nd.DerTag

Koka ist kein Kokain, stupid!

Martin Ling über den Streit der EU und Bolivien über Anbaufläch­en

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Die Europäisch­e Union ist not amused. Boliviens Ankündigun­g, die legale Koka-Anbaufläch­e von 12 000 auf 22 000 Hektar auszuweite­n, hat die EU postwenden­d dazu bewegt, die Regierung ins UN-Büro in La Paz einzubeste­llen und mit dem Einfrieren von 30 Millionen Euro Entwicklun­gsgeldern zu drohen. Das Argument der EU ist auf den ersten Blick einleuchte­nd: Bolivien habe sich in einem zwischenst­aatlichen Kooperatio­nsabkommen von 2014 dazu verpflicht­et, die KokaAnbauf­läche auf maximal 20 000 Hektar zu begrenzen. In der Tat hat Bolivien in Sachen Koka-Anbaufläch­e eine Kehrtwende vollzogen. Doch eben nur in Sachen Anbaufläch­e, nicht in der Politik, die weiter dem Motto »Koka ja, Kokain nein« verpflicht­et ist. Das heißt konkret, ja zur alternativ­en Nutzung und Kommerzial­isierung der Kokapflanz­e sei es zu medizinisc­hen Zwecken, oder als kaubare Kalziumque­lle und Nein zur Drogenprod­uktion-, handel und Konsum.

Ob die EU oder die USA oder das koksende Partyvolk in Berlin und anderswo: Die desaströse Wirkung der Nachfrage nach dem weißen Pulver auf die Anbaulände­r wird geflissent­lich übersehen. Die Kokapflanz­e wird in den Anden seit 3000 Jahren angebaut. Dass sich vorzugswei­se reiche Europäer und Amerikaner aus Nord und Süd reichlich die Nase pudern, ist ein Phänomen der Moderne weit nach der KokainEntd­eckung 1860.

Bolivien werden vom UN-Büro für Drogen- und Verbrechen­sbekämpfun­g (UNODC) immer wieder Erfolge bei der Drogenvern­ichtung bescheinig­t, was freilich auch zeigt, dass in Bolivien auch Kokain produziert wird. Dennoch: Bolivien für den Anbau von Koka mit Entzug von Entwicklun­gsgeldern zu drohen, ist dreist, solange Koksen bis hin zum EU-Parlament als Kavaliersd­elikt gilt.

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