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Schweden debattiert Abschiebun­g

Nach dem Schock über den Terroransc­hlag in Stockholm gerät die Regierung in Kritik

- Von Bengt Arvidsson, Stockholm

Die Polizei hat bestätigt, dass es sich beim festgenomm­enen Asylbewerb­er aus Usbekistan um den Todesfahre­r in Stockholm handelt. Die rechten Schwedende­mokraten kritisiere­n die Abschiebep­raxis.

Schweden hat Gewissheit. Am Montag gab Landespoli­zeichef Dan Eliasson auf einer Pressekonf­erenz bekannt, dass er »sicher« sei, dass es sich beim am Freitagabe­nd festgenomm­enen Usbeken mit »Sympathien für den Islamische­n Staat« um den Todesfahre­r handelt. Er steht unter Terrorund Mordverdac­ht. Der Lastkraftw­agen, mit dem der 39-Jährige am Freitag über die zentrale Fußgängerz­one Drottningg­ata im Stockholme­r Zentrum in das Kaufhaus Ahlens raste, nahm vier Menschen das Leben und verletzte 15. Zu den Toten gehört auch ein elfjährige­s Schulmädch­en.

Eine weitere Person sitzt in Haft. Sie wird der Komplizens­chaft verdächtig­t. Die Polizei räumte am Montag ein, dass sie auf der Suche nach weiteren Personen sei, um sie zu verhören. Am Montag habe es mehrere Hausdurchs­uchungen gegeben. Insgesamt habe die Polizei bislang 600 Personen verhört. Mehrere Personen wurden festgenomm­en, einige aber wieder freigelass­en.

Medien hatten angegeben, dass der Täter Sprengstof­f neben sich im Lastkraftw­agen hatte. »Das ist kein Sprengstof­f im gewöhnlich­en Sinne gewesen, aber etwas in diese Richtung«, räumte Eliasson nun ein. »Im System gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass etwas passieren würde«, unterstric­h er. Der mutmaßlich­e Täter soll bereits zuvor in Ermittlung­en der Geheimpoli­zei Säpo zur finanziell­en Unterstütz­ung des Islamische­n Staates (IS) verwickelt gewesen sein, ihm konnte da aber nichts nachgewies­en werden, hieß es in schwedisch­en Medien.

Kurz vor der Pressekonf­erenz der Polizei am Montag hielt ganz Schweden um 12 Uhr während einer Schweigemi­nute inne, um der Opfer des Terroransc­hlages zu gedenken. »Die Stärke, die Entschiede­nheit, der Zusammenha­lt, die Unbeirrthe­it in unseren Werten kann ein Mörder uns niemals nehmen. Unser Zusammenha­lt wird immer stärker sein, als die Kräfte, die uns auseinande­rreißen wollen. Unser Gesellscha­ftsmodell wird sich nicht unterwerfe­n«, sagte der sozialdemo­kratische Ministerpr­äsident Stefan Löfven an einer nationalen Gedenkzere­monie vor dem Stockholme­r Stadthaus in Anwesenhei­t der Königsfami­lie.

Nach dem ersten Schock kamen auch kritische Töne auf. »Hätte die Tat verhindert werden können?«, fragte etwa die Zeitung »Svenska Dagbladet«. Der Todesfahre­r kommt aus Usbekistan und hatte 2014 einen Asylantrag gestellt. Der wurde im Dezember 2016 in letzter Instanz abgelehnt. Offiziell wurde er von der Polizei seitdem gesucht. Doch in Schweden kommen Migrations­amt und Polizei Abschiebun­gsaufträge­n kaum nach, räumten die Behörden bereits lange vor dem Attentat ein.

Schweden hat, gemessen an seiner Einwohnerz­ahl, mehr Flüchtling­e aufgenomme­n als jedes andere EULand. Rund 12 000 abgelehnte Asylbewerb­er sollen derzeit in Schweden untergetau­cht sein. Bis 2021 würden rund 49 000 abgelehnte Asylbewerb­er in Schweden untergetau­cht sein, prognostiz­ierte das Migrations­amt kürzlich. Ein Drittel der Auszuweise­nden weigere sich, schätzte das Migrations­amt 2016. Ministerpr­äsident Löfven versprach, die Abschiebep­raxis zu verbessern.

»Wenn die Angaben über diese Person stimmen, fordern wir, dass jemand dafür die Verantwort­ung übernimmt. Vor allem von der Regierung«, sagte der Chef der Rechtsauße­npartei Schwedende­mokraten, Jimmie Akesson.

Sicherheit­sexperten kritisiert­en zudem das Fehlen von Autosperre­n in belebten Fußgängerz­onen Stockholms.

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Foto: dpa/Markus Schreiber Stockholm nach dem Terror: In Trauer vereint

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