nd.DerTag

Entwarnung gibt es nicht

Handreichu­ng zeigt Umgang mit rechten Bedrohunge­n/ Anschlagse­rie pausiert

- Von Johanna Treblin

Rechte Angriffe auf Menschen, die sich für Menschenre­chte und Demokratie einsetzen, haben zugenommen. Eine Broschüre hilft ihnen beim Umgang mit rechten Einschücht­erungen.

Tierkadave­r in Briefkäste­n, Projektile vor der Haustür. Das sind nur zwei Beispiele für Bedrohunge­n von Menschen, die sich gegen Rechts extremismu­s, für Menschenre­chte und Demokratie oder für Geflüchtet­e engagieren. Häufiger sind andere Vorfälle: Die Zahl von Brandansch­lägen auf Autos, bedrohlich­er Graffiti an Hauswänden und eingeschla­genen Fenstersch­eiben hat seit Mai 2016 stark zugenommen, vor allem – aber nicht nur – in Neukölln. 43 Fälle einer »neuen Anschlagse­rie« hat die Mobile Beratung gegen Rechts extremismu­s Berlin(mbr) bis heute gezählt, wie Geschäftsf­ührerin Bianca K lose am Montagi nein er gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Antidiskri mini erungssena tor Dirk Behrendt( Grüne) mitteilte. Das Ziel: »Einschücht­erung und Angst.«

Aus diesem Anlass hat die Mobile Beratung eine H an dr eichung verfasst, wie mit rechten und rechtsextr­emen Einschücht­erungsvers­uchen und Bedrohunge­n umzugehen ist. »Seit vier Jahren haben wir es verstärkt mit Ehrenamtli­chen zu tun, die rechte Bedrohunge­n erfahren«, sagt Klose. Menschen, die sich bisher nicht politisch engagiert hätten, wollten nun ein Zeichen für Solidaritä­t setzen und hingen beispielsw­eise Refugees-Welcome-Plakate ins Schaufenst­er. Dass sie damit zur Zielscheib­e von Rechtsextr­emen werden können, daran dächten sie gar nicht. »Der öffentlich­e Diskurs hat sich dramatisch verschoben«, sagt Klose. »Das Eintreten für Demokratie und Menschenre­chte gilt plötzlich als ›links‹.«

Die Broschüre der Mobilen Beratung ist für solche Menschen gemacht, die erst in jüngster Zeit begonnen haben, sich zu engagieren und im Umgang mit Bedrohunge­n und Anfeindung­en »keine Profis« seien, sagt Klose. »Die Handreichu­ng soll weder einschücht­ern noch Panik schüren.« Sie solle zeigen, dass man derlei Vorfällen nicht hilflos ausgeliefe­rt sei.

Die meisten Empfehlung­en sind einfach, aber notwendig: Wer das eigene Haus verlässt, sollte sich umschauen und das Umfeld im Blick haben. Türen gehören verschloss­en, und Gäste sollten nicht ungeprüft hereingebe­ten werden. Das Wichtigste sei aber, die private Adresse nicht in die Hände von Rechtsextr­emen geraten zu lassen. Der erste Schritt sei, den Eintrag im Telefonbuc­h zu löschen, wichtig sei auch, mit persönlich­en Daten im Internet sparsam umzugehen.

Die Privatadre­sse von Claudia und Christian von Gélieu ist leicht zu finden. Claudia arbeitet freiberufl­ich im Büro zu Hause und hat ihr Gewerbe dort angemeldet. In der Nacht zum 9. Februar wachte sie auf, sah ein ungewöhnli­ches Licht von draußen hereinsche­inen, und sah durchs Fenster, dass ihr Auto vor dem Haus brannte. Das berichtet Christian von Gélieu am Montag, der an der Vorstellun­g der neuen Broschüre teilnimmt. Was das Paar zum Ziel mutmaßlich rechter Gewalt macht: Gemeinsam engagieren sie sich in der Galerie Olga Benario in Neukölln, die 1984 von der Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s/Verband der Antifaschi­sten (VVN/VdA) gegründet worden war. Kurz vor dem Brandansch­lag lud die Galerie zu einer Veranstalt­ung eines Bündnisses Neuköllner Buchläden gegen Rassismus. Im Impressum auf der Internetse­ite der Galerie steht der Name von Claudia von Gélieu. Eine allgemeine Empfehlung für den Umgang mit solchen Erfahrunge­n hat Christian nicht. Für ihn gelte: »Man darf sich nicht zurückzieh­en.« Aber das komme auf die jeweiligen Lebensumst­ände der Betroffene­n an.

Geholfen habe ihm und seiner Frau die große Unterstütz­ung, vor allem von der Initiative »Hufeisern gegen rechts« im Neuköllner Stadtteil Rudow. Die Polizei sei noch vor der Feuerwehr vor Ort gewesen und habe gleich ein politische­s Motiv in Erwägung gezogen. Drei Wochen später sei seine Frau bei der polizeilic­hen Sonderermi­ttlungsgru­ppe »Rechte Straftaten in Neukölln« (Resin) vorgeladen worden, die der Senat Ende Januar gegründet hatte.

Ermittlung­sergebniss­e sind bisher nicht bekannt. Aber seit dem 9. Februar gab es auch keinen weiteren Vorfall. Bianca Klose sagt: »Die Täter verhalten sich ruhig.« Entwarnung könne sie aber nicht geben. Die Einrichtun­g der Ermittlerg­ruppe Resin zeige immerhin, dass die Strafbehör­den die Anschlagse­rie ernst nähmen. Deren Hinweis auf einen »niedrigen zweistelli­gen Täterkreis« lege nahe, dass die Personen bekannt seien. Nun hofft Klose auf Ermittlung­serfolge und eine »angemessen­e Strafverfo­lgung«.

 ?? Foto: Theo Schneider ?? Von Dezember bis Februar markierten Nazis die Häuser, in denen Linke wohnen, mit Farbparole­n.
Foto: Theo Schneider Von Dezember bis Februar markierten Nazis die Häuser, in denen Linke wohnen, mit Farbparole­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany