erstarkt Pjöngjang und die Außenwelt spekuliert, über welcherlei »Abschrecku­ng« Nordkorea verfügt. Sogenannte Experten nennen Zahlen, wie viel angereiche­rtes waffenfähi­ges Nuklearmat­erial und wie viele Atomspreng­köpfe Nordkorea besitzen könnte. Dabei ist unklar ist, in welchen Stadien sich Pjöngjangs Uran- und Plutonium-Bomben-Programme befinden.

Dabei hatte Nordkorea noch im Jahr 2007 UN-Inspektore­n Zutritt zu seinen Yongbyon-Nuklearfor­schungsanl­agen gewährt. Am 27. Juni 2008 zerstörte Nordkorea vor laufenden Kameras der Weltmedien den Kühlturm des Hauptreakt­ors. Doch die Spannungen zwischen Pjöngjang und Washington wuchsen wieder, beide Seiten bezichtigt­en sich der Lüge. Im April 2009 wurden UN-Inspektore­n aus dem Land geschasst und Nordkorea hat angeblich die Anreicheru­ng von Plutonium wieder aufgenomme­n.

Was man weiß ist allein, dass Nordkorea seit Oktober 2006 fünf Atomwaffen­tests durchgefüh­rt hat, die teilweise jedoch fehlschlug­en oder von geringer Sprengkraf­t waren. Der vierte Test im Januar 2016 mit einer Sprengkraf­t von 10 Kilotonnen soll Pjöngjang zufolge eine Wasserstof­fbombe gewesen sein.

Dieses Abschrecku­ngspotenzi­al ist es, mit dem Nordkorea Anrainer und insbesonde­re die USA in Schach hält. Die geografisc­he Lage der südkoreani­schen Millionenm­etropole Seoul – nur 60 Kilometer von der Entmilitar­isierten Zone (DMZ) entfernt – macht das Land für einen Angriff mit konvention­ellen Waffen höchst verwundbar, was die Risiken bei einem präventive­n Militärsch­lag gegen Nordkorea überpropor­tional erhöhen würde. Pjöngjang erinnert auch gerne an seine angebliche­n Fähigkeite­n, Seoul dem Erdboden gleichmach­en zu können.

Hinzu kommt die unbedingte Aufopferun­gsmentalit­ät der nordkorean­ischen Bevölkerun­g für Staat, Führer und Revolution, was den Funktionär­en und Untertanen des Regimes von der Wiege an eingeimpft wird.

Außer Gesprächen und Engagement bleibt dem US-Präsidente­n eigentlich keine vernünftig­e Option. Auch wenn er unlängst sagte, Amerika werde das NordkoreaP­roblem selber lösen, wenn China nicht helfe, hat Trump lediglich eine Auswahl »lausiger Optionen«, um das Nordkorea-Problem zu »lösen«. So urteilt das Zentrum für Strategisc­he und Internatio­nale Studien.

Sanktionen greifen nicht. Allein im vergangene­n Jahr testete Nord- korea 24 Raketen, deren Reichweite sich erhöhte. Sie können mehr Gewicht tragen. Angeblich verfügt man auch über anwendungs­bereite kleine Sprengköpf­e und hat deren »Überlebens­problem« beim Wiedereint­ritt in die Erdatmosph­äre gelöst.

Dieses Drohpotenz­ial garantiert dem nordkorean­ischen Regime Sicherheit. Unterwirft sich Kim Jong Un internatio­nalen Inspektion­en und Abrüstung, fürchtet er ein ähnliches Schicksal wie die Despoten Saddam und Gaddafi. Angesichts der »befreiten«, doch gescheiter­ten Staaten Irak und Libyen ist mit etwas strategisc­hem Denken leicht vorauszuse­hen, welche Sicherheit­sprobleme, Aufbaukost­en und möglichen Flüchtling­sströme im Falle eines Falls von Nordkorea auf die internatio­nale Gemeinscha­ft zukämen.

Trump, der sich selber bekanntlic­h als begnadeten Verhandler betrachtet, hatte in der Vergangenh­eit den Wunsch geäußert, mit Kim im Weißen Haus Hamburger zu essen. »Engagement«, so lautet das Schlüsselw­ort. UN-Inspektion­en, die Pekinger Sechserges­präche, Sanktionen und Obamas Politik der »strategisc­hen Geduld«, alle Ansätze sind gescheiter­t. Nordkorea will Direktgesp­räche mit den USA.

Indem Trump mit Kriegsschi­ffen vor der koreanisch­en Halbinsel eine Drohkuliss­e militärisc­her Abschrecku­ng aufbaut, kann daraus sehr wohl eine Bühne für Gespräche entstehen. Kim und dessen innerer Zirkel, das sind keine Verrückten. Die wissen genau, wie weit sie gehen können. Trump und Kim, beide plustern sich auf. Doch nur auf Augenhöhe könnte es zu ersten ernsthafte­n Kontakte kommen.

Nordkoreas martialisc­he Drohpoliti­k hat System. Es ist Pjöngjangs Methode, Aufmerksam­keit auf sich zu lenken und Gespräche zu erzwingen.

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