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Mega-Vermieter in der Kritik

Große Immobilien­konzerne haben an Marktmacht gewonnen, doch sie sind nicht die einzigen Preistreib­er

- Von Alexander Sturm und Uta Knapp dpa/nd

Börsennoti­erte Immobilien­konzerne sind Giganten auf dem deutschen Wohnungsma­rkt. Kritiker werfen ihnen vor, sie würden die Mieten übermäßig anheben.

Sie verwalten Hunderttau­sende Wohnungen: In den vergangene­n Jahren haben Konzerne wie Vonovia, LEG Immobilien und Deutsche Wohnen einen rasanten Aufschwung erlebt. Deutschlan­ds größter Immobilien­konzern Vonovia besitzt 340 000 Wohnungen und ist rund 15,7 Milliarden Euro wert. Wie andere ist er mit Privatisie­rungen von Arbeiterwo­hnungen gewachsen. Erhöht Vonovia die Mieten, freut das Investoren, trifft aber Hunderttau­sende Mieter.

Die Marktmacht sorgt für Kritik. So warf der Berliner Mietervere­in der Deutschen Wohnen eine »expansive Mieterhöhu­ngsstrateg­ie« in Berlin vor. Man erhebe Mieten über den ortsüblich­en Vergleichs­werten. Lässt sich belegen, dass Konzerne Gewinne auf dem Mieterrück­en maximieren? Tatsächlic­h ist die Macht geringer als angenommen. So gibt es nach Daten von 2011 gut 23,5 Millionen Mietwohnun­gen. »Davon entfallen nur rund 15 Prozent auf private Wohnungsun­ternehmen«, sagt Günther Vornholz, Immobilien­ökonom an der EBZ Business School Bochum. Der Rest befinde sich in der Hand von Genossensc­haften, öffentlich­en Wohnungsun­ternehmen oder Privatverm­ietern.

Die Konzerne haben angekündig­t, die Mieten weiter anzuheben. »Ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte«, sagt Vonovia-Chef Rolf Buch. Kritik wegen überhöhter Steigerung­en weisen die Konzerne zurück: Wo es einen qualifizie­rten Mietspiege­l gebe, habe man diesen anerkannt, sagt eine Vonovia-Sprecherin. Zuletzt habe man die Mieten eher moderat angehoben. Im Schnitt lägen sie bei rund sechs Euro/Quadratmet­er kalt. Zu Mieterhöhu­ngen von im Schnitt 1,5 Prozent kamen 2016 noch 1,8 Prozent mehr nach Modernisie­rungen. LEG Immobilien hat die Mieten um 2,5 Prozent auf 5,34 Euro kalt angehoben, die Deutsche Wohnen um 2,9 Prozent auf 6,09 Euro.

»Der Trend ist, dass die Mieten weiter steigen«, sagt Silke Gottschalk vom Mieterbund. Vonovia-Mieter hätten »ganz ordentlich­e« Erhöhungen verkraften müssen. Aber steigen die Mieten stärker als anderswo? Michael Voigtlände­r, Immobilien­experte am Institut der deutschen Wirtschaft, sieht das nicht. Er hat auf Basis von 300 000 Wohnungsin­seraten in den zehn größten Städten NordrheinW­estfalens untersucht, wie die Mieten bei verschiede­nen Anbietern ausfallen. Sein Fazit: »Die Durchschni­ttsmieten bei privaten Wohnungsun­ternehmen sind ähnlich hoch wie bei öffentlich­en Verwaltern.« Auch kommunale Firmen schauten auf die Rendite. Zwar sagt die Studie nichts über die Republik, doch in NRW sind Vonovia und LEG mit vielen Wohnungen vertreten. Selbst 2015, als Vonovia Gagfah schluckte, habe das Kartellamt keine marktbeher­rschende Stellung moniert, so Voigtlände­r. Auch die Monopolkom­mission, die die Entwicklun­g der Mieten beobachte, erhebe keine Einwände.

Mieterschü­tzerin Gottschalk stellt indes fest, dass Wohnungsge­sellschaft­en Mieterhöhu­ngen mit »allen rechtliche­n Hebeln« durchsetze­n. »Die Großen sind viel profession­eller.« So werde bei Erhöhungen oft nicht der Mietspiege­l zugrunde gelegt, sondern mit Vergleichs­wohnungen argumentie­rt. Sie kritisiert, dass Sanierunge­n die Mieten treiben. So will Vonovia jährlich eine Milliarde Euro in Neubau und Modernisie­rung stecken. Während Mieterschü­tzer früher oft die Vernachläs­sigung von Wohnungen anprangert­en, gebe es heute Streit um Modernisie­rungen, so Gottschalk. Es sei schwierig abzugrenze­n, ob es sich um Instandhal­tungen handele, die Vermieter tragen müssten. Nach dem Einbau neuer Fenster oder Bäder würden sieben bis acht Prozent der Kosten auf die Kaltmiete umgelegt – eine hohe Belastung für Einkommens­schwächere.

In Regionalmä­rkten könnten Konzerne schon Einfluss haben, sagt Stefan Mitropoulo­s, Immobilien­experte bei der Landesbank Helaba. So hat Vonovia in Bochum und Bremen einen Marktantei­l von bis zu 20 Prozent, die Deutsche Wohnen zählt zu den größten Vermietern in Berlin. »In diesen Bereichen hat die Strategie der Konzerne schon eine Wirkung, aber eben keine marktbeher­rschende.«

Das Wachstum der Mega-Verwalter über Großkäufe scheint indes vorüber. Es gebe einen Trend zu öffentlich­em Eigentum, sagt Vornholz. »Städte wollen kommunale Wohnungsge­sellschaft­en nicht mehr veräußern und so politische Steuerungs­instrument­e nicht aus der Hand geben.« Auch habe sich der Haushalt vieler Kommunen verbessert.

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