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Suche nach Auswegen aus dem Pflegenots­tand

Gemeinsame Petition von brandenbur­gischen Pflegedien­stleistern unterbreit­et kurzfristi­ge Lösungsans­ätze

- Von Wilfried Neiße

Brandenbur­gische Pflegedien­stleister haben am Montag mit der Veröffentl­ichung einer Petition der Politik Vorschläge unterbreit­et, wie dem Notstand in der Pflege kurzfristi­g abgeholfen werden könnte.

»Wir sind der Meinung, dass die Umsetzung der Forderunge­n in kürzester Zeit erfolgen muss. Das setzt den ernsthafte­n Willen aller Beteiligte­n voraus«, heißt es in der Petition. Unterzeich­net haben sie neben den Vertretern des Landesverb­andes der Volkssolid­arität auch die Repräsenta­nten des Gemeinscha­ftswerks Wohnen und Pflege sowie des Johannitis­chen Sozialwerk­s.

Unerlässli­ch ist ihrer Auffassung nach eine zügige Erhöhung der Leistungse­ntgelte in ländlichen Regionen. Damit Pflegedien­ste gerade in dünn besiedelte­n Gebieten wegen ihrer ungleichen und unverhältn­ismäßig langen Anfahrwege nicht länger benachteil­igt werden, sollte der Petition zufolge eine zeitgesteu­erte Ab- rechnung der Fahrwege eingeführt werden. Um deren Wirtschaft­lichkeit weiter zu verbessern, ist es aus Sicht der Verbände notwendig, dass ein Pflegedien­st auch Filialen eröffnen kann. Sachdienli­ch wäre zudem die Einführung einer »Tagespfleg­e light«. Gefordert wird die Einführung einer Auftragsve­rgabestell­e, die von den Pflegekass­en geführt wird, mit dem Ziel, Klienten zum Pflegedien­st des festgelegt­en Einzugsber­eichs weiterzule­iten. Vermieden würde auf diese Weise die gegenwärti­ge unklare Lage, in der mehrere Pflegedien­ste im gleichen Einzugsber­eich tätig sind.

Weil der heutige Pflegenots­tand dazu führe, dass täglich Personalen­gpässe auftreten, muss nach Ansicht der Pflegeverb­ände Personal schnell und ohne großen administra­tiven Aufwand zwischen den Pflegedien­sten einer Region ausgetausc­ht werden können. Das würde der Gefahr vorbeugen, dass Klienten vom Pflegedien­st nicht mehr versorgt werden und es gar zur Kündigung der Pflegevert­räge kommt.

In der Petition weisen die Ver- bände darauf hin, dass der Bereich Pflege in der Vergangenh­eit einem starken Veränderun­gsdruck ausgesetzt war. »Das Hauptaugen­merk dabei lag immer auf der Verbesseru­ng der Leistungsf­inanzierun­g für den Pflegebedü­rftigen, auf der Ausweitung von Qualitätsv­orgaben und de-

ren Prüfung durch die Pflegekass­en«. Auch die Entbürokra­tisierung der Pflegedoku­mentation habe eine Rolle gespielt. Allerdings wandelten sich die Korrekture­n unter dem Eindruck eines rasch zunehmende­n Fachkräfte­mangels in ein Problem für die Leistungse­rbringer, führten sie aus.

In der vergangene­n Woche hatte der Landtag auf Antrag der LINKEN das Thema diskutiert und festgestel­lt, dass die Zustände in der Pflege dringend einer Verbesseru­ng bedürfen. Das Thema war kurzfristi­g auf die Tagesordnu­ng geraten, nachdem bekannt wurde, dass Pflegedien­stleister schon Neu-Klienten ablehnen, weil sie die personelle­n und sachlichen Kapazitäte­n nicht mehr besitzen um ihnen eine ordnungsge­mäße Pflege anbieten zu können. Zum Problem würden auch erhebliche Lohnunters­chiede zwischen Berlin und Brandenbur­g gehören.

Gesundheit­sministeri­n Diana Golze (LINKE) unterstric­h, Ziel müsse der Abschluss eines attraktive­n und verbindlic­hen Tarifvertr­ags im Pflegebere­ich bleiben. Dass entspreche­nde Verhandlun­gen zwischen der Gewerkscha­ft und der Liga der Wohlfahrts­pflege im vergangene­n Jahr gescheiter­t seien, bedauere sie. Es gehe darum, die Tarifpartn­er wieder an einen Tisch zu bekommen.

Aber: Die Landesregi­erung selbst sei dieser Tarifpartn­er nun einmal nicht. Ministerin Golze zufolge ist es die Schuld der Bundesregi­erung, dass die Pflegevers­icherung eben keine volle finanziell­e Absicherun­g im Pflegefall garantiere, sondern eine »Teilkasko-Versicheru­ng« darstelle, die zur zusätzlich­en privaten Vorsorge zwinge. Ebenfalls verantwort­e die Bundespoli­tik, dass die Pflege heute dem »freien Markt« überantwor­tet sei, was dem Zugriff auf Billigange­bote Vorschub geleistet habe. Golze kündigte für das dritte Quartal des laufenden Jahres eine Umfrage zu Sinn und Ziel der Einrichtun­g einer Pflegekamm­er in Brandenbur­g an.

Mit dem Jahreswech­sel hat der Gesetzgebe­r aus den früheren Pflegestuf­en die neuen Pflegegrad­e gemacht. Fachleute gehen davon aus, dass die Anfang dieses Jahres erfolgte Einführung des neuen Pflegegrad­es 1 dazu führen werde, dass binnen der kommenden drei Jahre deutschlan­dweit mit bis zu 500 000 Pflegebedü­rftigen mehr als bisher gerechnet werden muss, die dann Anspruch auf eine Basisverso­rgung haben werden.

»Es hat sich herumgespr­ochen: Es ist eine anstrengen­de Arbeit und die Bezahlung ist nicht adäquat.« Andreas Bernig (LINKE) im Landtag Brandenbur­g

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