Suche nach Auswegen aus dem Pflegenotstand
Gemeinsame Petition von brandenburgischen Pflegedienstleistern unterbreitet kurzfristige Lösungsansätze
Brandenburgische Pflegedienstleister haben am Montag mit der Veröffentlichung einer Petition der Politik Vorschläge unterbreitet, wie dem Notstand in der Pflege kurzfristig abgeholfen werden könnte.
»Wir sind der Meinung, dass die Umsetzung der Forderungen in kürzester Zeit erfolgen muss. Das setzt den ernsthaften Willen aller Beteiligten voraus«, heißt es in der Petition. Unterzeichnet haben sie neben den Vertretern des Landesverbandes der Volkssolidarität auch die Repräsentanten des Gemeinschaftswerks Wohnen und Pflege sowie des Johannitischen Sozialwerks.
Unerlässlich ist ihrer Auffassung nach eine zügige Erhöhung der Leistungsentgelte in ländlichen Regionen. Damit Pflegedienste gerade in dünn besiedelten Gebieten wegen ihrer ungleichen und unverhältnismäßig langen Anfahrwege nicht länger benachteiligt werden, sollte der Petition zufolge eine zeitgesteuerte Ab- rechnung der Fahrwege eingeführt werden. Um deren Wirtschaftlichkeit weiter zu verbessern, ist es aus Sicht der Verbände notwendig, dass ein Pflegedienst auch Filialen eröffnen kann. Sachdienlich wäre zudem die Einführung einer »Tagespflege light«. Gefordert wird die Einführung einer Auftragsvergabestelle, die von den Pflegekassen geführt wird, mit dem Ziel, Klienten zum Pflegedienst des festgelegten Einzugsbereichs weiterzuleiten. Vermieden würde auf diese Weise die gegenwärtige unklare Lage, in der mehrere Pflegedienste im gleichen Einzugsbereich tätig sind.
Weil der heutige Pflegenotstand dazu führe, dass täglich Personalengpässe auftreten, muss nach Ansicht der Pflegeverbände Personal schnell und ohne großen administrativen Aufwand zwischen den Pflegediensten einer Region ausgetauscht werden können. Das würde der Gefahr vorbeugen, dass Klienten vom Pflegedienst nicht mehr versorgt werden und es gar zur Kündigung der Pflegeverträge kommt.
In der Petition weisen die Ver- bände darauf hin, dass der Bereich Pflege in der Vergangenheit einem starken Veränderungsdruck ausgesetzt war. »Das Hauptaugenmerk dabei lag immer auf der Verbesserung der Leistungsfinanzierung für den Pflegebedürftigen, auf der Ausweitung von Qualitätsvorgaben und de-
ren Prüfung durch die Pflegekassen«. Auch die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation habe eine Rolle gespielt. Allerdings wandelten sich die Korrekturen unter dem Eindruck eines rasch zunehmenden Fachkräftemangels in ein Problem für die Leistungserbringer, führten sie aus.
In der vergangenen Woche hatte der Landtag auf Antrag der LINKEN das Thema diskutiert und festgestellt, dass die Zustände in der Pflege dringend einer Verbesserung bedürfen. Das Thema war kurzfristig auf die Tagesordnung geraten, nachdem bekannt wurde, dass Pflegedienstleister schon Neu-Klienten ablehnen, weil sie die personellen und sachlichen Kapazitäten nicht mehr besitzen um ihnen eine ordnungsgemäße Pflege anbieten zu können. Zum Problem würden auch erhebliche Lohnunterschiede zwischen Berlin und Brandenburg gehören.
Gesundheitsministerin Diana Golze (LINKE) unterstrich, Ziel müsse der Abschluss eines attraktiven und verbindlichen Tarifvertrags im Pflegebereich bleiben. Dass entsprechende Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und der Liga der Wohlfahrtspflege im vergangenen Jahr gescheitert seien, bedauere sie. Es gehe darum, die Tarifpartner wieder an einen Tisch zu bekommen.
Aber: Die Landesregierung selbst sei dieser Tarifpartner nun einmal nicht. Ministerin Golze zufolge ist es die Schuld der Bundesregierung, dass die Pflegeversicherung eben keine volle finanzielle Absicherung im Pflegefall garantiere, sondern eine »Teilkasko-Versicherung« darstelle, die zur zusätzlichen privaten Vorsorge zwinge. Ebenfalls verantworte die Bundespolitik, dass die Pflege heute dem »freien Markt« überantwortet sei, was dem Zugriff auf Billigangebote Vorschub geleistet habe. Golze kündigte für das dritte Quartal des laufenden Jahres eine Umfrage zu Sinn und Ziel der Einrichtung einer Pflegekammer in Brandenburg an.
Mit dem Jahreswechsel hat der Gesetzgeber aus den früheren Pflegestufen die neuen Pflegegrade gemacht. Fachleute gehen davon aus, dass die Anfang dieses Jahres erfolgte Einführung des neuen Pflegegrades 1 dazu führen werde, dass binnen der kommenden drei Jahre deutschlandweit mit bis zu 500 000 Pflegebedürftigen mehr als bisher gerechnet werden muss, die dann Anspruch auf eine Basisversorgung haben werden.
»Es hat sich herumgesprochen: Es ist eine anstrengende Arbeit und die Bezahlung ist nicht adäquat.« Andreas Bernig (LINKE) im Landtag Brandenburg