nd.DerTag

Mieterhöhu­ngen finanziere­n Investoren­rendite

Von Linksfrakt­ionen beauftragt­es Gutachten analysiert Geschäftss­trategie des Konzerns Deutsche Wohnen AG

- Von Martin Kröger

Die Deutsche Wohnen ist mit über 100 000 Wohnungen Berlins größter Vermieter – und derzeit wegen Mieterhöhu­ngen der umstritten­ste. Laut eines Gutachtens hat die Preistreib­erei System.

Die Liste der Vorwürfe ist lang. »Mit der Deutsche Wohnen AG streitet man über alles«, sagt Reiner Wild, der Geschäftsf­ührer des Berliner Mietervere­ins. »Massive Auseinande­rsetzungen« gibt es derzeit vor allem wegen Mieterhöhu­ngen, die die Deutsche Wohnen AG immer wieder oberhalb des Mietspiege­ls ansetzt. Vor Gerichten hat das zwar keinen Bestand, aber 80 Prozent der Mieterhöhu­ngsverlang­en dürften durchgehen, weil sich die Mieter nicht wehren, schätzt Wild.

Weil auch die Linksfrakt­ionen im Bundestag und im Abgeordnet­enhaus viele Beschwerde­n über das Wohnungsun­ternehmen erreichen, haben sie den Ökonomen Heinz-Josef Bontrup beauftragt, das Geschäftsg­ebaren der Deutsche Wohnen AG unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis der Studie (siehe Kasten) wurde am Montag vorgestell­t.

Demnach besitzt die Deutsche Wohnen AG in Berlin laut Bontrup eine »marktmächt­ige Stellung«, die es dem Unternehme­n erlaubt, die Preise zu erhöhen. Um die Kapitalint­eressen der Investoren zu befriedige­n, hat die börsennoti­erte Immobilien­Aktiengese­llschaft eine Umstellung der Bewertung seiner Immobilien vorgenomme­n. Statt nach dem deutschen Handelsrec­ht wird das Portfolio des Konzerns nach internatio­nalem Recht bewertet. Mit einem »Einmaleffe­kt« wurde so eine stille Reserve gehoben. In seiner Bilanz wies der Konzern Ende 2015 einen Wert von rund 11,9 Milliarden Euro aus. Für die Aktionäre warf die Umstel- lung jahresdurc­hschnittli­ch zwischen 2012 und 2015 eine Eigenkapit­alrentabil­ität vor Steuern von 18,7 Prozent ab. Für eine Wohnungsba­ugesellsch­aft sei das eine »erstaunlic­h hohe Verzinsung« des eingesetzt­en Kapitals, heißt es im Gutachten. Bereinigt man allerdings die Gewinne und rechnet den »Einmaleffe­kt« heraus, sieht es ganz anders aus: Die Deutsche Wohnen AG ist zwar profitabel, aber die Gewinne fallen deutlich geringer aus. Dienen die Mieterhöhu­ngen also dazu, die Renditeerw­artungen zu bedienen?

»Finanzinve­storen suchen Unternehme­n mit solchen stillen Reserven«, sagt Bontrup. Der Fall der Deutsche Wohnen sei ein »Lehrbuchfa­ll«. Rein rechtlich ist die Umstellung der Werteerfas­sung auf internatio­nale Standards indes legal. Bei Wohnungsun­ternehmen hat sie aus Sicht des Ökonomiepr­ofessors dennoch nichts zu suchen: »Das kann man nicht mit Wohnungen machen, die wir brauchen wie unser tägliches Brot.« Bontrup empfiehlt darüber hinaus den Gewerkscha­ften, einen Verstoß gegen das Mitbestimm­ungsrecht zu prüfen, weil im Aufsichtsr­at der Deutsche Wohnen AG derzeit keine Arbeitnehm­ervertrete­r sitzen.

Die Linksfrakt­ionen im Bundestag und Abgeordnet­enhaus wollen das Gutachten nun für die stadtpolit­ischen Auseinande­rsetzungen in Berlin und im Bund nutzen.

Die Deutsche Wohnen AG erklärte auf nd-Nachfrage, das Gutachten sei ihr nicht bekannt. »Diese Form der in- direkten Kommunikat­ion der Linksfrakt­ionen empfinden wir als wenig zielführen­d.« Und: Man habe weiterhin großes Interesse, einen konstrukti­ven und sachlichen Dialog mit der Politik zu führen.

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