Was die EU von Deutschland lernen kann
Alternativen zum Sozialabbau: Es gibt konkrete Vorschläge, wie Krisenländer unterstützt werden könnten
Bayern war lange Zeit ein relativ finanzschwaches Land. Deshalb erhielt der Freistaat von 1950 bis 1986 Geld aus dem Länderfinanzausgleich. Mittlerweile steht Bayern relativ gut da und unterstützt deshalb andere Bundesländer. Der deutsche Länderfinanzausgleich funktioniert seit Jahrzehnten, auch wenn Geberländer öfter murren und knurren.
Auf europäischer Ebene gibt es keine vergleichbaren Hilfen der Stärkeren für die Schwächeren. Eine »Transferunion« lehnen insbesondere deutsche, auch bayerische Politiker strikt ab: »Einen europäischen Finanzausgleich darf es nicht geben«, sagte etwa CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer vor zwei Jahren mit Blick auf die Forderung Frankreichs nach einem europäischen Finanzausgleich. »Schwache Länder für falsches Wirtschaften zu belohnen, ist der falsche, der sozialistische Weg für Europa.«
Bislang hat sich Deutschland mit dieser Position durchgesetzt. So erhielten südeuropäische Länder in der Krise keine Transferzahlungen, sondern an Bedingungen geknüpfte Kredite. Die Regierungen haben auf Druck von Deutschland und der EU Renten und Sozialleistungen gekürzt, Arbeitnehmerrechte beschnitten und Löhne gesenkt.
Dabei gab und gibt es konkrete Vorschläge für solidarische Hilfen auf europäischer Ebene für Staaten in einer wirtschaftlichen Schwächephase. Dazu gehören Eurobonds oder eine europäische Mehrwertsteuer (siehe Beiträge unten).
Hilfen wie ein Finanzausgleich, die auf nationaler Ebene längst etabliert sind, werden jedoch auf europäischer Ebene rüde zurückgewiesen. Ein Grund ist eine Kombination aus nationalem und neoliberalem Denken, sagt Gustav Horn, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts IMK in der gewerkschaftsnahen Hans-BöcklerStiftung. Aus dem neoliberalen Blickwinkel seien Volkswirtschaften ähnlich wie Unternehmen Konkurrenten. Nach dieser Sichtweise »ist es unsinnig, Konkurrenten zu helfen«. Zudem blickten Regierungen zunächst auf ihre Länder, wo ihre Wähler leben, und nicht auf Europa als Ganzes.
Die eingeschlagene Austeritätspolitik schade allerdings langfristig allen, weil sie die Wirtschaftskraft der EU schwäche. Zudem sei eine Kürzungspolitik wie bisher auf Dauer als zentrale Anti-Krisenstrategie nicht durchsetzbar. Insbesondere für die Eurozone gebe es deshalb nur zwei Alternativen, betont Horn: Entweder wird der Euro wieder abgeschafft. Oder die Währungsunion bleibt erhalten – dann seien aber zusätzliche Stabilitätsmechanismen nötig, etwa Transfers in Länder, die sich in einer Rezession befinden.
Der Wiener Europaexperte Karl Aiginger sieht ein Kernproblem darin, dass die EU-Kommission derzeit keine Vision hat, wie sich Europa entwickeln soll. Genau darauf komme es aber an, betont der Leiter der »Querdenkerplattform Wien-Europa«: Die EU müsse große politische Ziele benennen. »Die EU sollte anstreben, ökologischer Vorreiter zu werden, die Ungleichheit in Einkommen und Bildung entscheidend zu verringern und die Globalisierung so zu gestalten, dass soziale und ökologische Standards nach oben angeglichen werden.« Wenn diese Ziele unumstritten seien, könne jede Region nach ihren Präferenzen den besten Weg bestimmen. Gleichzeitig könnten die schwächsten Länder, in denen beispielsweise die Arbeitslosigkeit durch die Finanzkrise und die Überschüsse der deutschen Leistungsbilanz besonders hoch ist, durch einen europäischen Beitrag unterstützt werden.